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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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Die britische Rcichskonfcrenz

Seit der letzten Konferenz von 1907 -- die wehrpolitische Konferenz
von 1909 hatte nur einen subsidiären Charakter -- sind einige Tatsachen zu
verzeichnen, die für die Beziehungen zwischen England und den Dominions von
Interesse sind. Das wichtigste Ereignis, die Begründung der kolonialen Flotten,
ist bereits behandelt worden, desgleichen die Änderung in der Organisation des
Kolonialamts. Eine weitere Neuerung war, daß hohe Beamte des Kolonialamts
Reisen nach den Dominions unternahmen, um mehr persönliche Fühlung her¬
zustellen, woran es früher allerdings sehr gefehlt hatte. Dann ist eine Änderung
handelspolitischer Natur zu erwähnen. Die kolonialen Regierungen klagten auf
der letzten Konferenz, daß England keine handelspolitischen Vertretungen in den
Dominions hätte, während das Ausland dort durch seine Konsulate vertreten
wäre. Man meinte, daß England der ausländischen Handelskonkurrenz in den
Kolonien um so wirksamer begegnen konnte, wenn es ähnliche Vertretungen
besäße. Dementsprechend hat sich die englische Regierung im Jahre 1908 ent¬
schlossen, vier "Imperial l'racie L0mal88l'vnLr8", je einen für Kanada, Australien,
Neuseeland und Südafrika anzustellen, neben denen eine Anzahl offizieller
Handelskorrespondenten fungiert. Der Tätigkeit dieser Reichshandelskommissare
verdanken wir einige interessante Berichte, die in den englischen Blaubüchern
veröffentlicht worden sind. Die großen Dominions ihrerseits unterhalten außer
ihren Oberkommissaren (dei^n Lommissioners) in London eine Reihe von
Handelskommissaren (1"raäe Le>mal88ionei'8) in verschiedenen Orten des Ver¬
einigten Königreichs, wie auch im nichtbritischen Ausland.

Sodann hat Kanada im Jahre 1907 ein besonderes Departement für
äußere Angelegenheiten eingerichtet, das aber nicht "Departement ok ^oreiAn",
sondern "ok Lxternal /cktair8" heißt. Dieses Departement steht unter einem
Unterstaatssekretär und ist mit der Führung des gesamten amtlichen Verkehrs
zwischen der kanadischen Regierung und den Regierungen anderer Länder
beauftragt, die sich auf die äußeren Angelegenheiten Kanadas beziehen. Dazu
gehören Verhandlungen mit den anderen britischen Kolonien, und aus den
englischen Blaubüchern scheint hervorzugehen, daß auch der amtliche Verkehr
mit dem Mutterlande durch diesen Kanal geht. Ferner ist diesem Amt der
kanadische Konsulardienst (Handelskommissare) im Auslande unterstellt. Auch
der australische Lommonwealtn besitzt ein Ministerium der äußeren (external)
Angelegenheiten.

Das offizielle Programm der jetzigen Neichskonferenz ist verhältnismäßig
bescheiden. Die Vorschläge, die von der englischen Regierung ausgehen,
beschränken sich ausschließlich auf untergeordnetere Punkte, die gewiß nicht
unwichtig sind, aber doch keine große politische Bedeutung haben. Die größeren
unter den Dominions haben ebenfalls keine Anträge von besonderer politischer
Wichtigkeit gestellt. Die kanadische Regierung hat sich überhaupt aller eigenen
Anträge enthalten. Es ist das kleine Neuseeland, das den Antrag auf Errichtung
eines Reichsrath eingebracht hat, und an sich kommt diesem Antrag auch nur


Die britische Rcichskonfcrenz

Seit der letzten Konferenz von 1907 — die wehrpolitische Konferenz
von 1909 hatte nur einen subsidiären Charakter — sind einige Tatsachen zu
verzeichnen, die für die Beziehungen zwischen England und den Dominions von
Interesse sind. Das wichtigste Ereignis, die Begründung der kolonialen Flotten,
ist bereits behandelt worden, desgleichen die Änderung in der Organisation des
Kolonialamts. Eine weitere Neuerung war, daß hohe Beamte des Kolonialamts
Reisen nach den Dominions unternahmen, um mehr persönliche Fühlung her¬
zustellen, woran es früher allerdings sehr gefehlt hatte. Dann ist eine Änderung
handelspolitischer Natur zu erwähnen. Die kolonialen Regierungen klagten auf
der letzten Konferenz, daß England keine handelspolitischen Vertretungen in den
Dominions hätte, während das Ausland dort durch seine Konsulate vertreten
wäre. Man meinte, daß England der ausländischen Handelskonkurrenz in den
Kolonien um so wirksamer begegnen konnte, wenn es ähnliche Vertretungen
besäße. Dementsprechend hat sich die englische Regierung im Jahre 1908 ent¬
schlossen, vier „Imperial l'racie L0mal88l'vnLr8", je einen für Kanada, Australien,
Neuseeland und Südafrika anzustellen, neben denen eine Anzahl offizieller
Handelskorrespondenten fungiert. Der Tätigkeit dieser Reichshandelskommissare
verdanken wir einige interessante Berichte, die in den englischen Blaubüchern
veröffentlicht worden sind. Die großen Dominions ihrerseits unterhalten außer
ihren Oberkommissaren (dei^n Lommissioners) in London eine Reihe von
Handelskommissaren (1"raäe Le>mal88ionei'8) in verschiedenen Orten des Ver¬
einigten Königreichs, wie auch im nichtbritischen Ausland.

Sodann hat Kanada im Jahre 1907 ein besonderes Departement für
äußere Angelegenheiten eingerichtet, das aber nicht „Departement ok ^oreiAn",
sondern „ok Lxternal /cktair8" heißt. Dieses Departement steht unter einem
Unterstaatssekretär und ist mit der Führung des gesamten amtlichen Verkehrs
zwischen der kanadischen Regierung und den Regierungen anderer Länder
beauftragt, die sich auf die äußeren Angelegenheiten Kanadas beziehen. Dazu
gehören Verhandlungen mit den anderen britischen Kolonien, und aus den
englischen Blaubüchern scheint hervorzugehen, daß auch der amtliche Verkehr
mit dem Mutterlande durch diesen Kanal geht. Ferner ist diesem Amt der
kanadische Konsulardienst (Handelskommissare) im Auslande unterstellt. Auch
der australische Lommonwealtn besitzt ein Ministerium der äußeren (external)
Angelegenheiten.

Das offizielle Programm der jetzigen Neichskonferenz ist verhältnismäßig
bescheiden. Die Vorschläge, die von der englischen Regierung ausgehen,
beschränken sich ausschließlich auf untergeordnetere Punkte, die gewiß nicht
unwichtig sind, aber doch keine große politische Bedeutung haben. Die größeren
unter den Dominions haben ebenfalls keine Anträge von besonderer politischer
Wichtigkeit gestellt. Die kanadische Regierung hat sich überhaupt aller eigenen
Anträge enthalten. Es ist das kleine Neuseeland, das den Antrag auf Errichtung
eines Reichsrath eingebracht hat, und an sich kommt diesem Antrag auch nur


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[0366] Die britische Rcichskonfcrenz Seit der letzten Konferenz von 1907 — die wehrpolitische Konferenz von 1909 hatte nur einen subsidiären Charakter — sind einige Tatsachen zu verzeichnen, die für die Beziehungen zwischen England und den Dominions von Interesse sind. Das wichtigste Ereignis, die Begründung der kolonialen Flotten, ist bereits behandelt worden, desgleichen die Änderung in der Organisation des Kolonialamts. Eine weitere Neuerung war, daß hohe Beamte des Kolonialamts Reisen nach den Dominions unternahmen, um mehr persönliche Fühlung her¬ zustellen, woran es früher allerdings sehr gefehlt hatte. Dann ist eine Änderung handelspolitischer Natur zu erwähnen. Die kolonialen Regierungen klagten auf der letzten Konferenz, daß England keine handelspolitischen Vertretungen in den Dominions hätte, während das Ausland dort durch seine Konsulate vertreten wäre. Man meinte, daß England der ausländischen Handelskonkurrenz in den Kolonien um so wirksamer begegnen konnte, wenn es ähnliche Vertretungen besäße. Dementsprechend hat sich die englische Regierung im Jahre 1908 ent¬ schlossen, vier „Imperial l'racie L0mal88l'vnLr8", je einen für Kanada, Australien, Neuseeland und Südafrika anzustellen, neben denen eine Anzahl offizieller Handelskorrespondenten fungiert. Der Tätigkeit dieser Reichshandelskommissare verdanken wir einige interessante Berichte, die in den englischen Blaubüchern veröffentlicht worden sind. Die großen Dominions ihrerseits unterhalten außer ihren Oberkommissaren (dei^n Lommissioners) in London eine Reihe von Handelskommissaren (1"raäe Le>mal88ionei'8) in verschiedenen Orten des Ver¬ einigten Königreichs, wie auch im nichtbritischen Ausland. Sodann hat Kanada im Jahre 1907 ein besonderes Departement für äußere Angelegenheiten eingerichtet, das aber nicht „Departement ok ^oreiAn", sondern „ok Lxternal /cktair8" heißt. Dieses Departement steht unter einem Unterstaatssekretär und ist mit der Führung des gesamten amtlichen Verkehrs zwischen der kanadischen Regierung und den Regierungen anderer Länder beauftragt, die sich auf die äußeren Angelegenheiten Kanadas beziehen. Dazu gehören Verhandlungen mit den anderen britischen Kolonien, und aus den englischen Blaubüchern scheint hervorzugehen, daß auch der amtliche Verkehr mit dem Mutterlande durch diesen Kanal geht. Ferner ist diesem Amt der kanadische Konsulardienst (Handelskommissare) im Auslande unterstellt. Auch der australische Lommonwealtn besitzt ein Ministerium der äußeren (external) Angelegenheiten. Das offizielle Programm der jetzigen Neichskonferenz ist verhältnismäßig bescheiden. Die Vorschläge, die von der englischen Regierung ausgehen, beschränken sich ausschließlich auf untergeordnetere Punkte, die gewiß nicht unwichtig sind, aber doch keine große politische Bedeutung haben. Die größeren unter den Dominions haben ebenfalls keine Anträge von besonderer politischer Wichtigkeit gestellt. Die kanadische Regierung hat sich überhaupt aller eigenen Anträge enthalten. Es ist das kleine Neuseeland, das den Antrag auf Errichtung eines Reichsrath eingebracht hat, und an sich kommt diesem Antrag auch nur

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/366>, abgerufen am 26.06.2024.