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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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Richard Roch und die Reichsbank

Dichterworte stets in Erinnerung: "Das ist als das Höchste zu achten, die
Menschen kennen und sie nicht verachten."

Vornehm in seinem Denken und Handeln, in Wort und Schrift, unparteiisch
und sachlich in seinem Urteile, wie er es als Richter gewöhnt war, unabhängig
in seinem Wirken sowohl nach oben als, was häufig schwerer ist, nach unten,
war er in seiner unbegrenzten Gewissenhaftigkeit, Überzeugungstreue und Liebe
zur Wahrheit nicht nur ein geborener Richter, sondern zugleich auch ein geborener
Anwalt des Rechts. Die größere oder geringere Heftigkeit, mit der ein Mensch
gegen das reagiert, was er als Unrecht oder als Rechtsverletzung empfindet,
scheint mir vor allem bezeichnend für seinen Charakter und bestimmend für seine
innere Entwickelung und seinen äußeren Lebensgang. Koch war ein begeisterter
Apostel des Rechts und der Wahrheit. Was er einmal als recht und wahr
erkannte, das vertrat er, unbekümmert um die Folgen, mit Zähigkeit -- wo es
anging, versöhnlich in der Form, aber immer scharf und unbeugsam in der
Sache. Kompromisse vermochte er hier nicht zu schließen. Er mag denn auch
wohl gerade deshalb im Parlament so heftige Gegner gefunden haben, denen
er meist ohne jede taktische oder diplomatische Zurückhaltung oder Verhüllung
seine ungeschminkte Meinung zum Ausdruck brachte.'Er ist eben nie ein eigent¬
licher Politiker gewesen, wie er, schon infolge seines nicht weittragenden Organs,
aber auch aus sonstigen Gründen, kein eigentlicher Redner gewesen ist. Aber
da ihm die köstliche Gabe feiner Ironie und nicht verletzender Satire in hohem
Grade eigen war, zwang seine Rede und die ^Überzeugungskraft, die sie beseelte,
den Hörer fast immer in seinen Bann.

Im Amte, in der Arbeit, im Schaffen stellte er an niemanden größere
Anforderungen als an sich selbst; seine Arbeitslust und Arbeitskraft war fast
unerreichbar und schien unerschöpflich, ihr kamen nur sein starkes Berantwort-
lichkeitsgefühl und seine Gewissenhaftigkeit auch in kleinen und kleinsten
Dingen gleich.

In dem hohen Amte, zu dem er gelangt war, kam ihm seine große Sach-
und Fachkenntnis, seine juristische Durchbildung, die ihn mit fast unfehlbarer
Sicherheit stets das Wesentliche von dem Unwesentlichen rasch unterscheiden ließ,
seine Menschenkenntnis und Lebenserfahrung, sein praktischer Blick und sein fester
und lauterer Charakter, kurz eine Summe von Eigenschaften zustatten, die sich
selten bei einem Menschen vereint finden. An jeder Stelle aber hat er die
Eigenschaften betätigt, die vor allem führenden Männern, auf welchen Platz sie
auch das Leben gestellt hat, eigen sein sollten: seine heißeste Liebe galt dem
Vaterlande, und sein höchstes Gesetz war das Gemeinwohl. Dauerndes aber
und Vorbildliches konnte er in hervorragender Stellung deshalb schaffen, weil
er nicht lediglich klug und erfahren, fondern zugleich ein Charakter war und
eine harmonische Persönlichkeit.

In der schweren Übergangszeit, in der wir leben, die bis zum Rande
angefüllt ist mit neuen Aufgaben und neuen Problemen, mit auf und ab


Richard Roch und die Reichsbank

Dichterworte stets in Erinnerung: „Das ist als das Höchste zu achten, die
Menschen kennen und sie nicht verachten."

Vornehm in seinem Denken und Handeln, in Wort und Schrift, unparteiisch
und sachlich in seinem Urteile, wie er es als Richter gewöhnt war, unabhängig
in seinem Wirken sowohl nach oben als, was häufig schwerer ist, nach unten,
war er in seiner unbegrenzten Gewissenhaftigkeit, Überzeugungstreue und Liebe
zur Wahrheit nicht nur ein geborener Richter, sondern zugleich auch ein geborener
Anwalt des Rechts. Die größere oder geringere Heftigkeit, mit der ein Mensch
gegen das reagiert, was er als Unrecht oder als Rechtsverletzung empfindet,
scheint mir vor allem bezeichnend für seinen Charakter und bestimmend für seine
innere Entwickelung und seinen äußeren Lebensgang. Koch war ein begeisterter
Apostel des Rechts und der Wahrheit. Was er einmal als recht und wahr
erkannte, das vertrat er, unbekümmert um die Folgen, mit Zähigkeit — wo es
anging, versöhnlich in der Form, aber immer scharf und unbeugsam in der
Sache. Kompromisse vermochte er hier nicht zu schließen. Er mag denn auch
wohl gerade deshalb im Parlament so heftige Gegner gefunden haben, denen
er meist ohne jede taktische oder diplomatische Zurückhaltung oder Verhüllung
seine ungeschminkte Meinung zum Ausdruck brachte.'Er ist eben nie ein eigent¬
licher Politiker gewesen, wie er, schon infolge seines nicht weittragenden Organs,
aber auch aus sonstigen Gründen, kein eigentlicher Redner gewesen ist. Aber
da ihm die köstliche Gabe feiner Ironie und nicht verletzender Satire in hohem
Grade eigen war, zwang seine Rede und die ^Überzeugungskraft, die sie beseelte,
den Hörer fast immer in seinen Bann.

Im Amte, in der Arbeit, im Schaffen stellte er an niemanden größere
Anforderungen als an sich selbst; seine Arbeitslust und Arbeitskraft war fast
unerreichbar und schien unerschöpflich, ihr kamen nur sein starkes Berantwort-
lichkeitsgefühl und seine Gewissenhaftigkeit auch in kleinen und kleinsten
Dingen gleich.

In dem hohen Amte, zu dem er gelangt war, kam ihm seine große Sach-
und Fachkenntnis, seine juristische Durchbildung, die ihn mit fast unfehlbarer
Sicherheit stets das Wesentliche von dem Unwesentlichen rasch unterscheiden ließ,
seine Menschenkenntnis und Lebenserfahrung, sein praktischer Blick und sein fester
und lauterer Charakter, kurz eine Summe von Eigenschaften zustatten, die sich
selten bei einem Menschen vereint finden. An jeder Stelle aber hat er die
Eigenschaften betätigt, die vor allem führenden Männern, auf welchen Platz sie
auch das Leben gestellt hat, eigen sein sollten: seine heißeste Liebe galt dem
Vaterlande, und sein höchstes Gesetz war das Gemeinwohl. Dauerndes aber
und Vorbildliches konnte er in hervorragender Stellung deshalb schaffen, weil
er nicht lediglich klug und erfahren, fondern zugleich ein Charakter war und
eine harmonische Persönlichkeit.

In der schweren Übergangszeit, in der wir leben, die bis zum Rande
angefüllt ist mit neuen Aufgaben und neuen Problemen, mit auf und ab


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[0034] Richard Roch und die Reichsbank Dichterworte stets in Erinnerung: „Das ist als das Höchste zu achten, die Menschen kennen und sie nicht verachten." Vornehm in seinem Denken und Handeln, in Wort und Schrift, unparteiisch und sachlich in seinem Urteile, wie er es als Richter gewöhnt war, unabhängig in seinem Wirken sowohl nach oben als, was häufig schwerer ist, nach unten, war er in seiner unbegrenzten Gewissenhaftigkeit, Überzeugungstreue und Liebe zur Wahrheit nicht nur ein geborener Richter, sondern zugleich auch ein geborener Anwalt des Rechts. Die größere oder geringere Heftigkeit, mit der ein Mensch gegen das reagiert, was er als Unrecht oder als Rechtsverletzung empfindet, scheint mir vor allem bezeichnend für seinen Charakter und bestimmend für seine innere Entwickelung und seinen äußeren Lebensgang. Koch war ein begeisterter Apostel des Rechts und der Wahrheit. Was er einmal als recht und wahr erkannte, das vertrat er, unbekümmert um die Folgen, mit Zähigkeit — wo es anging, versöhnlich in der Form, aber immer scharf und unbeugsam in der Sache. Kompromisse vermochte er hier nicht zu schließen. Er mag denn auch wohl gerade deshalb im Parlament so heftige Gegner gefunden haben, denen er meist ohne jede taktische oder diplomatische Zurückhaltung oder Verhüllung seine ungeschminkte Meinung zum Ausdruck brachte.'Er ist eben nie ein eigent¬ licher Politiker gewesen, wie er, schon infolge seines nicht weittragenden Organs, aber auch aus sonstigen Gründen, kein eigentlicher Redner gewesen ist. Aber da ihm die köstliche Gabe feiner Ironie und nicht verletzender Satire in hohem Grade eigen war, zwang seine Rede und die ^Überzeugungskraft, die sie beseelte, den Hörer fast immer in seinen Bann. Im Amte, in der Arbeit, im Schaffen stellte er an niemanden größere Anforderungen als an sich selbst; seine Arbeitslust und Arbeitskraft war fast unerreichbar und schien unerschöpflich, ihr kamen nur sein starkes Berantwort- lichkeitsgefühl und seine Gewissenhaftigkeit auch in kleinen und kleinsten Dingen gleich. In dem hohen Amte, zu dem er gelangt war, kam ihm seine große Sach- und Fachkenntnis, seine juristische Durchbildung, die ihn mit fast unfehlbarer Sicherheit stets das Wesentliche von dem Unwesentlichen rasch unterscheiden ließ, seine Menschenkenntnis und Lebenserfahrung, sein praktischer Blick und sein fester und lauterer Charakter, kurz eine Summe von Eigenschaften zustatten, die sich selten bei einem Menschen vereint finden. An jeder Stelle aber hat er die Eigenschaften betätigt, die vor allem führenden Männern, auf welchen Platz sie auch das Leben gestellt hat, eigen sein sollten: seine heißeste Liebe galt dem Vaterlande, und sein höchstes Gesetz war das Gemeinwohl. Dauerndes aber und Vorbildliches konnte er in hervorragender Stellung deshalb schaffen, weil er nicht lediglich klug und erfahren, fondern zugleich ein Charakter war und eine harmonische Persönlichkeit. In der schweren Übergangszeit, in der wir leben, die bis zum Rande angefüllt ist mit neuen Aufgaben und neuen Problemen, mit auf und ab

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/34>, abgerufen am 01.07.2024.