Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.Der rote Rausch wogenden, oft noch unklaren und unreifen Entwickelungstendenzen und Interessen- Er war ein Mensch im besten Sinne des Wortes, da er ein Kämpfer war, T>er rote Rausch Joseph A"g, luz Roman von (Fortsetzung.) Perpignan überflutete von Menschen. Eine letzte Ausforderung wurde an "Keine Reden mehr, sondern TatenI" donnerte Vater Marcellin in die Menge Der Wahnsinn brach plötzlich aus. Man fiel einander in die Arme, weinte Keine Reden mehr, sondern Taten! Brüder, Schwestern, Freunde, Mitbürger, Marcellin, selbst berauscht von der Wirkung seiner Worte, ließ die Menge Da war eine ungeheure, schwarze Hand aus der Erde gewachsen, eine Hand, Ein Augenblick der Verklärung, er sah die Dinge entrückt, eine Vision. Ein Der rote Rausch wogenden, oft noch unklaren und unreifen Entwickelungstendenzen und Interessen- Er war ein Mensch im besten Sinne des Wortes, da er ein Kämpfer war, T>er rote Rausch Joseph A»g, luz Roman von (Fortsetzung.) Perpignan überflutete von Menschen. Eine letzte Ausforderung wurde an „Keine Reden mehr, sondern TatenI" donnerte Vater Marcellin in die Menge Der Wahnsinn brach plötzlich aus. Man fiel einander in die Arme, weinte Keine Reden mehr, sondern Taten! Brüder, Schwestern, Freunde, Mitbürger, Marcellin, selbst berauscht von der Wirkung seiner Worte, ließ die Menge Da war eine ungeheure, schwarze Hand aus der Erde gewachsen, eine Hand, Ein Augenblick der Verklärung, er sah die Dinge entrückt, eine Vision. Ein <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0035" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/318318"/> <fw type="header" place="top"> Der rote Rausch</fw><lb/> <p xml:id="ID_111" prev="#ID_110"> wogenden, oft noch unklaren und unreifen Entwickelungstendenzen und Interessen-<lb/> konflikten, hatte unser Vaterland das Glück, in Richard Koch einen zuverlässigen<lb/> wirtschaftlichen Berater zu besitzen, einen finanziellen Generalstabschef von ma߬<lb/> voller Riese, weiten: Blick und mutiger Entschließung.</p><lb/> <p xml:id="ID_112"> Er war ein Mensch im besten Sinne des Wortes, da er ein Kämpfer war,<lb/> wie er bis zum letzten Atemzuge ein .Kämpfer gewesen, weil er stets Mensch<lb/> geblieben ist, treu seinen Zielen, treu dem Vaterlande und treu sich selbst und<lb/> seiner Überzeugung.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> T>er rote Rausch<lb/><note type="byline"> Joseph A»g, luz</note> Roman von<lb/> (Fortsetzung.)</head><lb/> <p xml:id="ID_113"> Perpignan überflutete von Menschen. Eine letzte Ausforderung wurde an<lb/> die Regierung gerichtet, mit der Drohung, daß binnen einer kurzen Frist nicht<lb/> nur die angekündigte Amtsniederlegung, sondern seitens des Volkes die Verweigerung<lb/> von Steuerleistungen erfolgen werde.</p><lb/> <p xml:id="ID_114"> „Keine Reden mehr, sondern TatenI" donnerte Vater Marcellin in die Menge<lb/> und weckte ein betäubendes Echo aus fünfmalhunderttausend Schlünden.</p><lb/> <p xml:id="ID_115"> Der Wahnsinn brach plötzlich aus. Man fiel einander in die Arme, weinte<lb/> und lachte, wildfremde Menschen duzten sich, nannten sich Brüder, drehten sich<lb/> wie toll immer um die eigene Achse.</p><lb/> <p xml:id="ID_116"> Keine Reden mehr, sondern Taten! Brüder, Schwestern, Freunde, Mitbürger,<lb/> Taten! Ja, aber was, wie, wo und wann? Einerlei, Taten! Die Hauptsache<lb/> ist, daß jetzt die Taten beginnen!</p><lb/> <p xml:id="ID_117"> Marcellin, selbst berauscht von der Wirkung seiner Worte, ließ die Menge<lb/> schwören. Ein ehrfürchtiges Grausen ergriff die Seelen, als sich ein Wald von<lb/> Schwurhänden erhob und das schwärzliche, von Menschen bedeckte Land wie ein<lb/> einziger ungeheurer Mund dieselben Worte sagte: Wir schwören dir, Marcellin,<lb/> und sind bereit, dir in allen Stücken zu folgen, was du immer auch zu beschließen<lb/> für gut und recht hältst, denn unser ganzes, unerschütterliches Vertrauen ist bei dir!</p><lb/> <p xml:id="ID_118"> Da war eine ungeheure, schwarze Hand aus der Erde gewachsen, eine Hand,<lb/> so groß wie fünfmalhunderttausend Menschenhände, und hatte die Schwurftnger<lb/> über die Hügel, wo noch der junge Wein in der Wiege schlief, zum Himmel<lb/> erhoben, und der Himmel war rot wie ein riesiger Mund, und dieser Mund hatte<lb/> die Lippen aufgetan, Lippen, die größer waren als zweimal fünfhunderttausend<lb/> Menschenlippen, und der Schwur wurde gesprochen, der fester war als fünfmal¬<lb/> hunderttausend Menschenschwüre. So ward Marcellin erwählt, zum Führer, zum<lb/> Diktator, zum König der Winzer.</p><lb/> <p xml:id="ID_119"> Ein Augenblick der Verklärung, er sah die Dinge entrückt, eine Vision. Ein<lb/> Rausch kam über ihn, ein Rausch des Machtgefühls, wie er nur aus den Keltern<lb/> Gottes emporsteigen konnte.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0035]
Der rote Rausch
wogenden, oft noch unklaren und unreifen Entwickelungstendenzen und Interessen-
konflikten, hatte unser Vaterland das Glück, in Richard Koch einen zuverlässigen
wirtschaftlichen Berater zu besitzen, einen finanziellen Generalstabschef von ma߬
voller Riese, weiten: Blick und mutiger Entschließung.
Er war ein Mensch im besten Sinne des Wortes, da er ein Kämpfer war,
wie er bis zum letzten Atemzuge ein .Kämpfer gewesen, weil er stets Mensch
geblieben ist, treu seinen Zielen, treu dem Vaterlande und treu sich selbst und
seiner Überzeugung.
T>er rote Rausch
Joseph A»g, luz Roman von
(Fortsetzung.)
Perpignan überflutete von Menschen. Eine letzte Ausforderung wurde an
die Regierung gerichtet, mit der Drohung, daß binnen einer kurzen Frist nicht
nur die angekündigte Amtsniederlegung, sondern seitens des Volkes die Verweigerung
von Steuerleistungen erfolgen werde.
„Keine Reden mehr, sondern TatenI" donnerte Vater Marcellin in die Menge
und weckte ein betäubendes Echo aus fünfmalhunderttausend Schlünden.
Der Wahnsinn brach plötzlich aus. Man fiel einander in die Arme, weinte
und lachte, wildfremde Menschen duzten sich, nannten sich Brüder, drehten sich
wie toll immer um die eigene Achse.
Keine Reden mehr, sondern Taten! Brüder, Schwestern, Freunde, Mitbürger,
Taten! Ja, aber was, wie, wo und wann? Einerlei, Taten! Die Hauptsache
ist, daß jetzt die Taten beginnen!
Marcellin, selbst berauscht von der Wirkung seiner Worte, ließ die Menge
schwören. Ein ehrfürchtiges Grausen ergriff die Seelen, als sich ein Wald von
Schwurhänden erhob und das schwärzliche, von Menschen bedeckte Land wie ein
einziger ungeheurer Mund dieselben Worte sagte: Wir schwören dir, Marcellin,
und sind bereit, dir in allen Stücken zu folgen, was du immer auch zu beschließen
für gut und recht hältst, denn unser ganzes, unerschütterliches Vertrauen ist bei dir!
Da war eine ungeheure, schwarze Hand aus der Erde gewachsen, eine Hand,
so groß wie fünfmalhunderttausend Menschenhände, und hatte die Schwurftnger
über die Hügel, wo noch der junge Wein in der Wiege schlief, zum Himmel
erhoben, und der Himmel war rot wie ein riesiger Mund, und dieser Mund hatte
die Lippen aufgetan, Lippen, die größer waren als zweimal fünfhunderttausend
Menschenlippen, und der Schwur wurde gesprochen, der fester war als fünfmal¬
hunderttausend Menschenschwüre. So ward Marcellin erwählt, zum Führer, zum
Diktator, zum König der Winzer.
Ein Augenblick der Verklärung, er sah die Dinge entrückt, eine Vision. Ein
Rausch kam über ihn, ein Rausch des Machtgefühls, wie er nur aus den Keltern
Gottes emporsteigen konnte.
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