Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Richard Roch und die Rcichsbcmk

Jubiläum zum Ehrendoktor der Rechte ernannt worden war, ließ ihm die
Universität Straßburg an jenem 2. November 1903 das Diplom als Doktor
der Staatswissenschaften überreichen, die Universität München später (1903) das
eines Doktors der philosophischen Fakultät; auch zum Ehrenbürger seiner Vaterstadt
Kottbus war er ernannt worden. Schon 1891 wurde er Kronsnndikus und
Mitglied des Herrenhauses, in welchem er selten eine Gelegenheit versäumt hat,
sür seine Überzeugung offen und rückhaltslos einzutreten. Im Jahre 1895 war
er zu den Staatsratsverhandlungen behufs Prüfung der Vorschlüge zur
Beseitigung oder Milderung des Notstandes der Landwirtschaft zugezogen
worden, wo er wohl zu den energischsten Gegnern des damaligen Antrages
Kanitz gehört haben dürfte. Vom 16. bis 23. Juli 1903 führte er den
Vorsitz in der von Mexiko und den Vereinigten Staaten von Amerika an¬
geregten internationalen Währungskonferenz mit großer Ruhe und unparteiischer
Sachlichkeit.

Kochs Vielseitigkeit war erstaunlich; es ist kaum ein Gesetz auf dem Verkehrs¬
gebiet in den letzten Jahrzehnten beraten worden, bei dein er nicht maßgebend
mitgewirkt hätte, fo bei den Beratungen über den leider in wesentlichen Teilen
noch heute nicht zum Gesetz gewordenen Entwurf eiues Warrantgesetzes, über
dessen Bedürfnis und Inhalt er sich auch literarisch geäußert hat, ferner
bei der gesamten Bank- und Münzgesetzgebnng der letzten Jahrzehnte, die
er in einer im Jahre 1910 in sechster Auflage erschienenen Ausgabe in
meisterhaft knapper Sprache kommentiert hat. Er war der Verfasser des ersten
Scheckgesetzentwurfs, der 1882 dein Reichstage zuging, aber nicht erledigt wurde,
und hat wesentliches Verdienst an der Einbringung und um der Gestalt des
heutigen Scheckgesetzes. Er war der unermüdliche, maßgebende, aber stets ma߬
volle Leiter der Börsenenquetekommission (6. April 1892 bis 11. November 1893),
während er weder durchweg mit der gesetzgeberischen Verwertung ihrer Beschlüsse,
noch weniger aber mit der späteren extensiven Auslegung des Begriffs der Börsen -
termingeschüfte durch die Judikatur einverstanden gewesen ist, was er mir
mündlich und schriftlich erklärt hat.

Fast auf allen Gebieten der Volkswirtschaft und Staats Wissenschaft, des
privaten und öffentlichen Rechts literarisch tätig, ist Richard Koch doch immer,
und zwar sowohl in seiner wissenschaftlichen wie in seiner praktischen Tätigkeit,
in erster Linie Jurist geblieben, ohne aber jemals Begriffs- oder Formaljurist
zu werden. War er auch vielleicht nicht "Gegenwartsjurist" in dem nicht durchweg
klaren modernen Sinne dieses Wortes, so war er mehr: Er war ein feiner
.Kenner des Rechts und ein unbestechlicher Feind jeder Rechtsverletzung, ein
weitblickender Pionier des werdenden Rechts, bemüht, durch eine Vertiefung und
praktische Ausgestaltung der Rechtsgedanken und der wirtschaftlichen Richtungen
der Gegenwart einer verheißungsvoller Zukunft die Wege zu ebnen. Ein solcher
Mann hätte das ihm angebotene Amt eines Justizministers mit ganz besonderer
Auszeichnung bekleidet, aber leider ist es dazu nicht gekommen.


Richard Roch und die Rcichsbcmk

Jubiläum zum Ehrendoktor der Rechte ernannt worden war, ließ ihm die
Universität Straßburg an jenem 2. November 1903 das Diplom als Doktor
der Staatswissenschaften überreichen, die Universität München später (1903) das
eines Doktors der philosophischen Fakultät; auch zum Ehrenbürger seiner Vaterstadt
Kottbus war er ernannt worden. Schon 1891 wurde er Kronsnndikus und
Mitglied des Herrenhauses, in welchem er selten eine Gelegenheit versäumt hat,
sür seine Überzeugung offen und rückhaltslos einzutreten. Im Jahre 1895 war
er zu den Staatsratsverhandlungen behufs Prüfung der Vorschlüge zur
Beseitigung oder Milderung des Notstandes der Landwirtschaft zugezogen
worden, wo er wohl zu den energischsten Gegnern des damaligen Antrages
Kanitz gehört haben dürfte. Vom 16. bis 23. Juli 1903 führte er den
Vorsitz in der von Mexiko und den Vereinigten Staaten von Amerika an¬
geregten internationalen Währungskonferenz mit großer Ruhe und unparteiischer
Sachlichkeit.

Kochs Vielseitigkeit war erstaunlich; es ist kaum ein Gesetz auf dem Verkehrs¬
gebiet in den letzten Jahrzehnten beraten worden, bei dein er nicht maßgebend
mitgewirkt hätte, fo bei den Beratungen über den leider in wesentlichen Teilen
noch heute nicht zum Gesetz gewordenen Entwurf eiues Warrantgesetzes, über
dessen Bedürfnis und Inhalt er sich auch literarisch geäußert hat, ferner
bei der gesamten Bank- und Münzgesetzgebnng der letzten Jahrzehnte, die
er in einer im Jahre 1910 in sechster Auflage erschienenen Ausgabe in
meisterhaft knapper Sprache kommentiert hat. Er war der Verfasser des ersten
Scheckgesetzentwurfs, der 1882 dein Reichstage zuging, aber nicht erledigt wurde,
und hat wesentliches Verdienst an der Einbringung und um der Gestalt des
heutigen Scheckgesetzes. Er war der unermüdliche, maßgebende, aber stets ma߬
volle Leiter der Börsenenquetekommission (6. April 1892 bis 11. November 1893),
während er weder durchweg mit der gesetzgeberischen Verwertung ihrer Beschlüsse,
noch weniger aber mit der späteren extensiven Auslegung des Begriffs der Börsen -
termingeschüfte durch die Judikatur einverstanden gewesen ist, was er mir
mündlich und schriftlich erklärt hat.

Fast auf allen Gebieten der Volkswirtschaft und Staats Wissenschaft, des
privaten und öffentlichen Rechts literarisch tätig, ist Richard Koch doch immer,
und zwar sowohl in seiner wissenschaftlichen wie in seiner praktischen Tätigkeit,
in erster Linie Jurist geblieben, ohne aber jemals Begriffs- oder Formaljurist
zu werden. War er auch vielleicht nicht „Gegenwartsjurist" in dem nicht durchweg
klaren modernen Sinne dieses Wortes, so war er mehr: Er war ein feiner
.Kenner des Rechts und ein unbestechlicher Feind jeder Rechtsverletzung, ein
weitblickender Pionier des werdenden Rechts, bemüht, durch eine Vertiefung und
praktische Ausgestaltung der Rechtsgedanken und der wirtschaftlichen Richtungen
der Gegenwart einer verheißungsvoller Zukunft die Wege zu ebnen. Ein solcher
Mann hätte das ihm angebotene Amt eines Justizministers mit ganz besonderer
Auszeichnung bekleidet, aber leider ist es dazu nicht gekommen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0032" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/318315"/>
          <fw type="header" place="top"> Richard Roch und die Rcichsbcmk</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_98" prev="#ID_97"> Jubiläum zum Ehrendoktor der Rechte ernannt worden war, ließ ihm die<lb/>
Universität Straßburg an jenem 2. November 1903 das Diplom als Doktor<lb/>
der Staatswissenschaften überreichen, die Universität München später (1903) das<lb/>
eines Doktors der philosophischen Fakultät; auch zum Ehrenbürger seiner Vaterstadt<lb/>
Kottbus war er ernannt worden. Schon 1891 wurde er Kronsnndikus und<lb/>
Mitglied des Herrenhauses, in welchem er selten eine Gelegenheit versäumt hat,<lb/>
sür seine Überzeugung offen und rückhaltslos einzutreten. Im Jahre 1895 war<lb/>
er zu den Staatsratsverhandlungen behufs Prüfung der Vorschlüge zur<lb/>
Beseitigung oder Milderung des Notstandes der Landwirtschaft zugezogen<lb/>
worden, wo er wohl zu den energischsten Gegnern des damaligen Antrages<lb/>
Kanitz gehört haben dürfte. Vom 16. bis 23. Juli 1903 führte er den<lb/>
Vorsitz in der von Mexiko und den Vereinigten Staaten von Amerika an¬<lb/>
geregten internationalen Währungskonferenz mit großer Ruhe und unparteiischer<lb/>
Sachlichkeit.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_99"> Kochs Vielseitigkeit war erstaunlich; es ist kaum ein Gesetz auf dem Verkehrs¬<lb/>
gebiet in den letzten Jahrzehnten beraten worden, bei dein er nicht maßgebend<lb/>
mitgewirkt hätte, fo bei den Beratungen über den leider in wesentlichen Teilen<lb/>
noch heute nicht zum Gesetz gewordenen Entwurf eiues Warrantgesetzes, über<lb/>
dessen Bedürfnis und Inhalt er sich auch literarisch geäußert hat, ferner<lb/>
bei der gesamten Bank- und Münzgesetzgebnng der letzten Jahrzehnte, die<lb/>
er in einer im Jahre 1910 in sechster Auflage erschienenen Ausgabe in<lb/>
meisterhaft knapper Sprache kommentiert hat. Er war der Verfasser des ersten<lb/>
Scheckgesetzentwurfs, der 1882 dein Reichstage zuging, aber nicht erledigt wurde,<lb/>
und hat wesentliches Verdienst an der Einbringung und um der Gestalt des<lb/>
heutigen Scheckgesetzes. Er war der unermüdliche, maßgebende, aber stets ma߬<lb/>
volle Leiter der Börsenenquetekommission (6. April 1892 bis 11. November 1893),<lb/>
während er weder durchweg mit der gesetzgeberischen Verwertung ihrer Beschlüsse,<lb/>
noch weniger aber mit der späteren extensiven Auslegung des Begriffs der Börsen -<lb/>
termingeschüfte durch die Judikatur einverstanden gewesen ist, was er mir<lb/>
mündlich und schriftlich erklärt hat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_100"> Fast auf allen Gebieten der Volkswirtschaft und Staats Wissenschaft, des<lb/>
privaten und öffentlichen Rechts literarisch tätig, ist Richard Koch doch immer,<lb/>
und zwar sowohl in seiner wissenschaftlichen wie in seiner praktischen Tätigkeit,<lb/>
in erster Linie Jurist geblieben, ohne aber jemals Begriffs- oder Formaljurist<lb/>
zu werden. War er auch vielleicht nicht &#x201E;Gegenwartsjurist" in dem nicht durchweg<lb/>
klaren modernen Sinne dieses Wortes, so war er mehr: Er war ein feiner<lb/>
.Kenner des Rechts und ein unbestechlicher Feind jeder Rechtsverletzung, ein<lb/>
weitblickender Pionier des werdenden Rechts, bemüht, durch eine Vertiefung und<lb/>
praktische Ausgestaltung der Rechtsgedanken und der wirtschaftlichen Richtungen<lb/>
der Gegenwart einer verheißungsvoller Zukunft die Wege zu ebnen. Ein solcher<lb/>
Mann hätte das ihm angebotene Amt eines Justizministers mit ganz besonderer<lb/>
Auszeichnung bekleidet, aber leider ist es dazu nicht gekommen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0032] Richard Roch und die Rcichsbcmk Jubiläum zum Ehrendoktor der Rechte ernannt worden war, ließ ihm die Universität Straßburg an jenem 2. November 1903 das Diplom als Doktor der Staatswissenschaften überreichen, die Universität München später (1903) das eines Doktors der philosophischen Fakultät; auch zum Ehrenbürger seiner Vaterstadt Kottbus war er ernannt worden. Schon 1891 wurde er Kronsnndikus und Mitglied des Herrenhauses, in welchem er selten eine Gelegenheit versäumt hat, sür seine Überzeugung offen und rückhaltslos einzutreten. Im Jahre 1895 war er zu den Staatsratsverhandlungen behufs Prüfung der Vorschlüge zur Beseitigung oder Milderung des Notstandes der Landwirtschaft zugezogen worden, wo er wohl zu den energischsten Gegnern des damaligen Antrages Kanitz gehört haben dürfte. Vom 16. bis 23. Juli 1903 führte er den Vorsitz in der von Mexiko und den Vereinigten Staaten von Amerika an¬ geregten internationalen Währungskonferenz mit großer Ruhe und unparteiischer Sachlichkeit. Kochs Vielseitigkeit war erstaunlich; es ist kaum ein Gesetz auf dem Verkehrs¬ gebiet in den letzten Jahrzehnten beraten worden, bei dein er nicht maßgebend mitgewirkt hätte, fo bei den Beratungen über den leider in wesentlichen Teilen noch heute nicht zum Gesetz gewordenen Entwurf eiues Warrantgesetzes, über dessen Bedürfnis und Inhalt er sich auch literarisch geäußert hat, ferner bei der gesamten Bank- und Münzgesetzgebnng der letzten Jahrzehnte, die er in einer im Jahre 1910 in sechster Auflage erschienenen Ausgabe in meisterhaft knapper Sprache kommentiert hat. Er war der Verfasser des ersten Scheckgesetzentwurfs, der 1882 dein Reichstage zuging, aber nicht erledigt wurde, und hat wesentliches Verdienst an der Einbringung und um der Gestalt des heutigen Scheckgesetzes. Er war der unermüdliche, maßgebende, aber stets ma߬ volle Leiter der Börsenenquetekommission (6. April 1892 bis 11. November 1893), während er weder durchweg mit der gesetzgeberischen Verwertung ihrer Beschlüsse, noch weniger aber mit der späteren extensiven Auslegung des Begriffs der Börsen - termingeschüfte durch die Judikatur einverstanden gewesen ist, was er mir mündlich und schriftlich erklärt hat. Fast auf allen Gebieten der Volkswirtschaft und Staats Wissenschaft, des privaten und öffentlichen Rechts literarisch tätig, ist Richard Koch doch immer, und zwar sowohl in seiner wissenschaftlichen wie in seiner praktischen Tätigkeit, in erster Linie Jurist geblieben, ohne aber jemals Begriffs- oder Formaljurist zu werden. War er auch vielleicht nicht „Gegenwartsjurist" in dem nicht durchweg klaren modernen Sinne dieses Wortes, so war er mehr: Er war ein feiner .Kenner des Rechts und ein unbestechlicher Feind jeder Rechtsverletzung, ein weitblickender Pionier des werdenden Rechts, bemüht, durch eine Vertiefung und praktische Ausgestaltung der Rechtsgedanken und der wirtschaftlichen Richtungen der Gegenwart einer verheißungsvoller Zukunft die Wege zu ebnen. Ein solcher Mann hätte das ihm angebotene Amt eines Justizministers mit ganz besonderer Auszeichnung bekleidet, aber leider ist es dazu nicht gekommen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/32
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/32>, abgerufen am 01.07.2024.