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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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Richard Roch und die Reichsbank

anerkannt, daß die Landwirtschaft infolge der Länge des landwirtschaftlichen
Produktionsprozesses naturgemäß mehr auf langfristigen Kredit angewiesen sei,
daß aber die Reichsbank mit Rücksicht auf ihre Pflicht, ihre täglich fälligen oder
kurzfristigen Verpflichtungen durch entsprechend fällige Anlagen zu decken, jenen
Kredit in der Regel weder auf dem Wege der Diskontierung langfristiger Wechsel,
noch in einer sonstigen Form gewähren könne. Überdies hatte im Jahre 1896
der erste Präsident der Preußischen Zentral- Genossenschastskasse, Freiherr v. Hume,
auf dem Allgemeinen Landwirtschaftlichen Vereinstage zu Stettin anerkannt, daß
die Reichsbank für den Personalkredit der Landwirte alles ihrem Wesen nach
mögliche tue.

Als Ergebnis der Verhandlungen der Bankenquetekommission kann fest¬
gestellt werden, daß die weit überwiegende Mehrheit dieser Kommission die
Überzeugung erlangt hat, daß die der Reichsbank anvertraute Regelung des
Geldumlaufs und des Zahlungs- und Kreditverkehrs sowie die Aufrechterhaltung
unserer Goldwährung von Anfang an in guten und sicheren Händen gewesen
sei und daß ohne die vorgekommenen Diskonterhöhungen aller Voraussicht nach,
infolge der überaus starken industriellen Anforderungen und des stürmischen
Goldverlangcns des Auslands, eine noch viel stärkere Verschlechterung des Status
und, teilweise wenigstens, ein noch weit erheblicherer Goldabfluß eingetreten sein
würde. Man war deshalb der Ansicht, daß der Reichsbankvcrwaltung besonderer
Tant dafür gebühre, daß sie durch ihre Diskontpolitik und gleichzeitig durch ein
weites Entgegenkommen in den schweren Krisen der Jahre 1901 und 1907 in
erster Linie dazu beigetragen hatte, den Geldmarkt und die Gesamtwirtschaft
Deutschlands vor weiteren Zusammenbrüchen und vor Erschütterungen schwerster
Art zu bewahren. In dieser Beziehung sei daran erinnert, daß die Reichsbank
während der Krisis von 1901 in einer einzigen Woche, nämlich der schweren
Juniwoche, rund 400 Millionen Mark dem Markte im Wege der Kreditgewährung
zur Verfügung gestellt hat, um ein Weitergreifen der durch die Dresdener und
Leipziger Zusammenbruche entstandenen bedrohlichen Krisis zu verhindern.

Am 31. Dezember 1907, kurz vor dem Zusammentritt der Bcmkenquete-
kommission, deren Gesamtergebnis ohne Zweifel ein entschiedenes Vertrauens¬
votum für die Verwaltung der Neichsbcmk darstellt, war Richard Koch aus dem
Amte ausgeschieden, das er fast achtzehn Jahre mit so viel Würde, Gewissen¬
haftigkeit und Erfolg bekleidet hatte. Bei diesen: Anlaß und schon einige Jahre
zuvor, als er am 2. November 1903 den funfzigsten Jahrestag seines Eintritts
in den Staatsdienst feierte, kam die Anerkennung und Dankbarkeit weitester
Kreise in fast elementarer Weise zum Ausdruck für den Mann, der mit der
logischen Schärfe des Juristen die angeborene praktische Begabung des Fiucmz-
politikers und die organisatorische Befähigung des Verwaltungsbeamten in glück¬
lichster Weise vereinigte.

An äußeren Ehren hat es ihm an diesen Tagen und auch sonst nicht gefehlt.
Nachdem er schon im Jahre 1886 von der Universität Heidelberg bei ihrem


Richard Roch und die Reichsbank

anerkannt, daß die Landwirtschaft infolge der Länge des landwirtschaftlichen
Produktionsprozesses naturgemäß mehr auf langfristigen Kredit angewiesen sei,
daß aber die Reichsbank mit Rücksicht auf ihre Pflicht, ihre täglich fälligen oder
kurzfristigen Verpflichtungen durch entsprechend fällige Anlagen zu decken, jenen
Kredit in der Regel weder auf dem Wege der Diskontierung langfristiger Wechsel,
noch in einer sonstigen Form gewähren könne. Überdies hatte im Jahre 1896
der erste Präsident der Preußischen Zentral- Genossenschastskasse, Freiherr v. Hume,
auf dem Allgemeinen Landwirtschaftlichen Vereinstage zu Stettin anerkannt, daß
die Reichsbank für den Personalkredit der Landwirte alles ihrem Wesen nach
mögliche tue.

Als Ergebnis der Verhandlungen der Bankenquetekommission kann fest¬
gestellt werden, daß die weit überwiegende Mehrheit dieser Kommission die
Überzeugung erlangt hat, daß die der Reichsbank anvertraute Regelung des
Geldumlaufs und des Zahlungs- und Kreditverkehrs sowie die Aufrechterhaltung
unserer Goldwährung von Anfang an in guten und sicheren Händen gewesen
sei und daß ohne die vorgekommenen Diskonterhöhungen aller Voraussicht nach,
infolge der überaus starken industriellen Anforderungen und des stürmischen
Goldverlangcns des Auslands, eine noch viel stärkere Verschlechterung des Status
und, teilweise wenigstens, ein noch weit erheblicherer Goldabfluß eingetreten sein
würde. Man war deshalb der Ansicht, daß der Reichsbankvcrwaltung besonderer
Tant dafür gebühre, daß sie durch ihre Diskontpolitik und gleichzeitig durch ein
weites Entgegenkommen in den schweren Krisen der Jahre 1901 und 1907 in
erster Linie dazu beigetragen hatte, den Geldmarkt und die Gesamtwirtschaft
Deutschlands vor weiteren Zusammenbrüchen und vor Erschütterungen schwerster
Art zu bewahren. In dieser Beziehung sei daran erinnert, daß die Reichsbank
während der Krisis von 1901 in einer einzigen Woche, nämlich der schweren
Juniwoche, rund 400 Millionen Mark dem Markte im Wege der Kreditgewährung
zur Verfügung gestellt hat, um ein Weitergreifen der durch die Dresdener und
Leipziger Zusammenbruche entstandenen bedrohlichen Krisis zu verhindern.

Am 31. Dezember 1907, kurz vor dem Zusammentritt der Bcmkenquete-
kommission, deren Gesamtergebnis ohne Zweifel ein entschiedenes Vertrauens¬
votum für die Verwaltung der Neichsbcmk darstellt, war Richard Koch aus dem
Amte ausgeschieden, das er fast achtzehn Jahre mit so viel Würde, Gewissen¬
haftigkeit und Erfolg bekleidet hatte. Bei diesen: Anlaß und schon einige Jahre
zuvor, als er am 2. November 1903 den funfzigsten Jahrestag seines Eintritts
in den Staatsdienst feierte, kam die Anerkennung und Dankbarkeit weitester
Kreise in fast elementarer Weise zum Ausdruck für den Mann, der mit der
logischen Schärfe des Juristen die angeborene praktische Begabung des Fiucmz-
politikers und die organisatorische Befähigung des Verwaltungsbeamten in glück¬
lichster Weise vereinigte.

An äußeren Ehren hat es ihm an diesen Tagen und auch sonst nicht gefehlt.
Nachdem er schon im Jahre 1886 von der Universität Heidelberg bei ihrem


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[0031] Richard Roch und die Reichsbank anerkannt, daß die Landwirtschaft infolge der Länge des landwirtschaftlichen Produktionsprozesses naturgemäß mehr auf langfristigen Kredit angewiesen sei, daß aber die Reichsbank mit Rücksicht auf ihre Pflicht, ihre täglich fälligen oder kurzfristigen Verpflichtungen durch entsprechend fällige Anlagen zu decken, jenen Kredit in der Regel weder auf dem Wege der Diskontierung langfristiger Wechsel, noch in einer sonstigen Form gewähren könne. Überdies hatte im Jahre 1896 der erste Präsident der Preußischen Zentral- Genossenschastskasse, Freiherr v. Hume, auf dem Allgemeinen Landwirtschaftlichen Vereinstage zu Stettin anerkannt, daß die Reichsbank für den Personalkredit der Landwirte alles ihrem Wesen nach mögliche tue. Als Ergebnis der Verhandlungen der Bankenquetekommission kann fest¬ gestellt werden, daß die weit überwiegende Mehrheit dieser Kommission die Überzeugung erlangt hat, daß die der Reichsbank anvertraute Regelung des Geldumlaufs und des Zahlungs- und Kreditverkehrs sowie die Aufrechterhaltung unserer Goldwährung von Anfang an in guten und sicheren Händen gewesen sei und daß ohne die vorgekommenen Diskonterhöhungen aller Voraussicht nach, infolge der überaus starken industriellen Anforderungen und des stürmischen Goldverlangcns des Auslands, eine noch viel stärkere Verschlechterung des Status und, teilweise wenigstens, ein noch weit erheblicherer Goldabfluß eingetreten sein würde. Man war deshalb der Ansicht, daß der Reichsbankvcrwaltung besonderer Tant dafür gebühre, daß sie durch ihre Diskontpolitik und gleichzeitig durch ein weites Entgegenkommen in den schweren Krisen der Jahre 1901 und 1907 in erster Linie dazu beigetragen hatte, den Geldmarkt und die Gesamtwirtschaft Deutschlands vor weiteren Zusammenbrüchen und vor Erschütterungen schwerster Art zu bewahren. In dieser Beziehung sei daran erinnert, daß die Reichsbank während der Krisis von 1901 in einer einzigen Woche, nämlich der schweren Juniwoche, rund 400 Millionen Mark dem Markte im Wege der Kreditgewährung zur Verfügung gestellt hat, um ein Weitergreifen der durch die Dresdener und Leipziger Zusammenbruche entstandenen bedrohlichen Krisis zu verhindern. Am 31. Dezember 1907, kurz vor dem Zusammentritt der Bcmkenquete- kommission, deren Gesamtergebnis ohne Zweifel ein entschiedenes Vertrauens¬ votum für die Verwaltung der Neichsbcmk darstellt, war Richard Koch aus dem Amte ausgeschieden, das er fast achtzehn Jahre mit so viel Würde, Gewissen¬ haftigkeit und Erfolg bekleidet hatte. Bei diesen: Anlaß und schon einige Jahre zuvor, als er am 2. November 1903 den funfzigsten Jahrestag seines Eintritts in den Staatsdienst feierte, kam die Anerkennung und Dankbarkeit weitester Kreise in fast elementarer Weise zum Ausdruck für den Mann, der mit der logischen Schärfe des Juristen die angeborene praktische Begabung des Fiucmz- politikers und die organisatorische Befähigung des Verwaltungsbeamten in glück¬ lichster Weise vereinigte. An äußeren Ehren hat es ihm an diesen Tagen und auch sonst nicht gefehlt. Nachdem er schon im Jahre 1886 von der Universität Heidelberg bei ihrem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/31>, abgerufen am 01.07.2024.