Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.Grillparzers Ästerreichertum was Kleist zeitig in den Tod stieß, so war es gleiche vaterländische Not, was Wehe, mein Vaterland dir! Die Leier zum Ruhm dir zu schlagen, trifft, mutati8 muwnäis, auch auf den Österreicher zu, nicht so, als hätte ihn Patriotismus war ihm eingeboren, vererbt vom Vater her, dessen Ende Es ist ein gutes Land . . . So hymnisch preist Horneck in "König Ottokars Glück und Ende" sein Grillparzers Ästerreichertum was Kleist zeitig in den Tod stieß, so war es gleiche vaterländische Not, was Wehe, mein Vaterland dir! Die Leier zum Ruhm dir zu schlagen, trifft, mutati8 muwnäis, auch auf den Österreicher zu, nicht so, als hätte ihn Patriotismus war ihm eingeboren, vererbt vom Vater her, dessen Ende Es ist ein gutes Land . . . So hymnisch preist Horneck in „König Ottokars Glück und Ende" sein <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0312" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/318595"/> <fw type="header" place="top"> Grillparzers Ästerreichertum</fw><lb/> <p xml:id="ID_1450" prev="#ID_1449"> was Kleist zeitig in den Tod stieß, so war es gleiche vaterländische Not, was<lb/> Grillparzer zeitig dem tätigen Leben abhold werden ließ. Und der Verzweiflungs¬<lb/> schrei des Preußen:</p><lb/> <quote> Wehe, mein Vaterland dir! Die Leier zum Ruhm dir zu schlagen,<lb/> Ist, getreu dir im Schoß, mir, deinem Dichter, verwehrt</quote><lb/> <p xml:id="ID_1451"> trifft, mutati8 muwnäis, auch auf den Österreicher zu, nicht so, als hätte ihn<lb/> die kleinliche Schikane, der seine Historien begegneten, an diesem Schaffen<lb/> gehindert, sondern insofern er schließlich nichts Rühmliches, nichts Hoffnungs¬<lb/> volles mehr zu sagen wußte, wo er so gern gerühmt und gehofft hätte, insofern<lb/> er in seinen „Bruderzwist" so viel von jenem entnervenden Ekel hineingleiten<lb/> lassen mußte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1452"> Patriotismus war ihm eingeboren, vererbt vom Vater her, dessen Ende<lb/> durch das Unglück von 1809 beschleunigt wurde, Vaterlandsliebe in jeglicher<lb/> Form. Er hängt dem Heimatboden und dem österreichischen Volksschlag mit<lb/> gleicher Innigkeit an.</p><lb/> <quote> Es ist ein gutes Land . . .<lb/> Wo habt Ihr dessengleichen schon gesehn?<lb/> Schaut ringsumher, wohin der Blick sich wendet,<lb/> Lacht's wie dem Bräutigam die Braut entgegen.<lb/> Und Gottes lauer Hauch schwebt drüber hin<lb/> Und wärmt uns recht und macht die Pulse schlagen,<lb/> Wie nie ein Puls auf kalten Steppen schlägt.<lb/> Drum ist der Österreicher froh und frank.<lb/> Trägt seinen Fehl, trägt offen seine Freuden,<lb/> Bereitet nicht, läßt lieber sich beneiden!<lb/> Und was er tut, ist frohen Muth getan!<lb/> O gutes Land! o Vaterland! inmitten<lb/> Den? Kind Italien und dem Manne Deutschland<lb/> Liegst du, der wangenrote Jüngling, da;<lb/> Erhalte Gott dir deinen Jugendsinn<lb/> Und mache gut, was andere verdarbenI</quote><lb/> <p xml:id="ID_1453"> So hymnisch preist Horneck in „König Ottokars Glück und Ende" sein<lb/> Osterreich. Und der Hymnus ist an den ersten Habsburger gerichtet, durch<lb/> dessen milde Hand eben die von dem tschechischen Gewaltherrn geschlagenen<lb/> Wunden geheilt werden sollen. Der Liebe zu Volk und Land gesellt sich bei<lb/> Grillparzer die Liebe zum Herrscherhause. Doch ist diese keineswegs mit der<lb/> Demut und Hingebung einer Sklavennatur zu verwechseln, ist vielmehr die oft<lb/> schmerzerfüllte Neigung eines freien Mannes, ja manchmal so etwas wie das<lb/> halb mitleidige, halb zornige Liebesgefühl eines genialen Sohnes, der die<lb/> Schwächen seines kindlich verehrten Vaters scharf erkennt. Grillparzer weiß<lb/> sehr wohl, daß auch der Herrscher nur ein irrender Mensch ist, und daß gerade<lb/> auf dieses schwerste Amt das fragwürdige Wort, wonach der Himmel mit dem<lb/> Posten auch die nötige Begabung schenkt, mir wenigsten zutrifft.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0312]
Grillparzers Ästerreichertum
was Kleist zeitig in den Tod stieß, so war es gleiche vaterländische Not, was
Grillparzer zeitig dem tätigen Leben abhold werden ließ. Und der Verzweiflungs¬
schrei des Preußen:
Wehe, mein Vaterland dir! Die Leier zum Ruhm dir zu schlagen,
Ist, getreu dir im Schoß, mir, deinem Dichter, verwehrt
trifft, mutati8 muwnäis, auch auf den Österreicher zu, nicht so, als hätte ihn
die kleinliche Schikane, der seine Historien begegneten, an diesem Schaffen
gehindert, sondern insofern er schließlich nichts Rühmliches, nichts Hoffnungs¬
volles mehr zu sagen wußte, wo er so gern gerühmt und gehofft hätte, insofern
er in seinen „Bruderzwist" so viel von jenem entnervenden Ekel hineingleiten
lassen mußte.
Patriotismus war ihm eingeboren, vererbt vom Vater her, dessen Ende
durch das Unglück von 1809 beschleunigt wurde, Vaterlandsliebe in jeglicher
Form. Er hängt dem Heimatboden und dem österreichischen Volksschlag mit
gleicher Innigkeit an.
Es ist ein gutes Land . . .
Wo habt Ihr dessengleichen schon gesehn?
Schaut ringsumher, wohin der Blick sich wendet,
Lacht's wie dem Bräutigam die Braut entgegen.
Und Gottes lauer Hauch schwebt drüber hin
Und wärmt uns recht und macht die Pulse schlagen,
Wie nie ein Puls auf kalten Steppen schlägt.
Drum ist der Österreicher froh und frank.
Trägt seinen Fehl, trägt offen seine Freuden,
Bereitet nicht, läßt lieber sich beneiden!
Und was er tut, ist frohen Muth getan!
O gutes Land! o Vaterland! inmitten
Den? Kind Italien und dem Manne Deutschland
Liegst du, der wangenrote Jüngling, da;
Erhalte Gott dir deinen Jugendsinn
Und mache gut, was andere verdarbenI
So hymnisch preist Horneck in „König Ottokars Glück und Ende" sein
Osterreich. Und der Hymnus ist an den ersten Habsburger gerichtet, durch
dessen milde Hand eben die von dem tschechischen Gewaltherrn geschlagenen
Wunden geheilt werden sollen. Der Liebe zu Volk und Land gesellt sich bei
Grillparzer die Liebe zum Herrscherhause. Doch ist diese keineswegs mit der
Demut und Hingebung einer Sklavennatur zu verwechseln, ist vielmehr die oft
schmerzerfüllte Neigung eines freien Mannes, ja manchmal so etwas wie das
halb mitleidige, halb zornige Liebesgefühl eines genialen Sohnes, der die
Schwächen seines kindlich verehrten Vaters scharf erkennt. Grillparzer weiß
sehr wohl, daß auch der Herrscher nur ein irrender Mensch ist, und daß gerade
auf dieses schwerste Amt das fragwürdige Wort, wonach der Himmel mit dem
Posten auch die nötige Begabung schenkt, mir wenigsten zutrifft.
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