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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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Richard Koch und die Reichsbank

auf die Sicherheit unserer Banknoten nicht angebracht; sie ist auch von Frank¬
reich selbst, ungeachtet seiner von den deutschen völlig abweichenden wirtschaft¬
lichen und finanziellen Verhältnisse, so gut wie aufgegeben.

Den erhöhten Kreditanforderungen des Verkehrs an den "schweren Ter¬
minen" konnte sich, nach Ansicht der Mehrheit der Kommission, die Neichsbank
um so weniger entziehen, als es sich gerade hier meist um völlig legitime,
unseren Verkehrssitten entsprechende und unaufschiebbare Forderungen handelt,
die noch dazu fast durchweg auf dem Wege des von der Reichsbank unbedingt
zu pflegenden kurzfristigen Wechsel- und Lombardkredits befriedigt werden müssen.

Das Betriebskapital einer Notenbank liegt in erster Linie in ihrem Noten¬
kapital; eine Erhöhung des Grundkapitals ist daher in gewöhnlichen und in
günstigen Zeiten nicht erforderlich, in besonders ungünstigen, wo ein großes
Kapital schwer verzinst werden kann, unter Umständen sogar beschwerlich. Die
Mehrheit der Kommission glaubte daher höchstens eine weitere und allmähliche
Verstärkung der Reserven vorschlagen zu dürfen, die dann auch im Gesetz vom
1. Juni 1909 angeordnet worden ist.

Dagegen wurde allseitig eine kräftige Förderung derDevisenpolitik, wie sie schon
vor dem Zusammentritt der Kommission seitens des neuen Reichsbankprästdenten
eingeleitet worden war -- der Devisenbestand war von 44^ Millionen Mark
im Jahre 1907 auf fast 80 Millionen Mark 1908 gestiegen --, für dringend
wünschenswert erachtet.

Das Anziehen der sogenannten Diskontschraube erachtete die weit über¬
wiegende Mehrheit der Kommission als das behufs Eindämmung?übermäßiger
Kreditansprüche und Goldentziehungen sowie zur Verhütung außerordentlicher
Goldexporte mindestens in der Regel wirksamste Mittel, dessen schwere Schatten¬
seiten deshalb in Kauf genommen werden müßten. Dabei wurde die Möglichkeit
zugegeben, daß, wie es im Jahre 1907 tatsächlich vorgekommen ist, das Aus¬
land unter Umständen, wenn es gezwungen sei, Gold an sich zu ziehen, davon
auch durch einen noch so hohen Diskont sich nicht werde abschrecken lassen.

Die Frage der Verstaatlichung der Reichsbank war aus den Erörterungen
ausgeschaltet worden, nachdem der Reichskanzler zu Beginn der Verhandlungen
hatte erklären lassen, daß grundsätzlich Änderungen in der Organisation der
Reichsbank nicht in Frage kommen könnten. Koch selbst hat sich im Interesse
der Unabhängigkeit der Gebarung der Neichsbank von der Regierung und den
jeweils herrschenden Parteien in der Deutschen Revue von: April 1908 über
diesen Gedanken mit ernsten Worten dahin geäußert: "Die Reichsbank ist die
letzte Geldquelle des Landes. Ihr System zu ändern würden wir durch kolossale
Verluste bezahlen, und schließlich würde man doch zu der alten Methode zurück¬
kehren müssen. Möge der gute Stern Deutschlands uns vor einem solchen
Schicksal bewahren I"

Seitens der Gegner wurde im Verlaufe der Verhandlungen der Enquete¬
kommission -- im Gegensatz zu früher lange festgehaltenen Behauptungen --


Richard Koch und die Reichsbank

auf die Sicherheit unserer Banknoten nicht angebracht; sie ist auch von Frank¬
reich selbst, ungeachtet seiner von den deutschen völlig abweichenden wirtschaft¬
lichen und finanziellen Verhältnisse, so gut wie aufgegeben.

Den erhöhten Kreditanforderungen des Verkehrs an den „schweren Ter¬
minen" konnte sich, nach Ansicht der Mehrheit der Kommission, die Neichsbank
um so weniger entziehen, als es sich gerade hier meist um völlig legitime,
unseren Verkehrssitten entsprechende und unaufschiebbare Forderungen handelt,
die noch dazu fast durchweg auf dem Wege des von der Reichsbank unbedingt
zu pflegenden kurzfristigen Wechsel- und Lombardkredits befriedigt werden müssen.

Das Betriebskapital einer Notenbank liegt in erster Linie in ihrem Noten¬
kapital; eine Erhöhung des Grundkapitals ist daher in gewöhnlichen und in
günstigen Zeiten nicht erforderlich, in besonders ungünstigen, wo ein großes
Kapital schwer verzinst werden kann, unter Umständen sogar beschwerlich. Die
Mehrheit der Kommission glaubte daher höchstens eine weitere und allmähliche
Verstärkung der Reserven vorschlagen zu dürfen, die dann auch im Gesetz vom
1. Juni 1909 angeordnet worden ist.

Dagegen wurde allseitig eine kräftige Förderung derDevisenpolitik, wie sie schon
vor dem Zusammentritt der Kommission seitens des neuen Reichsbankprästdenten
eingeleitet worden war — der Devisenbestand war von 44^ Millionen Mark
im Jahre 1907 auf fast 80 Millionen Mark 1908 gestiegen —, für dringend
wünschenswert erachtet.

Das Anziehen der sogenannten Diskontschraube erachtete die weit über¬
wiegende Mehrheit der Kommission als das behufs Eindämmung?übermäßiger
Kreditansprüche und Goldentziehungen sowie zur Verhütung außerordentlicher
Goldexporte mindestens in der Regel wirksamste Mittel, dessen schwere Schatten¬
seiten deshalb in Kauf genommen werden müßten. Dabei wurde die Möglichkeit
zugegeben, daß, wie es im Jahre 1907 tatsächlich vorgekommen ist, das Aus¬
land unter Umständen, wenn es gezwungen sei, Gold an sich zu ziehen, davon
auch durch einen noch so hohen Diskont sich nicht werde abschrecken lassen.

Die Frage der Verstaatlichung der Reichsbank war aus den Erörterungen
ausgeschaltet worden, nachdem der Reichskanzler zu Beginn der Verhandlungen
hatte erklären lassen, daß grundsätzlich Änderungen in der Organisation der
Reichsbank nicht in Frage kommen könnten. Koch selbst hat sich im Interesse
der Unabhängigkeit der Gebarung der Neichsbank von der Regierung und den
jeweils herrschenden Parteien in der Deutschen Revue von: April 1908 über
diesen Gedanken mit ernsten Worten dahin geäußert: „Die Reichsbank ist die
letzte Geldquelle des Landes. Ihr System zu ändern würden wir durch kolossale
Verluste bezahlen, und schließlich würde man doch zu der alten Methode zurück¬
kehren müssen. Möge der gute Stern Deutschlands uns vor einem solchen
Schicksal bewahren I"

Seitens der Gegner wurde im Verlaufe der Verhandlungen der Enquete¬
kommission — im Gegensatz zu früher lange festgehaltenen Behauptungen —


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[0030] Richard Koch und die Reichsbank auf die Sicherheit unserer Banknoten nicht angebracht; sie ist auch von Frank¬ reich selbst, ungeachtet seiner von den deutschen völlig abweichenden wirtschaft¬ lichen und finanziellen Verhältnisse, so gut wie aufgegeben. Den erhöhten Kreditanforderungen des Verkehrs an den „schweren Ter¬ minen" konnte sich, nach Ansicht der Mehrheit der Kommission, die Neichsbank um so weniger entziehen, als es sich gerade hier meist um völlig legitime, unseren Verkehrssitten entsprechende und unaufschiebbare Forderungen handelt, die noch dazu fast durchweg auf dem Wege des von der Reichsbank unbedingt zu pflegenden kurzfristigen Wechsel- und Lombardkredits befriedigt werden müssen. Das Betriebskapital einer Notenbank liegt in erster Linie in ihrem Noten¬ kapital; eine Erhöhung des Grundkapitals ist daher in gewöhnlichen und in günstigen Zeiten nicht erforderlich, in besonders ungünstigen, wo ein großes Kapital schwer verzinst werden kann, unter Umständen sogar beschwerlich. Die Mehrheit der Kommission glaubte daher höchstens eine weitere und allmähliche Verstärkung der Reserven vorschlagen zu dürfen, die dann auch im Gesetz vom 1. Juni 1909 angeordnet worden ist. Dagegen wurde allseitig eine kräftige Förderung derDevisenpolitik, wie sie schon vor dem Zusammentritt der Kommission seitens des neuen Reichsbankprästdenten eingeleitet worden war — der Devisenbestand war von 44^ Millionen Mark im Jahre 1907 auf fast 80 Millionen Mark 1908 gestiegen —, für dringend wünschenswert erachtet. Das Anziehen der sogenannten Diskontschraube erachtete die weit über¬ wiegende Mehrheit der Kommission als das behufs Eindämmung?übermäßiger Kreditansprüche und Goldentziehungen sowie zur Verhütung außerordentlicher Goldexporte mindestens in der Regel wirksamste Mittel, dessen schwere Schatten¬ seiten deshalb in Kauf genommen werden müßten. Dabei wurde die Möglichkeit zugegeben, daß, wie es im Jahre 1907 tatsächlich vorgekommen ist, das Aus¬ land unter Umständen, wenn es gezwungen sei, Gold an sich zu ziehen, davon auch durch einen noch so hohen Diskont sich nicht werde abschrecken lassen. Die Frage der Verstaatlichung der Reichsbank war aus den Erörterungen ausgeschaltet worden, nachdem der Reichskanzler zu Beginn der Verhandlungen hatte erklären lassen, daß grundsätzlich Änderungen in der Organisation der Reichsbank nicht in Frage kommen könnten. Koch selbst hat sich im Interesse der Unabhängigkeit der Gebarung der Neichsbank von der Regierung und den jeweils herrschenden Parteien in der Deutschen Revue von: April 1908 über diesen Gedanken mit ernsten Worten dahin geäußert: „Die Reichsbank ist die letzte Geldquelle des Landes. Ihr System zu ändern würden wir durch kolossale Verluste bezahlen, und schließlich würde man doch zu der alten Methode zurück¬ kehren müssen. Möge der gute Stern Deutschlands uns vor einem solchen Schicksal bewahren I" Seitens der Gegner wurde im Verlaufe der Verhandlungen der Enquete¬ kommission — im Gegensatz zu früher lange festgehaltenen Behauptungen —

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/30>, abgerufen am 01.07.2024.