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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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Richard Koch und die Reichsbciuk

Terminen fällig sind, im Wege der Verrechnung, also unter möglichster Ver¬
meidung von Barzahlungen, zu erledigen.

Ungeachtet aller dieser Bemühungen waren es namentlich die Jahre 1906
und 1907, in denen neben gewaltig angewachsenen Kreditanforderungen von
Handel und Industrie gleichzeitig ein starker Ansturm des Auslands, namentlich
Amerikas, aus deu Goldschatz der Reichsbauk erfolgte, was die Reichsbank-
verwaltung zu besonders energischen Schutzmaßregeln veranlaßte. Der durch¬
schnittliche Diskontsatz der Neichsbcmk, also der Zinsfuß, zu dem sie den von
ihr verlangten kurzfristigen Kredit (in erster Linie durch Diskontierung kurzfristiger
Wechsel) gewahrt, und der in den Jahren 1876 bis 1895 nur 3,88 Prozent
betragen hatte, stieg im Jahre 1906 auf 5,15 Prozent, im Jahre 1907 auf
6,03 Prozent; das führte dann auch naturgemäß eine entsprechende Erhöhung
des Zinssatzes im gesamten Verkehr herbei.

Hieraus und aus der starken Verschlechterung des Reichsbankstatus, die sich
namentlich an den sogenannten "schweren Terminen" beobachten ließ, wurde
vielfach gefolgert, die Reichsbank sei den Kreditbedürfnissen der Verkehrskreise,
namentlich der Banken, zu sehr entgegengekommen; sie habe es überdies nicht
verstanden, dnrch andere Mittel, als durch Hinaussetzen des Diskonts, diese
Kreditausprüche und die Goldentziehungen durch das Ausland rechtzeitig zurück-
zubannen. Zu diesen anderen Mitteln seien namentlich zu rechnen: die Erhöhung
des Grundkapitals der Neichsbank, die Erhöhung des steuerfreien Notenkontingents,
also des Banknotenbetrages, den die Reichsbank, ohne in eine Steuer zu geraten,
ausgebeir darf, serner die Verstärkung der Goldeinkäufe, die Einführung der
Goldprämienpolitik, welche sich in Frankreich bewährt habe, und schließlich eine
erhebliche Verstärkung der Ankäufe von ausländischen Golddevisen, durch deren
rechtzeitigen Verkauf man einen Druck auf die Wechselkurse ausüben, also min¬
destens die Ausfuhr von Gold verhüten könne. Statt dessen habe die Neichs-
bankvcrwaltung, die den Kreditansprüchen der Handels-, Bank- und Jndustriekreise
viel zu sehr entgegengekommen sei, lediglich den Diskont ohne Not erheblich
hinaufgesetzt und ihn, was noch viel bedenklicher sei, ohne zwingende Not¬
wendigkeit in dieser Höhe bestehen lassen, was die Interessen weitester Kreise,
insbesondere auch die des Gewerbes, des Handwerks und der Landnnrtschaft, schwer
geschädigt habe. Man verlangte und erreichte die Einsetzung einer Bnnkenquete-
kommission, die zur Untersuchung dieser Fragen am 1. Mai 1908 zusammentrat.

Es ist hier nicht der Ort, des näheren auf die interessanten und überaus
gründlichen Verhandlungen dieser Kommission einzugehen, aber es darf gesagt
werden, daß sie in ihrer weit überwiegenden Mehrheit zu folgenden Ansichten
gelangt ist:

Die der Neichsbank empfohlene Goldprämienpolitik, also der Grundsatz,
zur Erhaltung des Bankschatzes Gold nur gegen eine besondere Prämie her¬
zugeben, ist für Deutschland an sich mit Rücksicht auf den namentlich für unseren
ausländischen Handel unentbehrlichen Schutz unserer Valuta im Auslande und


Grenzboten II 1911
Richard Koch und die Reichsbciuk

Terminen fällig sind, im Wege der Verrechnung, also unter möglichster Ver¬
meidung von Barzahlungen, zu erledigen.

Ungeachtet aller dieser Bemühungen waren es namentlich die Jahre 1906
und 1907, in denen neben gewaltig angewachsenen Kreditanforderungen von
Handel und Industrie gleichzeitig ein starker Ansturm des Auslands, namentlich
Amerikas, aus deu Goldschatz der Reichsbauk erfolgte, was die Reichsbank-
verwaltung zu besonders energischen Schutzmaßregeln veranlaßte. Der durch¬
schnittliche Diskontsatz der Neichsbcmk, also der Zinsfuß, zu dem sie den von
ihr verlangten kurzfristigen Kredit (in erster Linie durch Diskontierung kurzfristiger
Wechsel) gewahrt, und der in den Jahren 1876 bis 1895 nur 3,88 Prozent
betragen hatte, stieg im Jahre 1906 auf 5,15 Prozent, im Jahre 1907 auf
6,03 Prozent; das führte dann auch naturgemäß eine entsprechende Erhöhung
des Zinssatzes im gesamten Verkehr herbei.

Hieraus und aus der starken Verschlechterung des Reichsbankstatus, die sich
namentlich an den sogenannten „schweren Terminen" beobachten ließ, wurde
vielfach gefolgert, die Reichsbank sei den Kreditbedürfnissen der Verkehrskreise,
namentlich der Banken, zu sehr entgegengekommen; sie habe es überdies nicht
verstanden, dnrch andere Mittel, als durch Hinaussetzen des Diskonts, diese
Kreditausprüche und die Goldentziehungen durch das Ausland rechtzeitig zurück-
zubannen. Zu diesen anderen Mitteln seien namentlich zu rechnen: die Erhöhung
des Grundkapitals der Neichsbank, die Erhöhung des steuerfreien Notenkontingents,
also des Banknotenbetrages, den die Reichsbank, ohne in eine Steuer zu geraten,
ausgebeir darf, serner die Verstärkung der Goldeinkäufe, die Einführung der
Goldprämienpolitik, welche sich in Frankreich bewährt habe, und schließlich eine
erhebliche Verstärkung der Ankäufe von ausländischen Golddevisen, durch deren
rechtzeitigen Verkauf man einen Druck auf die Wechselkurse ausüben, also min¬
destens die Ausfuhr von Gold verhüten könne. Statt dessen habe die Neichs-
bankvcrwaltung, die den Kreditansprüchen der Handels-, Bank- und Jndustriekreise
viel zu sehr entgegengekommen sei, lediglich den Diskont ohne Not erheblich
hinaufgesetzt und ihn, was noch viel bedenklicher sei, ohne zwingende Not¬
wendigkeit in dieser Höhe bestehen lassen, was die Interessen weitester Kreise,
insbesondere auch die des Gewerbes, des Handwerks und der Landnnrtschaft, schwer
geschädigt habe. Man verlangte und erreichte die Einsetzung einer Bnnkenquete-
kommission, die zur Untersuchung dieser Fragen am 1. Mai 1908 zusammentrat.

Es ist hier nicht der Ort, des näheren auf die interessanten und überaus
gründlichen Verhandlungen dieser Kommission einzugehen, aber es darf gesagt
werden, daß sie in ihrer weit überwiegenden Mehrheit zu folgenden Ansichten
gelangt ist:

Die der Neichsbank empfohlene Goldprämienpolitik, also der Grundsatz,
zur Erhaltung des Bankschatzes Gold nur gegen eine besondere Prämie her¬
zugeben, ist für Deutschland an sich mit Rücksicht auf den namentlich für unseren
ausländischen Handel unentbehrlichen Schutz unserer Valuta im Auslande und


Grenzboten II 1911
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[0029] Richard Koch und die Reichsbciuk Terminen fällig sind, im Wege der Verrechnung, also unter möglichster Ver¬ meidung von Barzahlungen, zu erledigen. Ungeachtet aller dieser Bemühungen waren es namentlich die Jahre 1906 und 1907, in denen neben gewaltig angewachsenen Kreditanforderungen von Handel und Industrie gleichzeitig ein starker Ansturm des Auslands, namentlich Amerikas, aus deu Goldschatz der Reichsbauk erfolgte, was die Reichsbank- verwaltung zu besonders energischen Schutzmaßregeln veranlaßte. Der durch¬ schnittliche Diskontsatz der Neichsbcmk, also der Zinsfuß, zu dem sie den von ihr verlangten kurzfristigen Kredit (in erster Linie durch Diskontierung kurzfristiger Wechsel) gewahrt, und der in den Jahren 1876 bis 1895 nur 3,88 Prozent betragen hatte, stieg im Jahre 1906 auf 5,15 Prozent, im Jahre 1907 auf 6,03 Prozent; das führte dann auch naturgemäß eine entsprechende Erhöhung des Zinssatzes im gesamten Verkehr herbei. Hieraus und aus der starken Verschlechterung des Reichsbankstatus, die sich namentlich an den sogenannten „schweren Terminen" beobachten ließ, wurde vielfach gefolgert, die Reichsbank sei den Kreditbedürfnissen der Verkehrskreise, namentlich der Banken, zu sehr entgegengekommen; sie habe es überdies nicht verstanden, dnrch andere Mittel, als durch Hinaussetzen des Diskonts, diese Kreditausprüche und die Goldentziehungen durch das Ausland rechtzeitig zurück- zubannen. Zu diesen anderen Mitteln seien namentlich zu rechnen: die Erhöhung des Grundkapitals der Neichsbank, die Erhöhung des steuerfreien Notenkontingents, also des Banknotenbetrages, den die Reichsbank, ohne in eine Steuer zu geraten, ausgebeir darf, serner die Verstärkung der Goldeinkäufe, die Einführung der Goldprämienpolitik, welche sich in Frankreich bewährt habe, und schließlich eine erhebliche Verstärkung der Ankäufe von ausländischen Golddevisen, durch deren rechtzeitigen Verkauf man einen Druck auf die Wechselkurse ausüben, also min¬ destens die Ausfuhr von Gold verhüten könne. Statt dessen habe die Neichs- bankvcrwaltung, die den Kreditansprüchen der Handels-, Bank- und Jndustriekreise viel zu sehr entgegengekommen sei, lediglich den Diskont ohne Not erheblich hinaufgesetzt und ihn, was noch viel bedenklicher sei, ohne zwingende Not¬ wendigkeit in dieser Höhe bestehen lassen, was die Interessen weitester Kreise, insbesondere auch die des Gewerbes, des Handwerks und der Landnnrtschaft, schwer geschädigt habe. Man verlangte und erreichte die Einsetzung einer Bnnkenquete- kommission, die zur Untersuchung dieser Fragen am 1. Mai 1908 zusammentrat. Es ist hier nicht der Ort, des näheren auf die interessanten und überaus gründlichen Verhandlungen dieser Kommission einzugehen, aber es darf gesagt werden, daß sie in ihrer weit überwiegenden Mehrheit zu folgenden Ansichten gelangt ist: Die der Neichsbank empfohlene Goldprämienpolitik, also der Grundsatz, zur Erhaltung des Bankschatzes Gold nur gegen eine besondere Prämie her¬ zugeben, ist für Deutschland an sich mit Rücksicht auf den namentlich für unseren ausländischen Handel unentbehrlichen Schutz unserer Valuta im Auslande und Grenzboten II 1911

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/29>, abgerufen am 01.07.2024.