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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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Richard Roch und die Reichsbank

Übergang vom Freihandel- zum Schutzzollsystem, geneigt sein mochte, jenen
Gegnern auch auf dem Gebiete des Bimetallismus Zugeständnisse zu mache".
Es mag auch, angesichts der lange bestehenden bimetallistischen Mehrheit im
Reichstage, durch die an sich die Stellung Kochs ungemein erschwert und
zweifellos oft bedroht war, nicht immer leicht gewesen sein, die späteren Reichs¬
kanzler Caprivi und Hohenlohe von der Notwendigkeit unbedingter Festhaltung
an der Goldwährung zu überzeugen, mit der das Vertrauen auf jederzeitige
vollwertige Einlösung uuserer Banknoten und der Kredit der deutschen Valuta
auch im Auslande untrennbar zusammenhängt. Was speziell die Banknoten
betrifft, so ist die Reichsbank nach Z 18 des Bankgesetzes verpflichtet, ihre Noten
dem Inhaber gegen deutsche Goldmünzen einzulösen, und zwar bei der Berliner
Zentrale sofort bei Vorzeigung, bei den Zweiganstalten, soweit es deren Bar¬
bestände und Geldbedürfnisse gestatten; sie muß also einen angemessenen Goldvorrat
bereit halte", um derartigen Einlösungsforderungen jederzeit nachkommen zu können. -

Nachdem so wichtige und große Staatsgebiete, wie Österreich, Rußland,
Italien, Argentinien und die Vereinigten Staaten, zur Goldwährung übergegangen
waren, haben die Gegner den Kampf als vorläufig aussichtslos so ziemlich
eingestellt. In der Frage der Goldwährung gab es sür Koch ebensowenig ein
Nachgeben, wie in der damit zusammenhängenden Frage der Verstaatlichung, die
aus taktischen und politischen Gründen von den gleichen Gegnern in immer
erneutem Ansturm gefordert wurde.

Aber auch der Präsident der Reichsbank kann Geld nicht aus der Erde
stampfen. Koch war sich darüber klar, daß gerade infolge der seit 1870 durch
die Gesetzgebung geförderten Gewöhnung der früher mit Papiergeld übersättigten
deutschen Wirtschaftsweise an den Hartgeldverkehr das Gold im deutschen Verkehr
weit über die -- stets notwendigen -- Goldreserven hinaus festgehalten wurde.
Jedes Goldstück aber, das unnötigerweise festgehalten wird, geht naturgemäß
dem Kreditverkehr verloren, den die Reichsbank mit geringen Goldvorräten und
mit Banknoten allein auf die Dauer nicht bewältigen kann.

Hier setzte nun Kochs reformatorische Tätigkeit besonders ein; es galt in
erster Linie, Einrichtungen zu schaffen, die in möglichst weitem Umfange den
Gebrauch baren Geldes ersparen, um auf diese Weise nicht nur? den Zahlungs¬
ausgleich zu erleichtern, sondern auch dem Kreditverkehr weitere Unterlagen zu
verschaffe". Zu diesem Zweck gestaltete er zunächst, was sein eigenstes Verdienst
ist, den schon im Statut der Preußischen Bank erwähnt gewesenen Giroverkehr,
der dort nur ein toter Buchstabe geblieben war, zu einer lebensfähigen Einrichtung.
Diese sollte den Kunden der Reichsbank die Möglichkeit gewähren, ihre gegen¬
seitigen Forderungen und Schulden, ohne Gebrauch baren Geldes, auf dem Wege
kostenfreier Ab- und Zuschreibungen in den Büchern der Neichsbcmk zu erledigen,
und zwar bei jeder der Zweigstellen der Reichsbank, die unter seinen: Präsidium
ungemei" vermehrt wurde". I" solcher Weise ist für diese unentgeltlichen Fern-
übertragunge" ganz Deutschland ein einheitlicher Giroplatz geworden. Auf der


Richard Roch und die Reichsbank

Übergang vom Freihandel- zum Schutzzollsystem, geneigt sein mochte, jenen
Gegnern auch auf dem Gebiete des Bimetallismus Zugeständnisse zu mache».
Es mag auch, angesichts der lange bestehenden bimetallistischen Mehrheit im
Reichstage, durch die an sich die Stellung Kochs ungemein erschwert und
zweifellos oft bedroht war, nicht immer leicht gewesen sein, die späteren Reichs¬
kanzler Caprivi und Hohenlohe von der Notwendigkeit unbedingter Festhaltung
an der Goldwährung zu überzeugen, mit der das Vertrauen auf jederzeitige
vollwertige Einlösung uuserer Banknoten und der Kredit der deutschen Valuta
auch im Auslande untrennbar zusammenhängt. Was speziell die Banknoten
betrifft, so ist die Reichsbank nach Z 18 des Bankgesetzes verpflichtet, ihre Noten
dem Inhaber gegen deutsche Goldmünzen einzulösen, und zwar bei der Berliner
Zentrale sofort bei Vorzeigung, bei den Zweiganstalten, soweit es deren Bar¬
bestände und Geldbedürfnisse gestatten; sie muß also einen angemessenen Goldvorrat
bereit halte», um derartigen Einlösungsforderungen jederzeit nachkommen zu können. -

Nachdem so wichtige und große Staatsgebiete, wie Österreich, Rußland,
Italien, Argentinien und die Vereinigten Staaten, zur Goldwährung übergegangen
waren, haben die Gegner den Kampf als vorläufig aussichtslos so ziemlich
eingestellt. In der Frage der Goldwährung gab es sür Koch ebensowenig ein
Nachgeben, wie in der damit zusammenhängenden Frage der Verstaatlichung, die
aus taktischen und politischen Gründen von den gleichen Gegnern in immer
erneutem Ansturm gefordert wurde.

Aber auch der Präsident der Reichsbank kann Geld nicht aus der Erde
stampfen. Koch war sich darüber klar, daß gerade infolge der seit 1870 durch
die Gesetzgebung geförderten Gewöhnung der früher mit Papiergeld übersättigten
deutschen Wirtschaftsweise an den Hartgeldverkehr das Gold im deutschen Verkehr
weit über die — stets notwendigen — Goldreserven hinaus festgehalten wurde.
Jedes Goldstück aber, das unnötigerweise festgehalten wird, geht naturgemäß
dem Kreditverkehr verloren, den die Reichsbank mit geringen Goldvorräten und
mit Banknoten allein auf die Dauer nicht bewältigen kann.

Hier setzte nun Kochs reformatorische Tätigkeit besonders ein; es galt in
erster Linie, Einrichtungen zu schaffen, die in möglichst weitem Umfange den
Gebrauch baren Geldes ersparen, um auf diese Weise nicht nur? den Zahlungs¬
ausgleich zu erleichtern, sondern auch dem Kreditverkehr weitere Unterlagen zu
verschaffe». Zu diesem Zweck gestaltete er zunächst, was sein eigenstes Verdienst
ist, den schon im Statut der Preußischen Bank erwähnt gewesenen Giroverkehr,
der dort nur ein toter Buchstabe geblieben war, zu einer lebensfähigen Einrichtung.
Diese sollte den Kunden der Reichsbank die Möglichkeit gewähren, ihre gegen¬
seitigen Forderungen und Schulden, ohne Gebrauch baren Geldes, auf dem Wege
kostenfreier Ab- und Zuschreibungen in den Büchern der Neichsbcmk zu erledigen,
und zwar bei jeder der Zweigstellen der Reichsbank, die unter seinen: Präsidium
ungemei» vermehrt wurde». I» solcher Weise ist für diese unentgeltlichen Fern-
übertragunge» ganz Deutschland ein einheitlicher Giroplatz geworden. Auf der


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[0027] Richard Roch und die Reichsbank Übergang vom Freihandel- zum Schutzzollsystem, geneigt sein mochte, jenen Gegnern auch auf dem Gebiete des Bimetallismus Zugeständnisse zu mache». Es mag auch, angesichts der lange bestehenden bimetallistischen Mehrheit im Reichstage, durch die an sich die Stellung Kochs ungemein erschwert und zweifellos oft bedroht war, nicht immer leicht gewesen sein, die späteren Reichs¬ kanzler Caprivi und Hohenlohe von der Notwendigkeit unbedingter Festhaltung an der Goldwährung zu überzeugen, mit der das Vertrauen auf jederzeitige vollwertige Einlösung uuserer Banknoten und der Kredit der deutschen Valuta auch im Auslande untrennbar zusammenhängt. Was speziell die Banknoten betrifft, so ist die Reichsbank nach Z 18 des Bankgesetzes verpflichtet, ihre Noten dem Inhaber gegen deutsche Goldmünzen einzulösen, und zwar bei der Berliner Zentrale sofort bei Vorzeigung, bei den Zweiganstalten, soweit es deren Bar¬ bestände und Geldbedürfnisse gestatten; sie muß also einen angemessenen Goldvorrat bereit halte», um derartigen Einlösungsforderungen jederzeit nachkommen zu können. - Nachdem so wichtige und große Staatsgebiete, wie Österreich, Rußland, Italien, Argentinien und die Vereinigten Staaten, zur Goldwährung übergegangen waren, haben die Gegner den Kampf als vorläufig aussichtslos so ziemlich eingestellt. In der Frage der Goldwährung gab es sür Koch ebensowenig ein Nachgeben, wie in der damit zusammenhängenden Frage der Verstaatlichung, die aus taktischen und politischen Gründen von den gleichen Gegnern in immer erneutem Ansturm gefordert wurde. Aber auch der Präsident der Reichsbank kann Geld nicht aus der Erde stampfen. Koch war sich darüber klar, daß gerade infolge der seit 1870 durch die Gesetzgebung geförderten Gewöhnung der früher mit Papiergeld übersättigten deutschen Wirtschaftsweise an den Hartgeldverkehr das Gold im deutschen Verkehr weit über die — stets notwendigen — Goldreserven hinaus festgehalten wurde. Jedes Goldstück aber, das unnötigerweise festgehalten wird, geht naturgemäß dem Kreditverkehr verloren, den die Reichsbank mit geringen Goldvorräten und mit Banknoten allein auf die Dauer nicht bewältigen kann. Hier setzte nun Kochs reformatorische Tätigkeit besonders ein; es galt in erster Linie, Einrichtungen zu schaffen, die in möglichst weitem Umfange den Gebrauch baren Geldes ersparen, um auf diese Weise nicht nur? den Zahlungs¬ ausgleich zu erleichtern, sondern auch dem Kreditverkehr weitere Unterlagen zu verschaffe». Zu diesem Zweck gestaltete er zunächst, was sein eigenstes Verdienst ist, den schon im Statut der Preußischen Bank erwähnt gewesenen Giroverkehr, der dort nur ein toter Buchstabe geblieben war, zu einer lebensfähigen Einrichtung. Diese sollte den Kunden der Reichsbank die Möglichkeit gewähren, ihre gegen¬ seitigen Forderungen und Schulden, ohne Gebrauch baren Geldes, auf dem Wege kostenfreier Ab- und Zuschreibungen in den Büchern der Neichsbcmk zu erledigen, und zwar bei jeder der Zweigstellen der Reichsbank, die unter seinen: Präsidium ungemei» vermehrt wurde». I» solcher Weise ist für diese unentgeltlichen Fern- übertragunge» ganz Deutschland ein einheitlicher Giroplatz geworden. Auf der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/27>, abgerufen am 01.07.2024.