Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches [Beginn Spaltensatz] man nach ihn, sagen wird. Sein Zorn ist Daß frühere Zeiten gerechter waren, wissen hinzuträgt. Die Hoffnung, daß unsere Welt (Offiziers" und Beamtenfragen Zwei Rückwirkungen des Offizierpensions- Zunächst sind diejenigen Offiziere, die nach Maßgebliches und Unmaßgebliches [Beginn Spaltensatz] man nach ihn, sagen wird. Sein Zorn ist Daß frühere Zeiten gerechter waren, wissen hinzuträgt. Die Hoffnung, daß unsere Welt (Offiziers» und Beamtenfragen Zwei Rückwirkungen des Offizierpensions- Zunächst sind diejenigen Offiziere, die nach <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0242" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/318525"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <cb type="start"/> <p xml:id="ID_1228" prev="#ID_1227"> man nach ihn, sagen wird. Sein Zorn ist<lb/> ebenso ehrlich wie heilig und seine Rede ebenso<lb/> aufrichtig wie wahr. Aber einige Male hat<lb/> der erbitterte Dichter doch erheblich über das<lb/> Ziel hinausgeschossen und Dinge verkündet,<lb/> die nur durch seine dunkle Brille so schwarz<lb/> und unheimlich erscheinen: das betrifft seine<lb/> Auslassungen über die moderne Kritik, der er<lb/> heute so feindlich wie immer gegenübersteht,<lb/> trotzdem er längst hätte beobachten müssen,<lb/> daß die sachliche und ernsthafte Kritik sein<lb/> Können mehr und mehr zu würdigen beginnt<lb/> und seinen Namen mit Achtung nennt. Aller¬<lb/> dings hat man ihm erst kürzlich wieder bon<lb/> selten der Tagespresse die schlimmsten Dinge<lb/> borgeworfen und hat seine wurzelechte, bon<lb/> starker dichterischer Lust geschüttelte Komödie<lb/> „Alles um Liebe" in törichten Tönen ver¬<lb/> dammt. Was aber darf Eulenberg das rasche<lb/> Urteil des Journalisten entrüsten, wenn die<lb/> Anerkennung ernsthafter Künstler wie Bab<lb/> seiner wartet? Was Eulenberg im übrigen in<lb/> seiner Broschüre klopfenden Herzens zur Sprache<lb/> bringt, ist reine Wahrheit. Man fühlt mit ihm<lb/> die Trauer über das entschwundene Mäze¬<lb/> natentum früherer Jahrhunderte und man<lb/> stellt gleich ihm hoffnungslos fest, daß der<lb/> Snob in> die Stelle des Mäzen tritt und sich<lb/> damit begnügt, die Dokumente vergangener<lb/> Zeiten in seine Salons zu verschleppen, ohne<lb/> dem Künstler der Gegenwart einen Blick zu<lb/> schenken.</p> <p xml:id="ID_1229" next="#ID_1230"> Daß frühere Zeiten gerechter waren, wissen<lb/> wir alle ... Eulenbergs Schrift will aber nicht<lb/> nur anklagen, sie will auch helfen. Schöne<lb/> Brudergefühle tauchen in ihr auf. Eulenberg<lb/> wünscht einen Zusammenschluß der Künstler,<lb/> eine heilige Allianz aller künstlerisch befähigten<lb/> Köpfe. Er wünscht es — um eine Seite später<lb/> selbst die Fahne der Hoffnung wieder sinken<lb/> zu lassen und in müder Resignation das Un¬<lb/> mögliche seiner Gedanken einzusehen. Und<lb/> dabei geht er sogar weiter, als notwendig<lb/> wäre, zeiht sie alle, die schöpferisch tätig sind,<lb/> der schnöden Mißgunst und des gegenseitigen<lb/> Hasses. Die ehrliche Entrüstung hat ihn aber¬<lb/> mals zu schwarz sehen lassen. Die Stellung<lb/> der Kunst zu unserer Zeit ist ein Thema, das<lb/> in vielen Problemen der künstlerischen Gegen¬<lb/> wart mitschwingt und zu dem man bewußt<lb/> oder unbewußt Tag für Tag neues Material</p> <cb/><lb/> <p xml:id="ID_1230" prev="#ID_1229"> hinzuträgt. Die Hoffnung, daß unsere Welt<lb/> wieder aristokratischer fühlen und sich darum<lb/> eifriger für jede künstlerische Erscheinung inter¬<lb/> essieren werde, will niemals ganz schwinden<lb/> und soll es eigentlich auch in der Tat nicht;<lb/> viele Anzeichen sind vorhanden, daß die Stief¬<lb/> mutter Publikum allmählich zur Mutter wird.<lb/> Eulenberg hat mit seiner Schrift eine höchst<lb/> ehrenwerte Gesinnung an den Tag gelegt.<lb/> Aber er hätte seine Gesinnung herliefen,<lb/> sprachlich vertiefen sollen. Es muß gesagt<lb/> werden, daß die Sprache, in der Eulenberg<lb/> seinen Zorn enthüllt, eines Künstlers nicht<lb/> würdig ist. Die meisten Sätze haften an der<lb/> Oberfläche und sind journalistisch flüchtig hin¬<lb/> geschrieben. Rein feuilletonistische Wendungen<lb/> schieben sich ein und stören jedes stilistische<lb/> Feingefühl. Herbert Eulenberg scheint die<lb/> Absichten des Publizisten zu verkennen. Es<lb/> genügt nicht, Tatsachen festzustellen, man muß<lb/> sie auch in einer künstlerischen Form darbieten,<lb/> und zwar ganz besonders, wenn man für die<lb/> Kunst eine Lanze bricht.</p> <note type="byline"> Hermann Meister</note> </div> <div n="2"> <head> (Offiziers» und Beamtenfragen</head> <p xml:id="ID_1231"> Zwei Rückwirkungen des Offizierpensions-<lb/> Ncsetzes vom 31. Mai 190K. Das Offizier¬<lb/> pensionsgesetz vom 31. Mai 1906 (O. P. G.)<lb/> hat bekanntlich eine allgemein rückwirkende<lb/> Kraft auf alle Altpensionäre nicht erhalten.<lb/> Wohl aber sind einige besondere Klassen von<lb/> Offizieren rückwirkend bedacht worden, von<lb/> denen zwei hier Erwähnung finden mögen.</p> <p xml:id="ID_1232" next="#ID_1233"> Zunächst sind diejenigen Offiziere, die nach<lb/> dem 1. April 1906 verabschiedet waren, den<lb/> Neupensionären gleichgestellt worden. An diesem<lb/> Tage sollte eigentlich dasO. P. G. in Kraft treten.<lb/> Da jedoch der Reichstag 1906 vertagt wurde,<lb/> konnte dies erst an, 1. Juli 1906 geschehen.<lb/> Es erschien daher unbillig, die in der Zwischen¬<lb/> zeit Pensionierten Offiziere unter dieser Ver¬<lb/> zögerung leiden zu lassen. Bei Feststellung ihres<lb/> pensionsfähigen Diensteinkommens zwecks Her¬<lb/> leitung der PensivnSsätze entstanden Zweifel,<lb/> ob und wie der seit 1. April 1906 zum Gehalt<lb/> geschlagene Servis zu verrechnen sei. Man<lb/> entschied, daß ohne besondere gesetzliche Be¬<lb/> stimmungen der gleiche Betrag an Gehalt und<lb/> Wohnungsgeldzuschuß wie bei den aktiven</p> <cb type="end"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0242]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
man nach ihn, sagen wird. Sein Zorn ist
ebenso ehrlich wie heilig und seine Rede ebenso
aufrichtig wie wahr. Aber einige Male hat
der erbitterte Dichter doch erheblich über das
Ziel hinausgeschossen und Dinge verkündet,
die nur durch seine dunkle Brille so schwarz
und unheimlich erscheinen: das betrifft seine
Auslassungen über die moderne Kritik, der er
heute so feindlich wie immer gegenübersteht,
trotzdem er längst hätte beobachten müssen,
daß die sachliche und ernsthafte Kritik sein
Können mehr und mehr zu würdigen beginnt
und seinen Namen mit Achtung nennt. Aller¬
dings hat man ihm erst kürzlich wieder bon
selten der Tagespresse die schlimmsten Dinge
borgeworfen und hat seine wurzelechte, bon
starker dichterischer Lust geschüttelte Komödie
„Alles um Liebe" in törichten Tönen ver¬
dammt. Was aber darf Eulenberg das rasche
Urteil des Journalisten entrüsten, wenn die
Anerkennung ernsthafter Künstler wie Bab
seiner wartet? Was Eulenberg im übrigen in
seiner Broschüre klopfenden Herzens zur Sprache
bringt, ist reine Wahrheit. Man fühlt mit ihm
die Trauer über das entschwundene Mäze¬
natentum früherer Jahrhunderte und man
stellt gleich ihm hoffnungslos fest, daß der
Snob in> die Stelle des Mäzen tritt und sich
damit begnügt, die Dokumente vergangener
Zeiten in seine Salons zu verschleppen, ohne
dem Künstler der Gegenwart einen Blick zu
schenken.
Daß frühere Zeiten gerechter waren, wissen
wir alle ... Eulenbergs Schrift will aber nicht
nur anklagen, sie will auch helfen. Schöne
Brudergefühle tauchen in ihr auf. Eulenberg
wünscht einen Zusammenschluß der Künstler,
eine heilige Allianz aller künstlerisch befähigten
Köpfe. Er wünscht es — um eine Seite später
selbst die Fahne der Hoffnung wieder sinken
zu lassen und in müder Resignation das Un¬
mögliche seiner Gedanken einzusehen. Und
dabei geht er sogar weiter, als notwendig
wäre, zeiht sie alle, die schöpferisch tätig sind,
der schnöden Mißgunst und des gegenseitigen
Hasses. Die ehrliche Entrüstung hat ihn aber¬
mals zu schwarz sehen lassen. Die Stellung
der Kunst zu unserer Zeit ist ein Thema, das
in vielen Problemen der künstlerischen Gegen¬
wart mitschwingt und zu dem man bewußt
oder unbewußt Tag für Tag neues Material
hinzuträgt. Die Hoffnung, daß unsere Welt
wieder aristokratischer fühlen und sich darum
eifriger für jede künstlerische Erscheinung inter¬
essieren werde, will niemals ganz schwinden
und soll es eigentlich auch in der Tat nicht;
viele Anzeichen sind vorhanden, daß die Stief¬
mutter Publikum allmählich zur Mutter wird.
Eulenberg hat mit seiner Schrift eine höchst
ehrenwerte Gesinnung an den Tag gelegt.
Aber er hätte seine Gesinnung herliefen,
sprachlich vertiefen sollen. Es muß gesagt
werden, daß die Sprache, in der Eulenberg
seinen Zorn enthüllt, eines Künstlers nicht
würdig ist. Die meisten Sätze haften an der
Oberfläche und sind journalistisch flüchtig hin¬
geschrieben. Rein feuilletonistische Wendungen
schieben sich ein und stören jedes stilistische
Feingefühl. Herbert Eulenberg scheint die
Absichten des Publizisten zu verkennen. Es
genügt nicht, Tatsachen festzustellen, man muß
sie auch in einer künstlerischen Form darbieten,
und zwar ganz besonders, wenn man für die
Kunst eine Lanze bricht.
Hermann Meister (Offiziers» und Beamtenfragen Zwei Rückwirkungen des Offizierpensions-
Ncsetzes vom 31. Mai 190K. Das Offizier¬
pensionsgesetz vom 31. Mai 1906 (O. P. G.)
hat bekanntlich eine allgemein rückwirkende
Kraft auf alle Altpensionäre nicht erhalten.
Wohl aber sind einige besondere Klassen von
Offizieren rückwirkend bedacht worden, von
denen zwei hier Erwähnung finden mögen.
Zunächst sind diejenigen Offiziere, die nach
dem 1. April 1906 verabschiedet waren, den
Neupensionären gleichgestellt worden. An diesem
Tage sollte eigentlich dasO. P. G. in Kraft treten.
Da jedoch der Reichstag 1906 vertagt wurde,
konnte dies erst an, 1. Juli 1906 geschehen.
Es erschien daher unbillig, die in der Zwischen¬
zeit Pensionierten Offiziere unter dieser Ver¬
zögerung leiden zu lassen. Bei Feststellung ihres
pensionsfähigen Diensteinkommens zwecks Her¬
leitung der PensivnSsätze entstanden Zweifel,
ob und wie der seit 1. April 1906 zum Gehalt
geschlagene Servis zu verrechnen sei. Man
entschied, daß ohne besondere gesetzliche Be¬
stimmungen der gleiche Betrag an Gehalt und
Wohnungsgeldzuschuß wie bei den aktiven
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