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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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Biologie und Politik

der Rassenmischung zugrunde gegangen, wenn sie die Erbweisheit ihrer Staaten¬
gründer vergessen hatten, die, wie Reibmayr richtig bemerkt, zwar weniger
exakte Kenntnisse, aber mehr intuitive Anschauung von den Gesetzen des Lebens
hatten als wir, sie auch in die Tat umzusetzen wußten. Wir aber vergessen
über demi Abstraktum "Kultur" deren konkreten Träger, den Menschen. Die
Überhastung der Kulturentwicklung, wie die heutige Zeit sie bietet, ist an sich
bedenklich für die Erhaltung des Volkstums, wie die verfrühte Reife des Einzel¬
menschen seiner Lebensfähigkeit nicht förderlich ist. Denn die beschleunigte Kultur¬
entwicklung bedeutet einen beschleunigten Verbrauch der sie tragenden Rassen¬
bestandteile, deren Fortpflanzung eben durch die Kultur beschränkt wird. Es
muß Zeit bleiben für die Erhaltung dieser Bestandteile, oder es müssen genügende
Reservate unverbrauchter Volkskraft vorhanden sein in der engeren Berührung
mit der Natur, wie die Landwirtschaft sie bietet. Kolonisation in der Heimat
ist also eine Lebensfrage für unser Volk. Wollen wir uns aber aus Ersatz von
außen verlassen, so bleibt kaum noch die Möglichkeit, gleichwertigen Ersatz heran¬
zuziehen, und unserem Volkstum: hinreichend verwandten Ersatz, um harnionische
Mischung zu erzielen. Man darf aber nicht vergessen, daß mit der bloßen Zu¬
wanderung noch keine Mischung eingetreten ist. Diese kommt erst ganz all¬
mählich zustande und nur, wenn die Zugewanderten in unserem Volkstum auf¬
gehen. Das geschieht aber nur nach Annahme unserer Sprache. "In der
Sprache treten", wie Alfr. Schultz in der Politisch-Anthropologischen Revue IX, 8
richtig bemerkt, "alle Gefühle. Empfindungen, Gedanken und Erfahrungen in
die Erscheinung. Sie ist deren Verkörperung, sucht nur das größte Besitztum,
sondern auch die größte Tat eines Volkes, eine Tat, an der das Volk als
solches beteiligt war und ist." Die Sprache bildet so eine rassegemäße Suggestion,
die den einzelnen in die Bahn des Volkstums zwingt. Das Verharren eines
zugemischten Volksbestandteils bei seiner besonderen Sprache läßt ihn dagegen
sicher aus dem Volkstum herausfallen und nach einem anderen hinneigen.

Neben der Verhinderung der Zumischung minderwertiger Rassenbestandteile,
deren Minderwertigkeit sich oft schon aus der Kriminalstatistik erweist, verlangt
eine biologisch begründete Politik auch die Ausmerzung vorhandener, der
Gemeinschaft direkt schädlicher Charakteranlagen, die einer früheren, noch außer¬
halb der Kultur liegenden Daseinszeit entstammen. Diese negative Auslese
entspricht dem Walten der "natürlichen Zuchtwahl", die im Kulturleben sonst
fast ganz ausgeschaltet ist, die aber allein imstande ist, eine Art auf der lebens¬
fähigen Umgrenzung des Charakters zu halten. Diese biologische Auffassung
liegt trotz des Aufschwungs der Naturwissenschaften merkwürdigerweise den
heutigen Politikern noch weltenfern, während sie alten Völkern zum Wohle des
Ganzen geläufig war. Dagegen findet in der katholischen Welt durch den
Zölibat der Priesterschaft eine negative Auslese gerade der Intelligenz statt, die
den geistigen Durchschnitt des Volkes herunterzudrücken geeignet ist. Daß eine ein¬
fache Beseitigung der Träger gemeinschädlicher Anlagen sich heute nicht mehr durch-


Biologie und Politik

der Rassenmischung zugrunde gegangen, wenn sie die Erbweisheit ihrer Staaten¬
gründer vergessen hatten, die, wie Reibmayr richtig bemerkt, zwar weniger
exakte Kenntnisse, aber mehr intuitive Anschauung von den Gesetzen des Lebens
hatten als wir, sie auch in die Tat umzusetzen wußten. Wir aber vergessen
über demi Abstraktum „Kultur" deren konkreten Träger, den Menschen. Die
Überhastung der Kulturentwicklung, wie die heutige Zeit sie bietet, ist an sich
bedenklich für die Erhaltung des Volkstums, wie die verfrühte Reife des Einzel¬
menschen seiner Lebensfähigkeit nicht förderlich ist. Denn die beschleunigte Kultur¬
entwicklung bedeutet einen beschleunigten Verbrauch der sie tragenden Rassen¬
bestandteile, deren Fortpflanzung eben durch die Kultur beschränkt wird. Es
muß Zeit bleiben für die Erhaltung dieser Bestandteile, oder es müssen genügende
Reservate unverbrauchter Volkskraft vorhanden sein in der engeren Berührung
mit der Natur, wie die Landwirtschaft sie bietet. Kolonisation in der Heimat
ist also eine Lebensfrage für unser Volk. Wollen wir uns aber aus Ersatz von
außen verlassen, so bleibt kaum noch die Möglichkeit, gleichwertigen Ersatz heran¬
zuziehen, und unserem Volkstum: hinreichend verwandten Ersatz, um harnionische
Mischung zu erzielen. Man darf aber nicht vergessen, daß mit der bloßen Zu¬
wanderung noch keine Mischung eingetreten ist. Diese kommt erst ganz all¬
mählich zustande und nur, wenn die Zugewanderten in unserem Volkstum auf¬
gehen. Das geschieht aber nur nach Annahme unserer Sprache. „In der
Sprache treten", wie Alfr. Schultz in der Politisch-Anthropologischen Revue IX, 8
richtig bemerkt, „alle Gefühle. Empfindungen, Gedanken und Erfahrungen in
die Erscheinung. Sie ist deren Verkörperung, sucht nur das größte Besitztum,
sondern auch die größte Tat eines Volkes, eine Tat, an der das Volk als
solches beteiligt war und ist." Die Sprache bildet so eine rassegemäße Suggestion,
die den einzelnen in die Bahn des Volkstums zwingt. Das Verharren eines
zugemischten Volksbestandteils bei seiner besonderen Sprache läßt ihn dagegen
sicher aus dem Volkstum herausfallen und nach einem anderen hinneigen.

Neben der Verhinderung der Zumischung minderwertiger Rassenbestandteile,
deren Minderwertigkeit sich oft schon aus der Kriminalstatistik erweist, verlangt
eine biologisch begründete Politik auch die Ausmerzung vorhandener, der
Gemeinschaft direkt schädlicher Charakteranlagen, die einer früheren, noch außer¬
halb der Kultur liegenden Daseinszeit entstammen. Diese negative Auslese
entspricht dem Walten der „natürlichen Zuchtwahl", die im Kulturleben sonst
fast ganz ausgeschaltet ist, die aber allein imstande ist, eine Art auf der lebens¬
fähigen Umgrenzung des Charakters zu halten. Diese biologische Auffassung
liegt trotz des Aufschwungs der Naturwissenschaften merkwürdigerweise den
heutigen Politikern noch weltenfern, während sie alten Völkern zum Wohle des
Ganzen geläufig war. Dagegen findet in der katholischen Welt durch den
Zölibat der Priesterschaft eine negative Auslese gerade der Intelligenz statt, die
den geistigen Durchschnitt des Volkes herunterzudrücken geeignet ist. Daß eine ein¬
fache Beseitigung der Träger gemeinschädlicher Anlagen sich heute nicht mehr durch-


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[0161] Biologie und Politik der Rassenmischung zugrunde gegangen, wenn sie die Erbweisheit ihrer Staaten¬ gründer vergessen hatten, die, wie Reibmayr richtig bemerkt, zwar weniger exakte Kenntnisse, aber mehr intuitive Anschauung von den Gesetzen des Lebens hatten als wir, sie auch in die Tat umzusetzen wußten. Wir aber vergessen über demi Abstraktum „Kultur" deren konkreten Träger, den Menschen. Die Überhastung der Kulturentwicklung, wie die heutige Zeit sie bietet, ist an sich bedenklich für die Erhaltung des Volkstums, wie die verfrühte Reife des Einzel¬ menschen seiner Lebensfähigkeit nicht förderlich ist. Denn die beschleunigte Kultur¬ entwicklung bedeutet einen beschleunigten Verbrauch der sie tragenden Rassen¬ bestandteile, deren Fortpflanzung eben durch die Kultur beschränkt wird. Es muß Zeit bleiben für die Erhaltung dieser Bestandteile, oder es müssen genügende Reservate unverbrauchter Volkskraft vorhanden sein in der engeren Berührung mit der Natur, wie die Landwirtschaft sie bietet. Kolonisation in der Heimat ist also eine Lebensfrage für unser Volk. Wollen wir uns aber aus Ersatz von außen verlassen, so bleibt kaum noch die Möglichkeit, gleichwertigen Ersatz heran¬ zuziehen, und unserem Volkstum: hinreichend verwandten Ersatz, um harnionische Mischung zu erzielen. Man darf aber nicht vergessen, daß mit der bloßen Zu¬ wanderung noch keine Mischung eingetreten ist. Diese kommt erst ganz all¬ mählich zustande und nur, wenn die Zugewanderten in unserem Volkstum auf¬ gehen. Das geschieht aber nur nach Annahme unserer Sprache. „In der Sprache treten", wie Alfr. Schultz in der Politisch-Anthropologischen Revue IX, 8 richtig bemerkt, „alle Gefühle. Empfindungen, Gedanken und Erfahrungen in die Erscheinung. Sie ist deren Verkörperung, sucht nur das größte Besitztum, sondern auch die größte Tat eines Volkes, eine Tat, an der das Volk als solches beteiligt war und ist." Die Sprache bildet so eine rassegemäße Suggestion, die den einzelnen in die Bahn des Volkstums zwingt. Das Verharren eines zugemischten Volksbestandteils bei seiner besonderen Sprache läßt ihn dagegen sicher aus dem Volkstum herausfallen und nach einem anderen hinneigen. Neben der Verhinderung der Zumischung minderwertiger Rassenbestandteile, deren Minderwertigkeit sich oft schon aus der Kriminalstatistik erweist, verlangt eine biologisch begründete Politik auch die Ausmerzung vorhandener, der Gemeinschaft direkt schädlicher Charakteranlagen, die einer früheren, noch außer¬ halb der Kultur liegenden Daseinszeit entstammen. Diese negative Auslese entspricht dem Walten der „natürlichen Zuchtwahl", die im Kulturleben sonst fast ganz ausgeschaltet ist, die aber allein imstande ist, eine Art auf der lebens¬ fähigen Umgrenzung des Charakters zu halten. Diese biologische Auffassung liegt trotz des Aufschwungs der Naturwissenschaften merkwürdigerweise den heutigen Politikern noch weltenfern, während sie alten Völkern zum Wohle des Ganzen geläufig war. Dagegen findet in der katholischen Welt durch den Zölibat der Priesterschaft eine negative Auslese gerade der Intelligenz statt, die den geistigen Durchschnitt des Volkes herunterzudrücken geeignet ist. Daß eine ein¬ fache Beseitigung der Träger gemeinschädlicher Anlagen sich heute nicht mehr durch-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/161>, abgerufen am 01.07.2024.