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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr.

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Das Zweckverbandsgesetz für Groß-Berli"

Rieselgüterfrage wäre dann auch besser gelöst worden. Zur Verlegung der
Druckrohre müssen oft fremde Wege benutzt werden, wobei natürlich jede Gemeinde
als Wegeunterhaltungspflichtige, deren Erlaubnis zur Verlegung erforderlich ist,
von der anderen so viel als möglich herauszuschlagen versucht. Die Abschließung
solcher Verträge charakterisiert sich als reines Handelsgeschäft. Nicht anders steht
es mit der Gasversorgung. Charlottenburg besitzt eine große Gasanstalt ganz
im Norden an der Ringbahn und dem neuen Verbindungskanal und mußte
seinerzeit, um die östlichen und südlichen Teile seines Stadtgebietes mit Gas zu
versorgen, große Zuleitungsröhren nach diesen Gegenden hin verlegen. Man
bedenke, daß das laufende Meter eines solchen Rohres etwa 100 Mark kostet!
Dabei besitzt Berlin in der fraglichen Gegend, an der Augsburger- und Luther¬
straße, einen großen Gasbehälter. Die Versorgung der umliegenden Gegend
von ihm aus wäre also viel billiger, viel rationeller gewesen, da die fast eine
halbe Meile langen Zuleitungsröhren die Sache erheblich verteuern. Berlin selbst
geht es nicht anders. Seine Gasanstalten liegen in Tegel, Schmargend orf usw.
Man sieht, auch hier hätten Millionen erspart werden können. Mit der Groß-
Berliner Wasserversorgung verhält es sich nicht anders, ebenso mit den in den
VorortenbestehendenKanalisationszweckverbändenundWasserversorgungsverbänden.
Hinzu kommt, daß zu jeder kleinen Veränderung an den Röhren wiederum die
Genehmigung des fraglichen Wegeunterhaltungspflichtigen, der betreffenden
Gemeinde, erforderlich ist. Eine andere Folge der Zerrissenheit war, daß die
kleinen Gemeinden den an sie herantretenden organisatorischen Aufgaben nicht
gewachsen waren und, um an dem Konkurrenzkampfe teilnehmen zu können,
ihre Erfüllung privaten Erwerbsgesellschaften überlassen mußten, trotzdem es
heute als selbstverständlich angesehen wird, daß Dinge, die sür eine bestimmte
gesellschaftliche Zwangsgemeinschaft, die Stadtbevölkerung, wesentlich oder gar
unentbehrlich sind, in städtische Regie übernommen werden, da bei Erwerbs¬
gesellschaften immer die Gefahr vorliegt, daß sie ihr Monopol ausnützen. Solche
Monopole besitzen in Groß-Berlin die Berliner Elektrizitätswerke, die Imperial
Continental Gas Association, die Charlottenburger Wasserwerke und last not
Isa8t die Große Berliner Straßenbahn, über die Notwendigkeit eines Berliner
Gesamtbebauungsplanes zu sprechen, hieße Eulen nach Spree-Athen tragen.
Auch hierfür empfindet man nur platonisch; man arrangiert wohl eine Slädtebau-
Ausstellung, aber die neuesten städtebaulicheil Anforderungen in einen: Bebauungs¬
plane zu verwirklichen, das bringt man nicht fertig. Versucht hat es bisher
nur Lankwitz, das die großen Kosten und auch Mühen der Durchführung seines
Planes nicht scheut. Gleiches gilt vom Wald- und Wiesengürtel. Das ist nicht ver¬
wunderlich, wenn man weiß, wie schwer es hält, den kommunalen Vertretungen
bei der Aufstellung eines Bebauungsplanes nur einige Parkflächen, die sogenannten
"Lungen", abzuringen. Unleidlich sind ferner die verschiedenartigen Abgrenzungen
auf dem Gebiete der Postbezirkseinteilung, derjenigen der Gerichte, der Eisen¬
bahn, der Landespolizei und der kommunalen Gemeinden selbst, die in der


Das Zweckverbandsgesetz für Groß-Berli»

Rieselgüterfrage wäre dann auch besser gelöst worden. Zur Verlegung der
Druckrohre müssen oft fremde Wege benutzt werden, wobei natürlich jede Gemeinde
als Wegeunterhaltungspflichtige, deren Erlaubnis zur Verlegung erforderlich ist,
von der anderen so viel als möglich herauszuschlagen versucht. Die Abschließung
solcher Verträge charakterisiert sich als reines Handelsgeschäft. Nicht anders steht
es mit der Gasversorgung. Charlottenburg besitzt eine große Gasanstalt ganz
im Norden an der Ringbahn und dem neuen Verbindungskanal und mußte
seinerzeit, um die östlichen und südlichen Teile seines Stadtgebietes mit Gas zu
versorgen, große Zuleitungsröhren nach diesen Gegenden hin verlegen. Man
bedenke, daß das laufende Meter eines solchen Rohres etwa 100 Mark kostet!
Dabei besitzt Berlin in der fraglichen Gegend, an der Augsburger- und Luther¬
straße, einen großen Gasbehälter. Die Versorgung der umliegenden Gegend
von ihm aus wäre also viel billiger, viel rationeller gewesen, da die fast eine
halbe Meile langen Zuleitungsröhren die Sache erheblich verteuern. Berlin selbst
geht es nicht anders. Seine Gasanstalten liegen in Tegel, Schmargend orf usw.
Man sieht, auch hier hätten Millionen erspart werden können. Mit der Groß-
Berliner Wasserversorgung verhält es sich nicht anders, ebenso mit den in den
VorortenbestehendenKanalisationszweckverbändenundWasserversorgungsverbänden.
Hinzu kommt, daß zu jeder kleinen Veränderung an den Röhren wiederum die
Genehmigung des fraglichen Wegeunterhaltungspflichtigen, der betreffenden
Gemeinde, erforderlich ist. Eine andere Folge der Zerrissenheit war, daß die
kleinen Gemeinden den an sie herantretenden organisatorischen Aufgaben nicht
gewachsen waren und, um an dem Konkurrenzkampfe teilnehmen zu können,
ihre Erfüllung privaten Erwerbsgesellschaften überlassen mußten, trotzdem es
heute als selbstverständlich angesehen wird, daß Dinge, die sür eine bestimmte
gesellschaftliche Zwangsgemeinschaft, die Stadtbevölkerung, wesentlich oder gar
unentbehrlich sind, in städtische Regie übernommen werden, da bei Erwerbs¬
gesellschaften immer die Gefahr vorliegt, daß sie ihr Monopol ausnützen. Solche
Monopole besitzen in Groß-Berlin die Berliner Elektrizitätswerke, die Imperial
Continental Gas Association, die Charlottenburger Wasserwerke und last not
Isa8t die Große Berliner Straßenbahn, über die Notwendigkeit eines Berliner
Gesamtbebauungsplanes zu sprechen, hieße Eulen nach Spree-Athen tragen.
Auch hierfür empfindet man nur platonisch; man arrangiert wohl eine Slädtebau-
Ausstellung, aber die neuesten städtebaulicheil Anforderungen in einen: Bebauungs¬
plane zu verwirklichen, das bringt man nicht fertig. Versucht hat es bisher
nur Lankwitz, das die großen Kosten und auch Mühen der Durchführung seines
Planes nicht scheut. Gleiches gilt vom Wald- und Wiesengürtel. Das ist nicht ver¬
wunderlich, wenn man weiß, wie schwer es hält, den kommunalen Vertretungen
bei der Aufstellung eines Bebauungsplanes nur einige Parkflächen, die sogenannten
„Lungen", abzuringen. Unleidlich sind ferner die verschiedenartigen Abgrenzungen
auf dem Gebiete der Postbezirkseinteilung, derjenigen der Gerichte, der Eisen¬
bahn, der Landespolizei und der kommunalen Gemeinden selbst, die in der


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[0434] Das Zweckverbandsgesetz für Groß-Berli» Rieselgüterfrage wäre dann auch besser gelöst worden. Zur Verlegung der Druckrohre müssen oft fremde Wege benutzt werden, wobei natürlich jede Gemeinde als Wegeunterhaltungspflichtige, deren Erlaubnis zur Verlegung erforderlich ist, von der anderen so viel als möglich herauszuschlagen versucht. Die Abschließung solcher Verträge charakterisiert sich als reines Handelsgeschäft. Nicht anders steht es mit der Gasversorgung. Charlottenburg besitzt eine große Gasanstalt ganz im Norden an der Ringbahn und dem neuen Verbindungskanal und mußte seinerzeit, um die östlichen und südlichen Teile seines Stadtgebietes mit Gas zu versorgen, große Zuleitungsröhren nach diesen Gegenden hin verlegen. Man bedenke, daß das laufende Meter eines solchen Rohres etwa 100 Mark kostet! Dabei besitzt Berlin in der fraglichen Gegend, an der Augsburger- und Luther¬ straße, einen großen Gasbehälter. Die Versorgung der umliegenden Gegend von ihm aus wäre also viel billiger, viel rationeller gewesen, da die fast eine halbe Meile langen Zuleitungsröhren die Sache erheblich verteuern. Berlin selbst geht es nicht anders. Seine Gasanstalten liegen in Tegel, Schmargend orf usw. Man sieht, auch hier hätten Millionen erspart werden können. Mit der Groß- Berliner Wasserversorgung verhält es sich nicht anders, ebenso mit den in den VorortenbestehendenKanalisationszweckverbändenundWasserversorgungsverbänden. Hinzu kommt, daß zu jeder kleinen Veränderung an den Röhren wiederum die Genehmigung des fraglichen Wegeunterhaltungspflichtigen, der betreffenden Gemeinde, erforderlich ist. Eine andere Folge der Zerrissenheit war, daß die kleinen Gemeinden den an sie herantretenden organisatorischen Aufgaben nicht gewachsen waren und, um an dem Konkurrenzkampfe teilnehmen zu können, ihre Erfüllung privaten Erwerbsgesellschaften überlassen mußten, trotzdem es heute als selbstverständlich angesehen wird, daß Dinge, die sür eine bestimmte gesellschaftliche Zwangsgemeinschaft, die Stadtbevölkerung, wesentlich oder gar unentbehrlich sind, in städtische Regie übernommen werden, da bei Erwerbs¬ gesellschaften immer die Gefahr vorliegt, daß sie ihr Monopol ausnützen. Solche Monopole besitzen in Groß-Berlin die Berliner Elektrizitätswerke, die Imperial Continental Gas Association, die Charlottenburger Wasserwerke und last not Isa8t die Große Berliner Straßenbahn, über die Notwendigkeit eines Berliner Gesamtbebauungsplanes zu sprechen, hieße Eulen nach Spree-Athen tragen. Auch hierfür empfindet man nur platonisch; man arrangiert wohl eine Slädtebau- Ausstellung, aber die neuesten städtebaulicheil Anforderungen in einen: Bebauungs¬ plane zu verwirklichen, das bringt man nicht fertig. Versucht hat es bisher nur Lankwitz, das die großen Kosten und auch Mühen der Durchführung seines Planes nicht scheut. Gleiches gilt vom Wald- und Wiesengürtel. Das ist nicht ver¬ wunderlich, wenn man weiß, wie schwer es hält, den kommunalen Vertretungen bei der Aufstellung eines Bebauungsplanes nur einige Parkflächen, die sogenannten „Lungen", abzuringen. Unleidlich sind ferner die verschiedenartigen Abgrenzungen auf dem Gebiete der Postbezirkseinteilung, derjenigen der Gerichte, der Eisen¬ bahn, der Landespolizei und der kommunalen Gemeinden selbst, die in der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_317612/434>, abgerufen am 29.12.2024.