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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr.

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Franziska von Hohenheim

Vorschuß bewillige. Eine katholische Heirat mit dem Versprechen katholischer
Kindererziehung: die glaubenseifrigen Lutheraner gerieten in Todesangst. Da der
nächstältere Bruder des Herzogs zwar streng katholisch, aber nicht standesgemäß
verheiratet war, hatte man schon alle Hoffnung auf die evangelisch erzogene
Nachkommenschaft des Prinzen Friedrich Eugen und seiner Gemahlin Sophie
Dorothea gesetzt. Hier gab es kein Zaudern. Mit leichter Mühe erreichte der
Herzog sein Ziel, und jetzt erst, als er die ersten 50000 Gulden in der Tasche
hatte, schrieb er -- es war am 10. Juli 1780, drei Monate nach dem Tode
Friederikens -- seiner Franziska jenen halb empfindsamen, halb selbstbewußten
Brief, der ihr seinen Entschluß verkündigte. Es kränkte sein "für sie echt zärtlich
gesinntes Herz", daß die Bande, die ihn seit zehn Jahren mit ihr verknüpften,
"nicht diejenige christliche Aussicht hatten, die einer heute oder morgen zu for¬
dernden ernsthaften Rechenschaft würden ein beruhigendes Genüge leisten
können. . . . Mein Herz ist Dir eigen und hier zum Pfand meiner bisherigen
Rechtschaffenheit und redlichen Gedenkungsart gegen Dir, und hier, sage ich, ist
meine Hand." Dann aber verlangt er von ihr eine Gegenerklärung; er stellt
seine Bedingungen, ermahnt sie, sich der falschen Neigung zu dem sogenannten
Pietismus zu enthalten, sich ebensowenig wie bisher in Staatsangelegenheiten
einzumischen oder durch Empfehlungen ihm Ärgernis zu bereiten. Nach dem
Fürsten, dem Selbstherrscher, kommt wieder der Liebhaber zum Ausdruck. "Alle
Vorteile großer Verbindungen," so schreibt er zum Schluß, "alle Vorspiegelungen
künftiger Stützen ersetzen in mir bei weitem nicht, eine Freundin beizubehalten,
die den größten Einfluß auf meine künftige Ruhe haben soll und kann." --
Das alles hätte er ihr, da er täglich mit ihr zusammen war, ja auch ebensogut
mündlich sagen können, und wie wir aus Franziskas Tagebuch erfahren, hat
er es wirklich noch an demselben Tage getan, und zwar "noch viel größer"
als schriftlich, so daß sie "sehr empfindlich gerührt war". Doch es war nun
einmal seine Art, sich in Szene zu setzen, aus seinen tiefsten Gefühlen, den
schlechten und guten, eine Haupt- und Staatsaktion zu machen. Auch die
Erklärung an die geliebte Frau war für ihn ein Regierungsakt, der schriftlich
festgelegt werden mußte.

Die Ausführung des Versprechens war nicht so leicht, wie er gedacht hatte.
Die katholische Kirche wollte ihm die Ehe mit einer geschiedenen Protestantin,
deren Gatte noch lebte, nicht gestatten. Endlich, gab ihn: ein befreundeter Prälat
den Rat, die Kurie einfach vor die vollendete Tatsache zu stellen und dann um
nachträgliche Dispensation zu bitten. Das entsprach auch am meisten der Sinnesart
des Herzogs, dessen Geduld durch das jahrelange Warten erschöpft war. Er
setzte sich mit den Mömpelgarder Herrschaften, seinem Bruder Friedrich Eugen
und dessen Gemahlin, in Verbindung, und diese, die ihn nicht ungern für immer
an Franziska gefesselt sahen, da nur so die Thronfolge ihrer Söhne gesichert
schien, unterzeichneten nicht bloß den Ehevertrag, sondern wohnten auch am
11. Januar 1786 im Stuttgarter Schlosse der Trauung bei. Das Langerwartete


Franziska von Hohenheim

Vorschuß bewillige. Eine katholische Heirat mit dem Versprechen katholischer
Kindererziehung: die glaubenseifrigen Lutheraner gerieten in Todesangst. Da der
nächstältere Bruder des Herzogs zwar streng katholisch, aber nicht standesgemäß
verheiratet war, hatte man schon alle Hoffnung auf die evangelisch erzogene
Nachkommenschaft des Prinzen Friedrich Eugen und seiner Gemahlin Sophie
Dorothea gesetzt. Hier gab es kein Zaudern. Mit leichter Mühe erreichte der
Herzog sein Ziel, und jetzt erst, als er die ersten 50000 Gulden in der Tasche
hatte, schrieb er — es war am 10. Juli 1780, drei Monate nach dem Tode
Friederikens — seiner Franziska jenen halb empfindsamen, halb selbstbewußten
Brief, der ihr seinen Entschluß verkündigte. Es kränkte sein „für sie echt zärtlich
gesinntes Herz", daß die Bande, die ihn seit zehn Jahren mit ihr verknüpften,
„nicht diejenige christliche Aussicht hatten, die einer heute oder morgen zu for¬
dernden ernsthaften Rechenschaft würden ein beruhigendes Genüge leisten
können. . . . Mein Herz ist Dir eigen und hier zum Pfand meiner bisherigen
Rechtschaffenheit und redlichen Gedenkungsart gegen Dir, und hier, sage ich, ist
meine Hand." Dann aber verlangt er von ihr eine Gegenerklärung; er stellt
seine Bedingungen, ermahnt sie, sich der falschen Neigung zu dem sogenannten
Pietismus zu enthalten, sich ebensowenig wie bisher in Staatsangelegenheiten
einzumischen oder durch Empfehlungen ihm Ärgernis zu bereiten. Nach dem
Fürsten, dem Selbstherrscher, kommt wieder der Liebhaber zum Ausdruck. „Alle
Vorteile großer Verbindungen," so schreibt er zum Schluß, „alle Vorspiegelungen
künftiger Stützen ersetzen in mir bei weitem nicht, eine Freundin beizubehalten,
die den größten Einfluß auf meine künftige Ruhe haben soll und kann." —
Das alles hätte er ihr, da er täglich mit ihr zusammen war, ja auch ebensogut
mündlich sagen können, und wie wir aus Franziskas Tagebuch erfahren, hat
er es wirklich noch an demselben Tage getan, und zwar „noch viel größer"
als schriftlich, so daß sie „sehr empfindlich gerührt war". Doch es war nun
einmal seine Art, sich in Szene zu setzen, aus seinen tiefsten Gefühlen, den
schlechten und guten, eine Haupt- und Staatsaktion zu machen. Auch die
Erklärung an die geliebte Frau war für ihn ein Regierungsakt, der schriftlich
festgelegt werden mußte.

Die Ausführung des Versprechens war nicht so leicht, wie er gedacht hatte.
Die katholische Kirche wollte ihm die Ehe mit einer geschiedenen Protestantin,
deren Gatte noch lebte, nicht gestatten. Endlich, gab ihn: ein befreundeter Prälat
den Rat, die Kurie einfach vor die vollendete Tatsache zu stellen und dann um
nachträgliche Dispensation zu bitten. Das entsprach auch am meisten der Sinnesart
des Herzogs, dessen Geduld durch das jahrelange Warten erschöpft war. Er
setzte sich mit den Mömpelgarder Herrschaften, seinem Bruder Friedrich Eugen
und dessen Gemahlin, in Verbindung, und diese, die ihn nicht ungern für immer
an Franziska gefesselt sahen, da nur so die Thronfolge ihrer Söhne gesichert
schien, unterzeichneten nicht bloß den Ehevertrag, sondern wohnten auch am
11. Januar 1786 im Stuttgarter Schlosse der Trauung bei. Das Langerwartete


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_317612/30>, abgerufen am 24.07.2024.