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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr.

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Franziska von Hohenheim

karr Franziska nun doch überraschend. "Ganz plötzlich", so heißt es in ihrem
Tagebuch, "sprach der Herzog zu nur allein von Sachen, die mich erstaunten
und die meine ganze Seele erheiterten' dann führte er mich dahin, wo ich
mein weltliches Glück befestigt sah." Es war eine heimliche Trauung, für die
Welt blieb sie vorläufig noch die Geliebte des Herzogs. Da bestimmte
ein ärgerlicher Vorfall den leicht gereizten Mann, das Geheimnis zu ent¬
hüllen, obwohl die Verhandlungen mit der Kurie noch immer nicht zum
Abschluß gelangt waren. Als er eines Tages bei seinem Bruder Ludwig Eugen
sich mit Franziska zum Besuch anmeldete, erhielt er die Antwort, man werde
ihn gern, aber nicht die Gräfin empfangen. In heftigstem Zorn brauste er auf,
und nun wollte er dem Bruder und dessen morganatischer Gemahlin, der stolzen
Gräfin Weichlingen, die von der Reichsgräfin von Hohenheim nichts wissen wollten,
zeigen, daß sie in Franziska fortan die Landesherrin zu ehren hatten. Auch diesmal
sagte er der Geliebten nichts vorher. Wie erstaunte sie, als am 2. Februar 1786
nach der Predigt im Kirchengebet für sie als "Höchstdesselben Gemahlin" gebetet
wurde, als dann um Mittag der Herzog selbst feierlich in der Akademie die
schon vor einem Jahre vollzogene Vermählung verkündigte. "Meine Empfindungen
zu beschreiben, vermag ich nicht, und die große Handlung wird dem Herzog selbst
in dem Himmel angeschrieben sein und dort belohnt werden; was braucht's meiner
Beschreibung."

Den deutschen und einigen auswärtigen Höfen wurde das Geschehene sofort
mitgeteilt; an verschiedene Mitglieder des württembergischen Hauses schrieb Franziska
selbst. In dem Briefe an den späteren König Friedrich den Ersten, den Neffen
ihres Gemahls, erklärte sie, sie würde ihren Stolz darin suchen, die Pflichten,
die der Besitz der Hand des Herzogs auferlege, zu erfüllen und dadurch zu
beweisen streben, daß wenigstens ihre Handlungen ihrem Platze angemessen seien
und daß auch keine geborene Fürstin treuer für das Land und ehrfurchtsvoller
und reiner für die herzogliche Familie denken könne als sie. Einfacher sind die
Briefe an ihren Gewissensrat Niemeyer und einen anderen Vertrauten gehalten.
Hier kommt vor allem die Freude darüber zum Ausdruck, daß jetzt das Gefühl
der Schuld von ihr genommen war, daß sie dem Lande kein Ärgernis mehr gab
und isles vor Gott "der Vereinigung mit dem besten Herzog" freuen durfte.

Karl Eugen wollte Franziska von Anfang an als seine ebenbürtige Gemahlin
betrachtet wissen, richtete ihr einen Hofstaat ein und verlangte für sie die
Anerkennung als Herzogin mit dem Prädikat "Durchlaucht". Darüber entstanden
einige Schwierigkeiten selbst mit den sonst so wohlgesinnten Mömpelgarder Ver¬
wandten. Schließlich einigte man sich dahin, daß Franziska auch als regierende
Herzogin niemals den Vorrang vor ihrer Schwägerin, der geborenen preußischen
Prinzessin, beanspruchen dürfe und Karl Eugen für die Nachkommenschaft, die
er aus dieser Ehe haben würde, auf die Thronfolge verzichtete. Auch der
andere Bruder, der katholische Ludwig Eugen, fügte sich, als der Papst selbst
uach mehrjährigem Streit die Heirat für gültig erklärte. Der beigefügten


Grenzboten I 1911 3
Franziska von Hohenheim

karr Franziska nun doch überraschend. „Ganz plötzlich", so heißt es in ihrem
Tagebuch, „sprach der Herzog zu nur allein von Sachen, die mich erstaunten
und die meine ganze Seele erheiterten' dann führte er mich dahin, wo ich
mein weltliches Glück befestigt sah." Es war eine heimliche Trauung, für die
Welt blieb sie vorläufig noch die Geliebte des Herzogs. Da bestimmte
ein ärgerlicher Vorfall den leicht gereizten Mann, das Geheimnis zu ent¬
hüllen, obwohl die Verhandlungen mit der Kurie noch immer nicht zum
Abschluß gelangt waren. Als er eines Tages bei seinem Bruder Ludwig Eugen
sich mit Franziska zum Besuch anmeldete, erhielt er die Antwort, man werde
ihn gern, aber nicht die Gräfin empfangen. In heftigstem Zorn brauste er auf,
und nun wollte er dem Bruder und dessen morganatischer Gemahlin, der stolzen
Gräfin Weichlingen, die von der Reichsgräfin von Hohenheim nichts wissen wollten,
zeigen, daß sie in Franziska fortan die Landesherrin zu ehren hatten. Auch diesmal
sagte er der Geliebten nichts vorher. Wie erstaunte sie, als am 2. Februar 1786
nach der Predigt im Kirchengebet für sie als „Höchstdesselben Gemahlin" gebetet
wurde, als dann um Mittag der Herzog selbst feierlich in der Akademie die
schon vor einem Jahre vollzogene Vermählung verkündigte. „Meine Empfindungen
zu beschreiben, vermag ich nicht, und die große Handlung wird dem Herzog selbst
in dem Himmel angeschrieben sein und dort belohnt werden; was braucht's meiner
Beschreibung."

Den deutschen und einigen auswärtigen Höfen wurde das Geschehene sofort
mitgeteilt; an verschiedene Mitglieder des württembergischen Hauses schrieb Franziska
selbst. In dem Briefe an den späteren König Friedrich den Ersten, den Neffen
ihres Gemahls, erklärte sie, sie würde ihren Stolz darin suchen, die Pflichten,
die der Besitz der Hand des Herzogs auferlege, zu erfüllen und dadurch zu
beweisen streben, daß wenigstens ihre Handlungen ihrem Platze angemessen seien
und daß auch keine geborene Fürstin treuer für das Land und ehrfurchtsvoller
und reiner für die herzogliche Familie denken könne als sie. Einfacher sind die
Briefe an ihren Gewissensrat Niemeyer und einen anderen Vertrauten gehalten.
Hier kommt vor allem die Freude darüber zum Ausdruck, daß jetzt das Gefühl
der Schuld von ihr genommen war, daß sie dem Lande kein Ärgernis mehr gab
und isles vor Gott „der Vereinigung mit dem besten Herzog" freuen durfte.

Karl Eugen wollte Franziska von Anfang an als seine ebenbürtige Gemahlin
betrachtet wissen, richtete ihr einen Hofstaat ein und verlangte für sie die
Anerkennung als Herzogin mit dem Prädikat „Durchlaucht". Darüber entstanden
einige Schwierigkeiten selbst mit den sonst so wohlgesinnten Mömpelgarder Ver¬
wandten. Schließlich einigte man sich dahin, daß Franziska auch als regierende
Herzogin niemals den Vorrang vor ihrer Schwägerin, der geborenen preußischen
Prinzessin, beanspruchen dürfe und Karl Eugen für die Nachkommenschaft, die
er aus dieser Ehe haben würde, auf die Thronfolge verzichtete. Auch der
andere Bruder, der katholische Ludwig Eugen, fügte sich, als der Papst selbst
uach mehrjährigem Streit die Heirat für gültig erklärte. Der beigefügten


Grenzboten I 1911 3
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[0031] Franziska von Hohenheim karr Franziska nun doch überraschend. „Ganz plötzlich", so heißt es in ihrem Tagebuch, „sprach der Herzog zu nur allein von Sachen, die mich erstaunten und die meine ganze Seele erheiterten' dann führte er mich dahin, wo ich mein weltliches Glück befestigt sah." Es war eine heimliche Trauung, für die Welt blieb sie vorläufig noch die Geliebte des Herzogs. Da bestimmte ein ärgerlicher Vorfall den leicht gereizten Mann, das Geheimnis zu ent¬ hüllen, obwohl die Verhandlungen mit der Kurie noch immer nicht zum Abschluß gelangt waren. Als er eines Tages bei seinem Bruder Ludwig Eugen sich mit Franziska zum Besuch anmeldete, erhielt er die Antwort, man werde ihn gern, aber nicht die Gräfin empfangen. In heftigstem Zorn brauste er auf, und nun wollte er dem Bruder und dessen morganatischer Gemahlin, der stolzen Gräfin Weichlingen, die von der Reichsgräfin von Hohenheim nichts wissen wollten, zeigen, daß sie in Franziska fortan die Landesherrin zu ehren hatten. Auch diesmal sagte er der Geliebten nichts vorher. Wie erstaunte sie, als am 2. Februar 1786 nach der Predigt im Kirchengebet für sie als „Höchstdesselben Gemahlin" gebetet wurde, als dann um Mittag der Herzog selbst feierlich in der Akademie die schon vor einem Jahre vollzogene Vermählung verkündigte. „Meine Empfindungen zu beschreiben, vermag ich nicht, und die große Handlung wird dem Herzog selbst in dem Himmel angeschrieben sein und dort belohnt werden; was braucht's meiner Beschreibung." Den deutschen und einigen auswärtigen Höfen wurde das Geschehene sofort mitgeteilt; an verschiedene Mitglieder des württembergischen Hauses schrieb Franziska selbst. In dem Briefe an den späteren König Friedrich den Ersten, den Neffen ihres Gemahls, erklärte sie, sie würde ihren Stolz darin suchen, die Pflichten, die der Besitz der Hand des Herzogs auferlege, zu erfüllen und dadurch zu beweisen streben, daß wenigstens ihre Handlungen ihrem Platze angemessen seien und daß auch keine geborene Fürstin treuer für das Land und ehrfurchtsvoller und reiner für die herzogliche Familie denken könne als sie. Einfacher sind die Briefe an ihren Gewissensrat Niemeyer und einen anderen Vertrauten gehalten. Hier kommt vor allem die Freude darüber zum Ausdruck, daß jetzt das Gefühl der Schuld von ihr genommen war, daß sie dem Lande kein Ärgernis mehr gab und isles vor Gott „der Vereinigung mit dem besten Herzog" freuen durfte. Karl Eugen wollte Franziska von Anfang an als seine ebenbürtige Gemahlin betrachtet wissen, richtete ihr einen Hofstaat ein und verlangte für sie die Anerkennung als Herzogin mit dem Prädikat „Durchlaucht". Darüber entstanden einige Schwierigkeiten selbst mit den sonst so wohlgesinnten Mömpelgarder Ver¬ wandten. Schließlich einigte man sich dahin, daß Franziska auch als regierende Herzogin niemals den Vorrang vor ihrer Schwägerin, der geborenen preußischen Prinzessin, beanspruchen dürfe und Karl Eugen für die Nachkommenschaft, die er aus dieser Ehe haben würde, auf die Thronfolge verzichtete. Auch der andere Bruder, der katholische Ludwig Eugen, fügte sich, als der Papst selbst uach mehrjährigem Streit die Heirat für gültig erklärte. Der beigefügten Grenzboten I 1911 3

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_317612/31>, abgerufen am 24.07.2024.