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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr.

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Franziska von Hohenheim

habe Dich von Herzen lieb." Ihr zu Ehren versucht er sich sogar in Versen.
Am Ende eines Geburtstagsgedichtes heißt es:

Der Herzog nannte Franziska nicht nur seine "allerliebste Freundin",
sondern auch gern seine "Gehilfin", und auch der jugendliche Eleve Schiller
spricht in einer seiner Akademiereden von der "Gehilfin", die dieser große
Freund der Tugend sich zu seinem erhabenen Werke erwählte. -- Nicht als ob
Franziska unmittelbaren Einfluß auf die Staatsgeschäfte ausgeübt hätte. Sie
strebte nicht nach dem Ruhm einer Pompadour oder Grävenitz, auch war Karl
Eugen keine so bequeme und unselbständige Natur wie Ludwig der Fünfzehnte.
Es genügte ihr, die Härten und Schroffheiten in dem Wesen des geliebten
Mannes zu mildern, seinen Neigungen eine edlere Richtung zu geben, den
guten Kern, der in ihm steckte, aus der Hülle häßlicher Leidenschaften und
tyrannischer Gelüste herauszulösen. Gewiß, die ersten, noch halb unfreiwilligen
Anfänge der Umkehr und Besserung liegen schon vor dem Verkehr mit Franziska.
Das Soldatenspiel, das den Württembergern so unerträgliche Lasten aufgebürdet
und so wenig Ruhm eingetragen hatte, verlor für ihn nach dem siebenjährigen
Kriege seinen Reiz. Auch des Theaterprunkes war er allmählich überdrüssig
geworden. Schon im Jahre 1768 wurde die französische Komödiantentruppe
entlassen, bald darauf ein Teil des Balletts. Dazu machte die schlechte Finanz¬
lage und der Streit mit den Landständen, die beim Reichshofrat in Wien eine
Klage eingereicht hatten und an Friedrich dem Großen einen mächtigen Beschützer
fanden, dringend Ersparnisse notwendig, und endlich regte sich in dem Herzog
schon damals jene Leidenschaft für das Erziehungswesen, die die letzten zwanzig
Jahre seiner Regierung fast völlig beherrschte. Ein reiner, selbstloser Eifer war
es freilich nicht. Neben praktischen Erwägungen gab den Hauptantrieb seine
maßlose Eitelkeit, seine Sucht, nach außen zu glänzen. Was einst für ihn Ballett
und Oper gewesen waren, wurde jetzt die 1771 errichtete Militärische Pflanz¬
schule, die spätere Karlsschule: ein Pracht- und Paradestück, das dem staunenden
Europa seine, des Gründers, geistige Größe und erhabene Tugend vor Augen
führen sollte. Nun traf es sich, daß Franziska den früheren Lieblingsneigungen
des Herzogs von jeher keine Teilnahme entgegengebracht hatte. Dem Theater
widerstrebte ihre stark zum Pietismus neigende religiöse Richtung, und so trefflich
sie, wenn es die Gelegenheit forderte, zu repräsentieren verstand, mehr Freude
fand sie an einem zurückgezogenen ländlichen Leben, an hausfraulichen und
gärtnerischen Beschäftigungen. Auch las sie gern und viel; in der hübschen
Köhlerhütte, die sie sich in den "Englischen Anlagen" des Hohenheimer Schlo߬
gartens eingerichtet hatte, stand eine reichhaltige Bibliothek. Französisch hatte
sie nur mangelhaft gelernt, die Briefe, die unbedingt in dieser Sprache
geschrieben werden mußten, setzte ihr der Herzog selbst auf. Beim Lesen bevorzugte
sie deutsche Bücher ernsten und gediegenen Inhalts. Sie liebte den Umgang


Franziska von Hohenheim

habe Dich von Herzen lieb." Ihr zu Ehren versucht er sich sogar in Versen.
Am Ende eines Geburtstagsgedichtes heißt es:

Der Herzog nannte Franziska nicht nur seine „allerliebste Freundin",
sondern auch gern seine „Gehilfin", und auch der jugendliche Eleve Schiller
spricht in einer seiner Akademiereden von der „Gehilfin", die dieser große
Freund der Tugend sich zu seinem erhabenen Werke erwählte. — Nicht als ob
Franziska unmittelbaren Einfluß auf die Staatsgeschäfte ausgeübt hätte. Sie
strebte nicht nach dem Ruhm einer Pompadour oder Grävenitz, auch war Karl
Eugen keine so bequeme und unselbständige Natur wie Ludwig der Fünfzehnte.
Es genügte ihr, die Härten und Schroffheiten in dem Wesen des geliebten
Mannes zu mildern, seinen Neigungen eine edlere Richtung zu geben, den
guten Kern, der in ihm steckte, aus der Hülle häßlicher Leidenschaften und
tyrannischer Gelüste herauszulösen. Gewiß, die ersten, noch halb unfreiwilligen
Anfänge der Umkehr und Besserung liegen schon vor dem Verkehr mit Franziska.
Das Soldatenspiel, das den Württembergern so unerträgliche Lasten aufgebürdet
und so wenig Ruhm eingetragen hatte, verlor für ihn nach dem siebenjährigen
Kriege seinen Reiz. Auch des Theaterprunkes war er allmählich überdrüssig
geworden. Schon im Jahre 1768 wurde die französische Komödiantentruppe
entlassen, bald darauf ein Teil des Balletts. Dazu machte die schlechte Finanz¬
lage und der Streit mit den Landständen, die beim Reichshofrat in Wien eine
Klage eingereicht hatten und an Friedrich dem Großen einen mächtigen Beschützer
fanden, dringend Ersparnisse notwendig, und endlich regte sich in dem Herzog
schon damals jene Leidenschaft für das Erziehungswesen, die die letzten zwanzig
Jahre seiner Regierung fast völlig beherrschte. Ein reiner, selbstloser Eifer war
es freilich nicht. Neben praktischen Erwägungen gab den Hauptantrieb seine
maßlose Eitelkeit, seine Sucht, nach außen zu glänzen. Was einst für ihn Ballett
und Oper gewesen waren, wurde jetzt die 1771 errichtete Militärische Pflanz¬
schule, die spätere Karlsschule: ein Pracht- und Paradestück, das dem staunenden
Europa seine, des Gründers, geistige Größe und erhabene Tugend vor Augen
führen sollte. Nun traf es sich, daß Franziska den früheren Lieblingsneigungen
des Herzogs von jeher keine Teilnahme entgegengebracht hatte. Dem Theater
widerstrebte ihre stark zum Pietismus neigende religiöse Richtung, und so trefflich
sie, wenn es die Gelegenheit forderte, zu repräsentieren verstand, mehr Freude
fand sie an einem zurückgezogenen ländlichen Leben, an hausfraulichen und
gärtnerischen Beschäftigungen. Auch las sie gern und viel; in der hübschen
Köhlerhütte, die sie sich in den „Englischen Anlagen" des Hohenheimer Schlo߬
gartens eingerichtet hatte, stand eine reichhaltige Bibliothek. Französisch hatte
sie nur mangelhaft gelernt, die Briefe, die unbedingt in dieser Sprache
geschrieben werden mußten, setzte ihr der Herzog selbst auf. Beim Lesen bevorzugte
sie deutsche Bücher ernsten und gediegenen Inhalts. Sie liebte den Umgang


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[0027] Franziska von Hohenheim habe Dich von Herzen lieb." Ihr zu Ehren versucht er sich sogar in Versen. Am Ende eines Geburtstagsgedichtes heißt es: Der Herzog nannte Franziska nicht nur seine „allerliebste Freundin", sondern auch gern seine „Gehilfin", und auch der jugendliche Eleve Schiller spricht in einer seiner Akademiereden von der „Gehilfin", die dieser große Freund der Tugend sich zu seinem erhabenen Werke erwählte. — Nicht als ob Franziska unmittelbaren Einfluß auf die Staatsgeschäfte ausgeübt hätte. Sie strebte nicht nach dem Ruhm einer Pompadour oder Grävenitz, auch war Karl Eugen keine so bequeme und unselbständige Natur wie Ludwig der Fünfzehnte. Es genügte ihr, die Härten und Schroffheiten in dem Wesen des geliebten Mannes zu mildern, seinen Neigungen eine edlere Richtung zu geben, den guten Kern, der in ihm steckte, aus der Hülle häßlicher Leidenschaften und tyrannischer Gelüste herauszulösen. Gewiß, die ersten, noch halb unfreiwilligen Anfänge der Umkehr und Besserung liegen schon vor dem Verkehr mit Franziska. Das Soldatenspiel, das den Württembergern so unerträgliche Lasten aufgebürdet und so wenig Ruhm eingetragen hatte, verlor für ihn nach dem siebenjährigen Kriege seinen Reiz. Auch des Theaterprunkes war er allmählich überdrüssig geworden. Schon im Jahre 1768 wurde die französische Komödiantentruppe entlassen, bald darauf ein Teil des Balletts. Dazu machte die schlechte Finanz¬ lage und der Streit mit den Landständen, die beim Reichshofrat in Wien eine Klage eingereicht hatten und an Friedrich dem Großen einen mächtigen Beschützer fanden, dringend Ersparnisse notwendig, und endlich regte sich in dem Herzog schon damals jene Leidenschaft für das Erziehungswesen, die die letzten zwanzig Jahre seiner Regierung fast völlig beherrschte. Ein reiner, selbstloser Eifer war es freilich nicht. Neben praktischen Erwägungen gab den Hauptantrieb seine maßlose Eitelkeit, seine Sucht, nach außen zu glänzen. Was einst für ihn Ballett und Oper gewesen waren, wurde jetzt die 1771 errichtete Militärische Pflanz¬ schule, die spätere Karlsschule: ein Pracht- und Paradestück, das dem staunenden Europa seine, des Gründers, geistige Größe und erhabene Tugend vor Augen führen sollte. Nun traf es sich, daß Franziska den früheren Lieblingsneigungen des Herzogs von jeher keine Teilnahme entgegengebracht hatte. Dem Theater widerstrebte ihre stark zum Pietismus neigende religiöse Richtung, und so trefflich sie, wenn es die Gelegenheit forderte, zu repräsentieren verstand, mehr Freude fand sie an einem zurückgezogenen ländlichen Leben, an hausfraulichen und gärtnerischen Beschäftigungen. Auch las sie gern und viel; in der hübschen Köhlerhütte, die sie sich in den „Englischen Anlagen" des Hohenheimer Schlo߬ gartens eingerichtet hatte, stand eine reichhaltige Bibliothek. Französisch hatte sie nur mangelhaft gelernt, die Briefe, die unbedingt in dieser Sprache geschrieben werden mußten, setzte ihr der Herzog selbst auf. Beim Lesen bevorzugte sie deutsche Bücher ernsten und gediegenen Inhalts. Sie liebte den Umgang

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_317612/27>, abgerufen am 24.07.2024.