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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr.

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Deutsch-Amerikaner

Lande nur die vielleicht günstigeren Verhältnisse ausnutzen, dort seine Geschäfte
treiben und nach erreichten: Erfolge in Deutschland wieder die Früchte seiner
Mühen genießen. Würde ein solcher Mensch in dem fremden Lande seine
deutsche Abstammung verleugnen und den Einwohner des betreffenden Landes
kopieren wollen, was ja auf unsere Landsleute gerade in englischen Ländern und
Kolonien einen gewissen Reiz auszuüben scheint -- so würde man das mit
Recht beschämend und lächerlich finden.

Anders der Auswanderer nach der Union!

Die Vereinigten Staaten von Nordamerika sind ein Staatswesen, das sich
durch den freien Zusammenschluß von Einwanderern aus Europa auf dem neuen
Kontinent gebildet hat. Dieser Gründungsakt erneuert sich gewissermaßen noch
jeden Tag, indem die fortwährend zuströmenden Scharen von Auswanderern
in dieses Staatengebilde eintreten und durch Ableistung des Bürgereides sagen:
Wir wollen helfen, diesen neuen Staat weiter auszubauen und eine neue Volks-
rasse zu gründen.

Der Auswanderer aus Deutschland ist meist formell aus seinem alten
Staatsverbande entlassen, er verläßt in achtundneunzig von hundert Fällen seine
alte Heimat, weil sie ihm nicht das geboten hat , was er glaubte im Leben
erhoffen zu dürfen, und sucht das neue Land auf im Vertrauen auf günstigere
Existenzbedingungen und in der Absicht, ein guter Bürger des neuen Staates
zu werden, der ihm die gastliche Aufnahme gewährt. Ob dieses Aufgehen zahl¬
reicher reichsdeutscher Elemente in der Union nicht hätte ersetzt werden können
durch eine planmäßige Ableitung der Allswanderung in wirtschaftlich ebenso
günstige Länder, z. B. Argentinien, in denen ein überwiegend deutsches Element
schließlich zur Ausdehnung der politischen Macht des Deutschen Reiches hätte
führen können, ist eine andere Frage; so wie die Verhältnisse aber bei der
Union liegen, wird man logischerweise von den deutschen Einwanderern nicht
etwa verlangen können, daß sie eine einheitliche Gruppe bilden müßten, die
gewissermaßen auch politisch mit dem alten Vaterlande in Verbindung bliebe.

Ebenso darf man aber auch auf der entgegengesetzten Seite nicht zu weit
gehen, indem man etwa sagte: Wenn der Auswanderer in den neuen Staat
eintritt und dort den Bürgereid leistet, so ist er eben nur noch Amerikaner, er
kann seinerseits seinem früheren Staate und Volke gegenüber tun und lassen,
was er will. Denn er geht uns nichts mehr an; für uns ist er nichts anderes
wie jeder andere Ausländer.

Diese Lösung der deutsch-amerikanischen Frage wäre ja eine sehr radikale
und leichte, aber eben deswegen auch keine erschöpfende und zutreffende.

Wenn wir davon ausgehen, daß die heutige Entwicklung der europäischen
Reiche im wesentlichen besteht in einer Entwicklung der Nationalitüten auf Grund
der Bewahrung und Vervollkommnung der Rasseneigentüinlichkeiten, so werden
wir von dem Amerikaner deutscher Abstanunung verlangell dürfen, daß er die¬
jenigen Eigentümlichkeiten seiner Art, die sein Muttervolk groß gemacht haben,


Deutsch-Amerikaner

Lande nur die vielleicht günstigeren Verhältnisse ausnutzen, dort seine Geschäfte
treiben und nach erreichten: Erfolge in Deutschland wieder die Früchte seiner
Mühen genießen. Würde ein solcher Mensch in dem fremden Lande seine
deutsche Abstammung verleugnen und den Einwohner des betreffenden Landes
kopieren wollen, was ja auf unsere Landsleute gerade in englischen Ländern und
Kolonien einen gewissen Reiz auszuüben scheint — so würde man das mit
Recht beschämend und lächerlich finden.

Anders der Auswanderer nach der Union!

Die Vereinigten Staaten von Nordamerika sind ein Staatswesen, das sich
durch den freien Zusammenschluß von Einwanderern aus Europa auf dem neuen
Kontinent gebildet hat. Dieser Gründungsakt erneuert sich gewissermaßen noch
jeden Tag, indem die fortwährend zuströmenden Scharen von Auswanderern
in dieses Staatengebilde eintreten und durch Ableistung des Bürgereides sagen:
Wir wollen helfen, diesen neuen Staat weiter auszubauen und eine neue Volks-
rasse zu gründen.

Der Auswanderer aus Deutschland ist meist formell aus seinem alten
Staatsverbande entlassen, er verläßt in achtundneunzig von hundert Fällen seine
alte Heimat, weil sie ihm nicht das geboten hat , was er glaubte im Leben
erhoffen zu dürfen, und sucht das neue Land auf im Vertrauen auf günstigere
Existenzbedingungen und in der Absicht, ein guter Bürger des neuen Staates
zu werden, der ihm die gastliche Aufnahme gewährt. Ob dieses Aufgehen zahl¬
reicher reichsdeutscher Elemente in der Union nicht hätte ersetzt werden können
durch eine planmäßige Ableitung der Allswanderung in wirtschaftlich ebenso
günstige Länder, z. B. Argentinien, in denen ein überwiegend deutsches Element
schließlich zur Ausdehnung der politischen Macht des Deutschen Reiches hätte
führen können, ist eine andere Frage; so wie die Verhältnisse aber bei der
Union liegen, wird man logischerweise von den deutschen Einwanderern nicht
etwa verlangen können, daß sie eine einheitliche Gruppe bilden müßten, die
gewissermaßen auch politisch mit dem alten Vaterlande in Verbindung bliebe.

Ebenso darf man aber auch auf der entgegengesetzten Seite nicht zu weit
gehen, indem man etwa sagte: Wenn der Auswanderer in den neuen Staat
eintritt und dort den Bürgereid leistet, so ist er eben nur noch Amerikaner, er
kann seinerseits seinem früheren Staate und Volke gegenüber tun und lassen,
was er will. Denn er geht uns nichts mehr an; für uns ist er nichts anderes
wie jeder andere Ausländer.

Diese Lösung der deutsch-amerikanischen Frage wäre ja eine sehr radikale
und leichte, aber eben deswegen auch keine erschöpfende und zutreffende.

Wenn wir davon ausgehen, daß die heutige Entwicklung der europäischen
Reiche im wesentlichen besteht in einer Entwicklung der Nationalitüten auf Grund
der Bewahrung und Vervollkommnung der Rasseneigentüinlichkeiten, so werden
wir von dem Amerikaner deutscher Abstanunung verlangell dürfen, daß er die¬
jenigen Eigentümlichkeiten seiner Art, die sein Muttervolk groß gemacht haben,


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[0206] Deutsch-Amerikaner Lande nur die vielleicht günstigeren Verhältnisse ausnutzen, dort seine Geschäfte treiben und nach erreichten: Erfolge in Deutschland wieder die Früchte seiner Mühen genießen. Würde ein solcher Mensch in dem fremden Lande seine deutsche Abstammung verleugnen und den Einwohner des betreffenden Landes kopieren wollen, was ja auf unsere Landsleute gerade in englischen Ländern und Kolonien einen gewissen Reiz auszuüben scheint — so würde man das mit Recht beschämend und lächerlich finden. Anders der Auswanderer nach der Union! Die Vereinigten Staaten von Nordamerika sind ein Staatswesen, das sich durch den freien Zusammenschluß von Einwanderern aus Europa auf dem neuen Kontinent gebildet hat. Dieser Gründungsakt erneuert sich gewissermaßen noch jeden Tag, indem die fortwährend zuströmenden Scharen von Auswanderern in dieses Staatengebilde eintreten und durch Ableistung des Bürgereides sagen: Wir wollen helfen, diesen neuen Staat weiter auszubauen und eine neue Volks- rasse zu gründen. Der Auswanderer aus Deutschland ist meist formell aus seinem alten Staatsverbande entlassen, er verläßt in achtundneunzig von hundert Fällen seine alte Heimat, weil sie ihm nicht das geboten hat , was er glaubte im Leben erhoffen zu dürfen, und sucht das neue Land auf im Vertrauen auf günstigere Existenzbedingungen und in der Absicht, ein guter Bürger des neuen Staates zu werden, der ihm die gastliche Aufnahme gewährt. Ob dieses Aufgehen zahl¬ reicher reichsdeutscher Elemente in der Union nicht hätte ersetzt werden können durch eine planmäßige Ableitung der Allswanderung in wirtschaftlich ebenso günstige Länder, z. B. Argentinien, in denen ein überwiegend deutsches Element schließlich zur Ausdehnung der politischen Macht des Deutschen Reiches hätte führen können, ist eine andere Frage; so wie die Verhältnisse aber bei der Union liegen, wird man logischerweise von den deutschen Einwanderern nicht etwa verlangen können, daß sie eine einheitliche Gruppe bilden müßten, die gewissermaßen auch politisch mit dem alten Vaterlande in Verbindung bliebe. Ebenso darf man aber auch auf der entgegengesetzten Seite nicht zu weit gehen, indem man etwa sagte: Wenn der Auswanderer in den neuen Staat eintritt und dort den Bürgereid leistet, so ist er eben nur noch Amerikaner, er kann seinerseits seinem früheren Staate und Volke gegenüber tun und lassen, was er will. Denn er geht uns nichts mehr an; für uns ist er nichts anderes wie jeder andere Ausländer. Diese Lösung der deutsch-amerikanischen Frage wäre ja eine sehr radikale und leichte, aber eben deswegen auch keine erschöpfende und zutreffende. Wenn wir davon ausgehen, daß die heutige Entwicklung der europäischen Reiche im wesentlichen besteht in einer Entwicklung der Nationalitüten auf Grund der Bewahrung und Vervollkommnung der Rasseneigentüinlichkeiten, so werden wir von dem Amerikaner deutscher Abstanunung verlangell dürfen, daß er die¬ jenigen Eigentümlichkeiten seiner Art, die sein Muttervolk groß gemacht haben,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_317612/206>, abgerufen am 04.07.2024.