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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr.

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Deutsch-Amerikaner

die selbst erst aus Deutschland eingewandert waren, von ihrem früheren Vater¬
lande in wegwerfender und wenig anhänglicher Weise sprachen und so diese
Kritik vollauf verdient hätten.

Als ich einmal einen Fabrikbesitzer aus einer größeren Stadt im Osten, der
nur gleich erzählte, daß sein Bruder eine höhere Stelle im preußischen Staatsdienste
erreicht habe, fragte, ob er nun, nachdem er es hier zu Ansehen und Wohlstand
gebracht habe, nicht den Wunsch habe, daß seine Kinder wieder nach Deutschland
zurückkehrten, erhielt ich zur Antwort: "Das kann ich meinen Kindern doch nicht
zumuten, sie aus den freien Verhältnissen hier herauszureißen und sie wieder
nach Deutschland zu schicken." Dasselbe nur in schärferer Form kann ich aus
dem Staate Colorado berichten. Dort fiel auf die gleiche von einem in Denver
wohnenden Herrn an einen Deutsch-Amerikaner gerichtete Frage einer der
Nebenstehenden ins Wort und sagte: "Na, so verrückt wirst du doch nicht sein,
deine Kinder wieder nach Deutschland zu schicken".

Dem deutschen Botschafter wurde einmal bei der Besichtigung einer
Universität ein Kastellan vorgestellt, der in Deutschland die Feldzüge mitgemacht
hatte. Auf die Frage des Botschafters, ob er denn nicht gerne wieder zurück
wolle, war der Veteran ganz erstaunt und sagte: "Nein, wer aus Deutschland
einmal heraus ist, der will doch nicht wieder zurück."

Aber diese Fälle sind doch nicht etwa als die Regel anzusehen. Oder
ständen sonst die sich stets vermehrenden deutschen Klubs und Vereine, die
geselligen Vereine, die Hermannsbrüder, die Gesang-, Theater-, Schützenvereine,
sogar die deutschen Kriegervereine in solcher Blüte?*) Gerade die dem
Deutschen angeborene Freude an soldatischen: Wesen scheint lange vorzuhalten.

Sehr interessant war die Bekundung eines jüdischen Direktors einer Großbank.
Er stammte aus dem Schwarzwald, und so oft er konnte, fuhr er nach Europa
und besuchte sein heimatliches Schwarzwalddörfchen. Dieser sagte: "Wir mögen
hier noch so große Erfolge haben, es mag uns fo gut gehen, wie es will, eines
bleibt: das Heimweh, das werden wir nicht los".

So stehen sich die verschiedenartigsten Bekundungen von Deutsch-Amerikanern
über ihr Verhältnis zum frühere" Vaterlande gegenüber, und es ist schwer, sich
zu einem richtigen Urteile hindurch zu finden. Eins scheint mir oft verkannt zu
sein, das ist Motiv und Zweck der Auswanderung des Deutschen nach den
Vereinigten Staaten. Der Deutsche, der nach einem anderen fremden Lande,
sei es nach Spanien, Marokko, Britisch-Indien, Japan oder einer Kolonie
geht, hat nicht die Absicht, aus seinem alten Staate auszutreten und nun
Spanier, Japaner oder Engländer zu werden, sondern er will in dem fremden



") Bei letzteren, die einerseits nur Leute aufnehmen, die unter der Fahne des Deutschen
Kaisers ihrer Wehrpflicht genügt haben, ist es ja ein sonderbarer Widerspruch, daß sie auf der
anderen Seite es zur Bedingung machen, das; der Neuaufzunehmende daS amerikanische
Bürgerrecht besitze. Beim Erwerb des Bürgerrechts hat er aber zu schwören Treue zur
Union und abzuschwören seinem früheren Herrscher, iusbesandere dein Deutschen Kaiser.
Deutsch-Amerikaner

die selbst erst aus Deutschland eingewandert waren, von ihrem früheren Vater¬
lande in wegwerfender und wenig anhänglicher Weise sprachen und so diese
Kritik vollauf verdient hätten.

Als ich einmal einen Fabrikbesitzer aus einer größeren Stadt im Osten, der
nur gleich erzählte, daß sein Bruder eine höhere Stelle im preußischen Staatsdienste
erreicht habe, fragte, ob er nun, nachdem er es hier zu Ansehen und Wohlstand
gebracht habe, nicht den Wunsch habe, daß seine Kinder wieder nach Deutschland
zurückkehrten, erhielt ich zur Antwort: „Das kann ich meinen Kindern doch nicht
zumuten, sie aus den freien Verhältnissen hier herauszureißen und sie wieder
nach Deutschland zu schicken." Dasselbe nur in schärferer Form kann ich aus
dem Staate Colorado berichten. Dort fiel auf die gleiche von einem in Denver
wohnenden Herrn an einen Deutsch-Amerikaner gerichtete Frage einer der
Nebenstehenden ins Wort und sagte: „Na, so verrückt wirst du doch nicht sein,
deine Kinder wieder nach Deutschland zu schicken".

Dem deutschen Botschafter wurde einmal bei der Besichtigung einer
Universität ein Kastellan vorgestellt, der in Deutschland die Feldzüge mitgemacht
hatte. Auf die Frage des Botschafters, ob er denn nicht gerne wieder zurück
wolle, war der Veteran ganz erstaunt und sagte: „Nein, wer aus Deutschland
einmal heraus ist, der will doch nicht wieder zurück."

Aber diese Fälle sind doch nicht etwa als die Regel anzusehen. Oder
ständen sonst die sich stets vermehrenden deutschen Klubs und Vereine, die
geselligen Vereine, die Hermannsbrüder, die Gesang-, Theater-, Schützenvereine,
sogar die deutschen Kriegervereine in solcher Blüte?*) Gerade die dem
Deutschen angeborene Freude an soldatischen: Wesen scheint lange vorzuhalten.

Sehr interessant war die Bekundung eines jüdischen Direktors einer Großbank.
Er stammte aus dem Schwarzwald, und so oft er konnte, fuhr er nach Europa
und besuchte sein heimatliches Schwarzwalddörfchen. Dieser sagte: „Wir mögen
hier noch so große Erfolge haben, es mag uns fo gut gehen, wie es will, eines
bleibt: das Heimweh, das werden wir nicht los".

So stehen sich die verschiedenartigsten Bekundungen von Deutsch-Amerikanern
über ihr Verhältnis zum frühere» Vaterlande gegenüber, und es ist schwer, sich
zu einem richtigen Urteile hindurch zu finden. Eins scheint mir oft verkannt zu
sein, das ist Motiv und Zweck der Auswanderung des Deutschen nach den
Vereinigten Staaten. Der Deutsche, der nach einem anderen fremden Lande,
sei es nach Spanien, Marokko, Britisch-Indien, Japan oder einer Kolonie
geht, hat nicht die Absicht, aus seinem alten Staate auszutreten und nun
Spanier, Japaner oder Engländer zu werden, sondern er will in dem fremden



") Bei letzteren, die einerseits nur Leute aufnehmen, die unter der Fahne des Deutschen
Kaisers ihrer Wehrpflicht genügt haben, ist es ja ein sonderbarer Widerspruch, daß sie auf der
anderen Seite es zur Bedingung machen, das; der Neuaufzunehmende daS amerikanische
Bürgerrecht besitze. Beim Erwerb des Bürgerrechts hat er aber zu schwören Treue zur
Union und abzuschwören seinem früheren Herrscher, iusbesandere dein Deutschen Kaiser.
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[0205] Deutsch-Amerikaner die selbst erst aus Deutschland eingewandert waren, von ihrem früheren Vater¬ lande in wegwerfender und wenig anhänglicher Weise sprachen und so diese Kritik vollauf verdient hätten. Als ich einmal einen Fabrikbesitzer aus einer größeren Stadt im Osten, der nur gleich erzählte, daß sein Bruder eine höhere Stelle im preußischen Staatsdienste erreicht habe, fragte, ob er nun, nachdem er es hier zu Ansehen und Wohlstand gebracht habe, nicht den Wunsch habe, daß seine Kinder wieder nach Deutschland zurückkehrten, erhielt ich zur Antwort: „Das kann ich meinen Kindern doch nicht zumuten, sie aus den freien Verhältnissen hier herauszureißen und sie wieder nach Deutschland zu schicken." Dasselbe nur in schärferer Form kann ich aus dem Staate Colorado berichten. Dort fiel auf die gleiche von einem in Denver wohnenden Herrn an einen Deutsch-Amerikaner gerichtete Frage einer der Nebenstehenden ins Wort und sagte: „Na, so verrückt wirst du doch nicht sein, deine Kinder wieder nach Deutschland zu schicken". Dem deutschen Botschafter wurde einmal bei der Besichtigung einer Universität ein Kastellan vorgestellt, der in Deutschland die Feldzüge mitgemacht hatte. Auf die Frage des Botschafters, ob er denn nicht gerne wieder zurück wolle, war der Veteran ganz erstaunt und sagte: „Nein, wer aus Deutschland einmal heraus ist, der will doch nicht wieder zurück." Aber diese Fälle sind doch nicht etwa als die Regel anzusehen. Oder ständen sonst die sich stets vermehrenden deutschen Klubs und Vereine, die geselligen Vereine, die Hermannsbrüder, die Gesang-, Theater-, Schützenvereine, sogar die deutschen Kriegervereine in solcher Blüte?*) Gerade die dem Deutschen angeborene Freude an soldatischen: Wesen scheint lange vorzuhalten. Sehr interessant war die Bekundung eines jüdischen Direktors einer Großbank. Er stammte aus dem Schwarzwald, und so oft er konnte, fuhr er nach Europa und besuchte sein heimatliches Schwarzwalddörfchen. Dieser sagte: „Wir mögen hier noch so große Erfolge haben, es mag uns fo gut gehen, wie es will, eines bleibt: das Heimweh, das werden wir nicht los". So stehen sich die verschiedenartigsten Bekundungen von Deutsch-Amerikanern über ihr Verhältnis zum frühere» Vaterlande gegenüber, und es ist schwer, sich zu einem richtigen Urteile hindurch zu finden. Eins scheint mir oft verkannt zu sein, das ist Motiv und Zweck der Auswanderung des Deutschen nach den Vereinigten Staaten. Der Deutsche, der nach einem anderen fremden Lande, sei es nach Spanien, Marokko, Britisch-Indien, Japan oder einer Kolonie geht, hat nicht die Absicht, aus seinem alten Staate auszutreten und nun Spanier, Japaner oder Engländer zu werden, sondern er will in dem fremden ") Bei letzteren, die einerseits nur Leute aufnehmen, die unter der Fahne des Deutschen Kaisers ihrer Wehrpflicht genügt haben, ist es ja ein sonderbarer Widerspruch, daß sie auf der anderen Seite es zur Bedingung machen, das; der Neuaufzunehmende daS amerikanische Bürgerrecht besitze. Beim Erwerb des Bürgerrechts hat er aber zu schwören Treue zur Union und abzuschwören seinem früheren Herrscher, iusbesandere dein Deutschen Kaiser.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_317612/205>, abgerufen am 28.12.2024.