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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr.

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Deutsch-Amerikaner

im fremden Lande nicht ohne weiteres über Bord wirft. Mag er ein guter
Bürger des neuen Staates werden -- und das ist er wohl fast stets --, aber
verstehe er es auch, die guten Seiten seiner deutschen Art sich möglichst zu
erhalten und seinen Kindern zu vererben, und bedenke er, daß unter den Eigen¬
arten einer Nasse die Sprache mit der wertvollste Besitz ist. Es mag zu¬
gegeben sein, daß in dieser Hinsicht die Verhältnisse in den Vereinigten Staaten
recht schwierig waren. Bis in die letzte Zeit wurde der Dutschman gerne als
eine komische Figur hingestellt, die auch in keiner Theaterposse fehlte. Ein gut¬
mütiger, langsamer Tölpel, der von den anderen immer gehänselt wird und stets
zu spät kommt, so wurde er dargestellt. War nun in einer deutsch-amerikanischen
Familie im Hause die deutsche Sprache gepflegt worden und ein Kind kam in die
Schule, so gab der Mangel an Fertigkeit im Englischen den anderen Kindern will¬
kommene Gelegenheit, über den Llow ciutetiman zu spotten. Und da ist es
doch erklärlich, daß die Kinder sich mit erhöhtem Eifer der englischen Sprache
Hingaben, um nicht ihren Mitschülern, die ohnehin schon zum Spott neigten,
auch noch in dieser Beziehung unterlegen zu erscheinen. Dasselbe Motiv hat
auch die Erwachsenen so oft schnell ihre deutsche Sprache vergessen und sich der
englischen hingebe,! lassen; es war eben notwendig, um nicht im wirtschaftlichen
Kampfe den: zahlreicheren englischen Elemente gegenüber der Unterlegenere zu
sein. Die scharfe Verurteilung, die sie deshalb von Deutschland aus erfahren,
beruht wohl oft auf uicht genügender Kenntnis der Verhältnisse. Welche Schwierig¬
keiten es macht, in einer Familie die deutsche Sprache in der zweiten und folgenden
Generation zu bewahren, und welche Achtung das verdient, das kann wohl nur der¬
jenige beurteilen, der sich die Verhältnisse in Amerika unbefangen angesehen hat.

Und dann noch eins. Bis vor wenigen Jahrzehnten traf der deutsche
Einwanderer drüben ein Volk, das ihm politisch überlegen war, und dem eng¬
lischen Einwanderer gegenüber hatte er dies Gefühl wohl auch; und was gab
denn bis zum Jahre 1870 dem deutscheu Einwanderer den nötigen Hintergrund
für ein nationales und politisches Selbstbewußtsein? Wie das neue Deutsche
Reich als Weltmacht immermehr in Achtung und Ansehen steigt, so hat sich auch in den
Vereinigten Staaten die allgemeine Achtung vor dem deutschen Element in den letzten
Jahren bedeutend gehoben. In früherer Zeit war, abgesehen von der achtund-
vierziger Zeit, die deutsche Einwanderung zwar quantitativ zahlreich, doch qualitativ
nicht hochstehend gewesen. Jetzt geht eine große Zahl gebildeter junger Leute.
Kaufleute, Techniker, Ingenieure, Ärzte, Gelehrte nach drüben, und handelt es
sich bei ihnen auch meistens um einen vorübergehenden Aufenthalt, so haben sie
ein gut Teil dazu beigetragen, um die Achtung vor dem deutschen Stamme zu
heben und zu befestigen. Mögen darum aber auch die Deutsch-Amerikaner sich
daran erinnern, daß jemehr auf der einen Seite die Achtung vor dem Deutschtum
im allgemeinen steigt, um so größer und dringlicher für sie die Pflicht wird,
für die Erhaltung ihrer Stammesart einzutreten.




Grenzboten I 1911^
Deutsch-Amerikaner

im fremden Lande nicht ohne weiteres über Bord wirft. Mag er ein guter
Bürger des neuen Staates werden — und das ist er wohl fast stets —, aber
verstehe er es auch, die guten Seiten seiner deutschen Art sich möglichst zu
erhalten und seinen Kindern zu vererben, und bedenke er, daß unter den Eigen¬
arten einer Nasse die Sprache mit der wertvollste Besitz ist. Es mag zu¬
gegeben sein, daß in dieser Hinsicht die Verhältnisse in den Vereinigten Staaten
recht schwierig waren. Bis in die letzte Zeit wurde der Dutschman gerne als
eine komische Figur hingestellt, die auch in keiner Theaterposse fehlte. Ein gut¬
mütiger, langsamer Tölpel, der von den anderen immer gehänselt wird und stets
zu spät kommt, so wurde er dargestellt. War nun in einer deutsch-amerikanischen
Familie im Hause die deutsche Sprache gepflegt worden und ein Kind kam in die
Schule, so gab der Mangel an Fertigkeit im Englischen den anderen Kindern will¬
kommene Gelegenheit, über den Llow ciutetiman zu spotten. Und da ist es
doch erklärlich, daß die Kinder sich mit erhöhtem Eifer der englischen Sprache
Hingaben, um nicht ihren Mitschülern, die ohnehin schon zum Spott neigten,
auch noch in dieser Beziehung unterlegen zu erscheinen. Dasselbe Motiv hat
auch die Erwachsenen so oft schnell ihre deutsche Sprache vergessen und sich der
englischen hingebe,! lassen; es war eben notwendig, um nicht im wirtschaftlichen
Kampfe den: zahlreicheren englischen Elemente gegenüber der Unterlegenere zu
sein. Die scharfe Verurteilung, die sie deshalb von Deutschland aus erfahren,
beruht wohl oft auf uicht genügender Kenntnis der Verhältnisse. Welche Schwierig¬
keiten es macht, in einer Familie die deutsche Sprache in der zweiten und folgenden
Generation zu bewahren, und welche Achtung das verdient, das kann wohl nur der¬
jenige beurteilen, der sich die Verhältnisse in Amerika unbefangen angesehen hat.

Und dann noch eins. Bis vor wenigen Jahrzehnten traf der deutsche
Einwanderer drüben ein Volk, das ihm politisch überlegen war, und dem eng¬
lischen Einwanderer gegenüber hatte er dies Gefühl wohl auch; und was gab
denn bis zum Jahre 1870 dem deutscheu Einwanderer den nötigen Hintergrund
für ein nationales und politisches Selbstbewußtsein? Wie das neue Deutsche
Reich als Weltmacht immermehr in Achtung und Ansehen steigt, so hat sich auch in den
Vereinigten Staaten die allgemeine Achtung vor dem deutschen Element in den letzten
Jahren bedeutend gehoben. In früherer Zeit war, abgesehen von der achtund-
vierziger Zeit, die deutsche Einwanderung zwar quantitativ zahlreich, doch qualitativ
nicht hochstehend gewesen. Jetzt geht eine große Zahl gebildeter junger Leute.
Kaufleute, Techniker, Ingenieure, Ärzte, Gelehrte nach drüben, und handelt es
sich bei ihnen auch meistens um einen vorübergehenden Aufenthalt, so haben sie
ein gut Teil dazu beigetragen, um die Achtung vor dem deutschen Stamme zu
heben und zu befestigen. Mögen darum aber auch die Deutsch-Amerikaner sich
daran erinnern, daß jemehr auf der einen Seite die Achtung vor dem Deutschtum
im allgemeinen steigt, um so größer und dringlicher für sie die Pflicht wird,
für die Erhaltung ihrer Stammesart einzutreten.




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[0207] Deutsch-Amerikaner im fremden Lande nicht ohne weiteres über Bord wirft. Mag er ein guter Bürger des neuen Staates werden — und das ist er wohl fast stets —, aber verstehe er es auch, die guten Seiten seiner deutschen Art sich möglichst zu erhalten und seinen Kindern zu vererben, und bedenke er, daß unter den Eigen¬ arten einer Nasse die Sprache mit der wertvollste Besitz ist. Es mag zu¬ gegeben sein, daß in dieser Hinsicht die Verhältnisse in den Vereinigten Staaten recht schwierig waren. Bis in die letzte Zeit wurde der Dutschman gerne als eine komische Figur hingestellt, die auch in keiner Theaterposse fehlte. Ein gut¬ mütiger, langsamer Tölpel, der von den anderen immer gehänselt wird und stets zu spät kommt, so wurde er dargestellt. War nun in einer deutsch-amerikanischen Familie im Hause die deutsche Sprache gepflegt worden und ein Kind kam in die Schule, so gab der Mangel an Fertigkeit im Englischen den anderen Kindern will¬ kommene Gelegenheit, über den Llow ciutetiman zu spotten. Und da ist es doch erklärlich, daß die Kinder sich mit erhöhtem Eifer der englischen Sprache Hingaben, um nicht ihren Mitschülern, die ohnehin schon zum Spott neigten, auch noch in dieser Beziehung unterlegen zu erscheinen. Dasselbe Motiv hat auch die Erwachsenen so oft schnell ihre deutsche Sprache vergessen und sich der englischen hingebe,! lassen; es war eben notwendig, um nicht im wirtschaftlichen Kampfe den: zahlreicheren englischen Elemente gegenüber der Unterlegenere zu sein. Die scharfe Verurteilung, die sie deshalb von Deutschland aus erfahren, beruht wohl oft auf uicht genügender Kenntnis der Verhältnisse. Welche Schwierig¬ keiten es macht, in einer Familie die deutsche Sprache in der zweiten und folgenden Generation zu bewahren, und welche Achtung das verdient, das kann wohl nur der¬ jenige beurteilen, der sich die Verhältnisse in Amerika unbefangen angesehen hat. Und dann noch eins. Bis vor wenigen Jahrzehnten traf der deutsche Einwanderer drüben ein Volk, das ihm politisch überlegen war, und dem eng¬ lischen Einwanderer gegenüber hatte er dies Gefühl wohl auch; und was gab denn bis zum Jahre 1870 dem deutscheu Einwanderer den nötigen Hintergrund für ein nationales und politisches Selbstbewußtsein? Wie das neue Deutsche Reich als Weltmacht immermehr in Achtung und Ansehen steigt, so hat sich auch in den Vereinigten Staaten die allgemeine Achtung vor dem deutschen Element in den letzten Jahren bedeutend gehoben. In früherer Zeit war, abgesehen von der achtund- vierziger Zeit, die deutsche Einwanderung zwar quantitativ zahlreich, doch qualitativ nicht hochstehend gewesen. Jetzt geht eine große Zahl gebildeter junger Leute. Kaufleute, Techniker, Ingenieure, Ärzte, Gelehrte nach drüben, und handelt es sich bei ihnen auch meistens um einen vorübergehenden Aufenthalt, so haben sie ein gut Teil dazu beigetragen, um die Achtung vor dem deutschen Stamme zu heben und zu befestigen. Mögen darum aber auch die Deutsch-Amerikaner sich daran erinnern, daß jemehr auf der einen Seite die Achtung vor dem Deutschtum im allgemeinen steigt, um so größer und dringlicher für sie die Pflicht wird, für die Erhaltung ihrer Stammesart einzutreten. Grenzboten I 1911^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_317612/207>, abgerufen am 04.07.2024.