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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

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Die Völker des Alten Testaments

Durchtrocknen der Ziegel vermieden. Die Stärke der oberen Ziegelmauer ist
bei den einzelnen Festungen sehr verschieden, stellenweise beträgt sie nur 2 in,
stellenweise war die Mauer so dick, daß zwei Wagen nebeneinander darauf
fahren konnten, und in Megiddo ist gar eine Stärke von 8 in beobachtet worden.
Manche Festungen waren außerdem noch mit mächtigen Türmen bewehrt.

Entstanden sind alle diese Ringmauern in der ersten Hälfte des zweiten
Jahrtausends, als die auswärtige Politik am Hofe der Pharaonen ihre Augen
immer mehr auf Syrien und Palästina richtete und sich die kriegerischen Einfälle
und systematischen Eroberungszüge der Ägypter bereits vorbereiteten. In
Palästina verkannte man die dadurch gegebene Situation nicht, und man suchte
den Gelüsten der ägyptischen Eroberer durch die Anlage fester Plätze entgegen¬
zuwirken, und so entstanden damals jene "großen und festen Städte Kanaans,
vermauert bis an den Himmel", die den einfallenden Jsraeliten später so viel
Mühe machten.

Um die Mitte des zweiten Jahrtausends brach die erste große Katastrophe
über Palästina und Syrien herein, die sich bei den Ausgrabungen an vielen
Stellen durch eine mächtige Brandschicht hat erkennen lassen. Wohl waren
bereits größere Gebiete in Palästina den Ägyptern seit geraumer Zeit tribut¬
pflichtig gewesen, als aber infolge der inneren politischen Lage sowie der Thron¬
wirren am Hofe zu Theben längere Zeit ein ägyptisches Heer sich in Palästina
nicht hatte sehen lassen, kümmerten sich die kleinen Könige und Herren nicht
mehr um die Oberhoheit des Pharao, verweigerten den Tribut und schlössen
sich unter der Oberhoheit des Königs von Kadesch zu einem allgemeinen Städte-
bund zusammen. Der Pharao, Thutmosis der Dritte, konnte, solange seine
Gemahlin und Mitregentin Hatschepsowet lebte, nicht gegen Palästina und Syrien
zu Felde ziehen; er durfte Ägypten nicht verlassen, da nicht abzusehen war,
wie sich während seiner Abwesenheit die Dinge am Hofe infolge der Intrigen
seiner Gemahlin und ihrer Partei gestalten würden. Aber kaum hatte Hat¬
schepsowet die Augen geschlossen, finden wir Thutmosis mit Heeresmacht in
Palästina, wo er zunächst Megiddo und im weiteren Verlauf seiner Kriege eine
ganze Reihe der kananitischen und syrischen Festungen erobert und zerstört.

Überall haben die Ausgrabungen gezeigt, wie die Festungen durch Feuer
und Schwert zugrunde gegangen sind. Durch die Glut des Feuers sind die
Lehmziegel der Mauern gebrannt und zu Backsteinen geworden, das Balkenwerk
ist verkohlt, und eine mächtige, bis zu 2 in starke Brandschicht von Asche und
Kohle breitet sich über die Trümmer der gesamten Ansiedlungen.

Wann diese Festungen wieder aufgebaut sind, ist nicht immer deutlich zu
erkennen; einige Städte scheinen nach Maßgabe der Funde einige Zeit unbebaut
gelegen zu haben, andere werden sofort wieder erstanden sein, und zwar
wiederum als mächtige Burgen in der Art ihrer Vorgänger; nur nähert sich
die Bauweise jetzt etwas mehr der ägyptischen Art, wie denn überhaupt der ägyptische
Einfluß für die Folgezeit herrschend wird und immer mehr an Bedeutung gewinnt.


Die Völker des Alten Testaments

Durchtrocknen der Ziegel vermieden. Die Stärke der oberen Ziegelmauer ist
bei den einzelnen Festungen sehr verschieden, stellenweise beträgt sie nur 2 in,
stellenweise war die Mauer so dick, daß zwei Wagen nebeneinander darauf
fahren konnten, und in Megiddo ist gar eine Stärke von 8 in beobachtet worden.
Manche Festungen waren außerdem noch mit mächtigen Türmen bewehrt.

Entstanden sind alle diese Ringmauern in der ersten Hälfte des zweiten
Jahrtausends, als die auswärtige Politik am Hofe der Pharaonen ihre Augen
immer mehr auf Syrien und Palästina richtete und sich die kriegerischen Einfälle
und systematischen Eroberungszüge der Ägypter bereits vorbereiteten. In
Palästina verkannte man die dadurch gegebene Situation nicht, und man suchte
den Gelüsten der ägyptischen Eroberer durch die Anlage fester Plätze entgegen¬
zuwirken, und so entstanden damals jene „großen und festen Städte Kanaans,
vermauert bis an den Himmel", die den einfallenden Jsraeliten später so viel
Mühe machten.

Um die Mitte des zweiten Jahrtausends brach die erste große Katastrophe
über Palästina und Syrien herein, die sich bei den Ausgrabungen an vielen
Stellen durch eine mächtige Brandschicht hat erkennen lassen. Wohl waren
bereits größere Gebiete in Palästina den Ägyptern seit geraumer Zeit tribut¬
pflichtig gewesen, als aber infolge der inneren politischen Lage sowie der Thron¬
wirren am Hofe zu Theben längere Zeit ein ägyptisches Heer sich in Palästina
nicht hatte sehen lassen, kümmerten sich die kleinen Könige und Herren nicht
mehr um die Oberhoheit des Pharao, verweigerten den Tribut und schlössen
sich unter der Oberhoheit des Königs von Kadesch zu einem allgemeinen Städte-
bund zusammen. Der Pharao, Thutmosis der Dritte, konnte, solange seine
Gemahlin und Mitregentin Hatschepsowet lebte, nicht gegen Palästina und Syrien
zu Felde ziehen; er durfte Ägypten nicht verlassen, da nicht abzusehen war,
wie sich während seiner Abwesenheit die Dinge am Hofe infolge der Intrigen
seiner Gemahlin und ihrer Partei gestalten würden. Aber kaum hatte Hat¬
schepsowet die Augen geschlossen, finden wir Thutmosis mit Heeresmacht in
Palästina, wo er zunächst Megiddo und im weiteren Verlauf seiner Kriege eine
ganze Reihe der kananitischen und syrischen Festungen erobert und zerstört.

Überall haben die Ausgrabungen gezeigt, wie die Festungen durch Feuer
und Schwert zugrunde gegangen sind. Durch die Glut des Feuers sind die
Lehmziegel der Mauern gebrannt und zu Backsteinen geworden, das Balkenwerk
ist verkohlt, und eine mächtige, bis zu 2 in starke Brandschicht von Asche und
Kohle breitet sich über die Trümmer der gesamten Ansiedlungen.

Wann diese Festungen wieder aufgebaut sind, ist nicht immer deutlich zu
erkennen; einige Städte scheinen nach Maßgabe der Funde einige Zeit unbebaut
gelegen zu haben, andere werden sofort wieder erstanden sein, und zwar
wiederum als mächtige Burgen in der Art ihrer Vorgänger; nur nähert sich
die Bauweise jetzt etwas mehr der ägyptischen Art, wie denn überhaupt der ägyptische
Einfluß für die Folgezeit herrschend wird und immer mehr an Bedeutung gewinnt.


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[0567] Die Völker des Alten Testaments Durchtrocknen der Ziegel vermieden. Die Stärke der oberen Ziegelmauer ist bei den einzelnen Festungen sehr verschieden, stellenweise beträgt sie nur 2 in, stellenweise war die Mauer so dick, daß zwei Wagen nebeneinander darauf fahren konnten, und in Megiddo ist gar eine Stärke von 8 in beobachtet worden. Manche Festungen waren außerdem noch mit mächtigen Türmen bewehrt. Entstanden sind alle diese Ringmauern in der ersten Hälfte des zweiten Jahrtausends, als die auswärtige Politik am Hofe der Pharaonen ihre Augen immer mehr auf Syrien und Palästina richtete und sich die kriegerischen Einfälle und systematischen Eroberungszüge der Ägypter bereits vorbereiteten. In Palästina verkannte man die dadurch gegebene Situation nicht, und man suchte den Gelüsten der ägyptischen Eroberer durch die Anlage fester Plätze entgegen¬ zuwirken, und so entstanden damals jene „großen und festen Städte Kanaans, vermauert bis an den Himmel", die den einfallenden Jsraeliten später so viel Mühe machten. Um die Mitte des zweiten Jahrtausends brach die erste große Katastrophe über Palästina und Syrien herein, die sich bei den Ausgrabungen an vielen Stellen durch eine mächtige Brandschicht hat erkennen lassen. Wohl waren bereits größere Gebiete in Palästina den Ägyptern seit geraumer Zeit tribut¬ pflichtig gewesen, als aber infolge der inneren politischen Lage sowie der Thron¬ wirren am Hofe zu Theben längere Zeit ein ägyptisches Heer sich in Palästina nicht hatte sehen lassen, kümmerten sich die kleinen Könige und Herren nicht mehr um die Oberhoheit des Pharao, verweigerten den Tribut und schlössen sich unter der Oberhoheit des Königs von Kadesch zu einem allgemeinen Städte- bund zusammen. Der Pharao, Thutmosis der Dritte, konnte, solange seine Gemahlin und Mitregentin Hatschepsowet lebte, nicht gegen Palästina und Syrien zu Felde ziehen; er durfte Ägypten nicht verlassen, da nicht abzusehen war, wie sich während seiner Abwesenheit die Dinge am Hofe infolge der Intrigen seiner Gemahlin und ihrer Partei gestalten würden. Aber kaum hatte Hat¬ schepsowet die Augen geschlossen, finden wir Thutmosis mit Heeresmacht in Palästina, wo er zunächst Megiddo und im weiteren Verlauf seiner Kriege eine ganze Reihe der kananitischen und syrischen Festungen erobert und zerstört. Überall haben die Ausgrabungen gezeigt, wie die Festungen durch Feuer und Schwert zugrunde gegangen sind. Durch die Glut des Feuers sind die Lehmziegel der Mauern gebrannt und zu Backsteinen geworden, das Balkenwerk ist verkohlt, und eine mächtige, bis zu 2 in starke Brandschicht von Asche und Kohle breitet sich über die Trümmer der gesamten Ansiedlungen. Wann diese Festungen wieder aufgebaut sind, ist nicht immer deutlich zu erkennen; einige Städte scheinen nach Maßgabe der Funde einige Zeit unbebaut gelegen zu haben, andere werden sofort wieder erstanden sein, und zwar wiederum als mächtige Burgen in der Art ihrer Vorgänger; nur nähert sich die Bauweise jetzt etwas mehr der ägyptischen Art, wie denn überhaupt der ägyptische Einfluß für die Folgezeit herrschend wird und immer mehr an Bedeutung gewinnt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/567>, abgerufen am 26.06.2024.