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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

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Die ZUnse Dentschamerikas

Auch die Schwaben haben ihre Dichter drüben, die für des Schwaben¬
landes Glorie singen. Eine ganze schwäbische Kulturgeschichte ist in den Versen:

Es ist freilich handgreiflich, daß eine solche Poesie der Realien eben nur
noch durch die Mundart erträglich bleibt. Natürlich haben die Reuter und
Klaus Groth drüben bei Mecklenburgern und Schleswig-Holsteinern Schule
gemacht, auch mehr reichlich als glänzend, aber doch mehr als einmal herzlich
und liebenswürdig. Da redet die ganze deutsche Gemütlichkeit mit ihren: guten
und üblen Beigeschmack. Mit ihr treiben unsere Landsleute drüben überhaupt
gern ein eifriges, oft leider in kokettierende Spießerhaftigkeit ausartendes Wesen.

Es ist die ganz eng beschränkte Weise des um einige Nasenlängen hinter
dem Zeitalter herhumpelnden Spießertums Johanns, des munteren Seifensieders
aus Biedermeiertagen und des Freundes, der ist "zufrieden, geh' es, wie es
will". Die ganze quietistische Ofenhockerweisheit eines stockigen Jahrzehnts.
Beliebt ist da natürlich vor allem auch die versifizierte und gereimte Anekdote
nach Reuterschem Muster. Über den harmlosesten Spaß hebt sich nur weniges.
Es ist hoch über dem meisten seinesgleichen, wenn einem Karl Münster in seiner
Geschichte vom vielgeplagten, aber schließlich stillvergnügt mit seiner Frau
Fielen und seinem Jungen hausenden Holzhacker Jochen Verse so idyllischer
Stimmung quillen, wie diese:

Besonderer Beachtung wert ist ein deutschamerikanischer Dialekt, der so,
wie er ist, nicht mit aus der alten Heimat gebracht wurde. Es ist das
pennsylvanische Deutsch, eine Mischsprache, entstanden im wesentlichen auf der


Die ZUnse Dentschamerikas

Auch die Schwaben haben ihre Dichter drüben, die für des Schwaben¬
landes Glorie singen. Eine ganze schwäbische Kulturgeschichte ist in den Versen:

Es ist freilich handgreiflich, daß eine solche Poesie der Realien eben nur
noch durch die Mundart erträglich bleibt. Natürlich haben die Reuter und
Klaus Groth drüben bei Mecklenburgern und Schleswig-Holsteinern Schule
gemacht, auch mehr reichlich als glänzend, aber doch mehr als einmal herzlich
und liebenswürdig. Da redet die ganze deutsche Gemütlichkeit mit ihren: guten
und üblen Beigeschmack. Mit ihr treiben unsere Landsleute drüben überhaupt
gern ein eifriges, oft leider in kokettierende Spießerhaftigkeit ausartendes Wesen.

Es ist die ganz eng beschränkte Weise des um einige Nasenlängen hinter
dem Zeitalter herhumpelnden Spießertums Johanns, des munteren Seifensieders
aus Biedermeiertagen und des Freundes, der ist „zufrieden, geh' es, wie es
will". Die ganze quietistische Ofenhockerweisheit eines stockigen Jahrzehnts.
Beliebt ist da natürlich vor allem auch die versifizierte und gereimte Anekdote
nach Reuterschem Muster. Über den harmlosesten Spaß hebt sich nur weniges.
Es ist hoch über dem meisten seinesgleichen, wenn einem Karl Münster in seiner
Geschichte vom vielgeplagten, aber schließlich stillvergnügt mit seiner Frau
Fielen und seinem Jungen hausenden Holzhacker Jochen Verse so idyllischer
Stimmung quillen, wie diese:

Besonderer Beachtung wert ist ein deutschamerikanischer Dialekt, der so,
wie er ist, nicht mit aus der alten Heimat gebracht wurde. Es ist das
pennsylvanische Deutsch, eine Mischsprache, entstanden im wesentlichen auf der


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[0387] Die ZUnse Dentschamerikas Auch die Schwaben haben ihre Dichter drüben, die für des Schwaben¬ landes Glorie singen. Eine ganze schwäbische Kulturgeschichte ist in den Versen: Es ist freilich handgreiflich, daß eine solche Poesie der Realien eben nur noch durch die Mundart erträglich bleibt. Natürlich haben die Reuter und Klaus Groth drüben bei Mecklenburgern und Schleswig-Holsteinern Schule gemacht, auch mehr reichlich als glänzend, aber doch mehr als einmal herzlich und liebenswürdig. Da redet die ganze deutsche Gemütlichkeit mit ihren: guten und üblen Beigeschmack. Mit ihr treiben unsere Landsleute drüben überhaupt gern ein eifriges, oft leider in kokettierende Spießerhaftigkeit ausartendes Wesen. Es ist die ganz eng beschränkte Weise des um einige Nasenlängen hinter dem Zeitalter herhumpelnden Spießertums Johanns, des munteren Seifensieders aus Biedermeiertagen und des Freundes, der ist „zufrieden, geh' es, wie es will". Die ganze quietistische Ofenhockerweisheit eines stockigen Jahrzehnts. Beliebt ist da natürlich vor allem auch die versifizierte und gereimte Anekdote nach Reuterschem Muster. Über den harmlosesten Spaß hebt sich nur weniges. Es ist hoch über dem meisten seinesgleichen, wenn einem Karl Münster in seiner Geschichte vom vielgeplagten, aber schließlich stillvergnügt mit seiner Frau Fielen und seinem Jungen hausenden Holzhacker Jochen Verse so idyllischer Stimmung quillen, wie diese: Besonderer Beachtung wert ist ein deutschamerikanischer Dialekt, der so, wie er ist, nicht mit aus der alten Heimat gebracht wurde. Es ist das pennsylvanische Deutsch, eine Mischsprache, entstanden im wesentlichen auf der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/387>, abgerufen am 22.07.2024.