Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.Die Muse Deutschamerikas Stammessondertum. Freilich geschieht es dann auch, daß etwa die Luxemburger, Die Sache ist nicht so unnatürlich, wie sie einem ersten flüchtigen Blick Bei einem dritten dieser "Letzeburger" Poeten findet sich dann dies naive Man sieht, der ganze Glaube an die Auserlesenheit des eigenen Stammes: Mit besonderem Erfolg weiß sich, wie daheim, so auch überm Wasser Wer tichtig Pnlzisch kann, der braucht Geradezu an den Klassiker der pfälzischen Dialektdichter, an Karl Gottfried Die Muse Deutschamerikas Stammessondertum. Freilich geschieht es dann auch, daß etwa die Luxemburger, Die Sache ist nicht so unnatürlich, wie sie einem ersten flüchtigen Blick Bei einem dritten dieser „Letzeburger" Poeten findet sich dann dies naive Man sieht, der ganze Glaube an die Auserlesenheit des eigenen Stammes: Mit besonderem Erfolg weiß sich, wie daheim, so auch überm Wasser Wer tichtig Pnlzisch kann, der braucht Geradezu an den Klassiker der pfälzischen Dialektdichter, an Karl Gottfried <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0385" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/317336"/> <fw type="header" place="top"> Die Muse Deutschamerikas</fw><lb/> <p xml:id="ID_1728" prev="#ID_1727"> Stammessondertum. Freilich geschieht es dann auch, daß etwa die Luxemburger,<lb/> hier uns verloren, sich drüben wieder als Deutsche finden und bekennen, freilich<lb/> als „Letzeburger" Deutsche, und ein Blättchen zur Pflege der Abneigung gegen<lb/> Preußen und ihres „Letzeburger Deitschs" gründen, wie drüben allerwärts die<lb/> Mecklenburger, Badener, Oldenburger, Sachsen ihre Mütterchen und ihre Gesang-<lb/> und Turnvereine haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1729"> Die Sache ist nicht so unnatürlich, wie sie einem ersten flüchtigen Blick<lb/> scheinen kann. Je ferner man der Heimat gerückt ist, desto fester heftet sich<lb/> das Heimatgefühl auf den engsten Heimatkreis, dem ja doch, zumal für primitive<lb/> Denk- und Gefühlsweise, alle wesentliche Heimaterinnerung und Heimatvorstellung<lb/> verdankt wird. So entstand denn drüben eine mundartliche Dichtung, die in<lb/> ihrem engeren und beschränkteren Kreis stellenweise eigenwüchsiger' und boden¬<lb/> ständiger ist als ihre hochdeutsche Schwester. Für eine Dichtung gemeindeutscher<lb/> Art und schwereren Stiles ist der deutsche Boden drüben zu wankend, weichend:</p><lb/> <quote/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p xml:id="ID_1730"> Bei einem dritten dieser „Letzeburger" Poeten findet sich dann dies naive<lb/> Deutschbekenntnis:</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_14" type="poem"> <l/> </lg><lb/> <p xml:id="ID_1731"> Man sieht, der ganze Glaube an die Auserlesenheit des eigenen Stammes:<lb/> Juden, Griechen, Letzeburger.</p><lb/> <p xml:id="ID_1732"> Mit besonderem Erfolg weiß sich, wie daheim, so auch überm Wasser<lb/> drüben der kleine lebendige Stamm der Pfälzer hörbar zu machen; sie wechselten<lb/> Land und Himmel, nicht ihren Sinn; sie blieben eben „Pälzer Krischer", ihres<lb/> Wertes vor allen andern sich vollbewußt, „denn die sin dumm un mer sin<lb/> g'Scheit". Lorenz Rohr, Chefredakteur des „Demokrat" von Evansville, dichtet<lb/> voll inniger Überzeugung sein Pfälzisch an als „die Sprovch der Sprooche".</p><lb/> <quote> Wer tichtig Pnlzisch kann, der braucht<lb/> Nooch armer'in net dick frooge.</quote><lb/> <p xml:id="ID_1733" next="#ID_1734"> Geradezu an den Klassiker der pfälzischen Dialektdichter, an Karl Gottfried<lb/> Nadler, der im vorderpfälzischen Dialekt zeitgeschichtliche Seelendokumente von<lb/> bleibendem Wert und weit mehr als nur lokaler Bedeutung geschaffen hat,<lb/> erinnert der Deutschamerikaner Georg Asmus, von der hessischen Linie des<lb/> Pfälzertums, der Amerika mit der ganzen Helläugigkeit feines Stammes angeschaut<lb/> und mit dessen ganzer Freude an spitzem Witz besungen hat. Wem wollte es</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0385]
Die Muse Deutschamerikas
Stammessondertum. Freilich geschieht es dann auch, daß etwa die Luxemburger,
hier uns verloren, sich drüben wieder als Deutsche finden und bekennen, freilich
als „Letzeburger" Deutsche, und ein Blättchen zur Pflege der Abneigung gegen
Preußen und ihres „Letzeburger Deitschs" gründen, wie drüben allerwärts die
Mecklenburger, Badener, Oldenburger, Sachsen ihre Mütterchen und ihre Gesang-
und Turnvereine haben.
Die Sache ist nicht so unnatürlich, wie sie einem ersten flüchtigen Blick
scheinen kann. Je ferner man der Heimat gerückt ist, desto fester heftet sich
das Heimatgefühl auf den engsten Heimatkreis, dem ja doch, zumal für primitive
Denk- und Gefühlsweise, alle wesentliche Heimaterinnerung und Heimatvorstellung
verdankt wird. So entstand denn drüben eine mundartliche Dichtung, die in
ihrem engeren und beschränkteren Kreis stellenweise eigenwüchsiger' und boden¬
ständiger ist als ihre hochdeutsche Schwester. Für eine Dichtung gemeindeutscher
Art und schwereren Stiles ist der deutsche Boden drüben zu wankend, weichend:
Bei einem dritten dieser „Letzeburger" Poeten findet sich dann dies naive
Deutschbekenntnis:
Man sieht, der ganze Glaube an die Auserlesenheit des eigenen Stammes:
Juden, Griechen, Letzeburger.
Mit besonderem Erfolg weiß sich, wie daheim, so auch überm Wasser
drüben der kleine lebendige Stamm der Pfälzer hörbar zu machen; sie wechselten
Land und Himmel, nicht ihren Sinn; sie blieben eben „Pälzer Krischer", ihres
Wertes vor allen andern sich vollbewußt, „denn die sin dumm un mer sin
g'Scheit". Lorenz Rohr, Chefredakteur des „Demokrat" von Evansville, dichtet
voll inniger Überzeugung sein Pfälzisch an als „die Sprovch der Sprooche".
Wer tichtig Pnlzisch kann, der braucht
Nooch armer'in net dick frooge.
Geradezu an den Klassiker der pfälzischen Dialektdichter, an Karl Gottfried
Nadler, der im vorderpfälzischen Dialekt zeitgeschichtliche Seelendokumente von
bleibendem Wert und weit mehr als nur lokaler Bedeutung geschaffen hat,
erinnert der Deutschamerikaner Georg Asmus, von der hessischen Linie des
Pfälzertums, der Amerika mit der ganzen Helläugigkeit feines Stammes angeschaut
und mit dessen ganzer Freude an spitzem Witz besungen hat. Wem wollte es
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