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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

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Die neuen Forschnngsiiistitute

mit den geistigen Führern des Volkes in unmittelbare Berührung komme; sie
empfange dadurch die tiefsten und nachhaltigsten Anregungen. Auf der andern
Seite sei die Lehrtätigkeit aber auch für die Forscher erfreulich und fruchtbar:
sie blieben jung im Verkehr mit der Jugend. Der Professor werde angeregt
und belebt durch die Wirkung seiner Worte auf die jungen Zuhörer; diesen
Vorzug müsse der einsame Schriftsteller entbehren. Auch sei es von Vorteil, daß
der Lehrer bei seinem Kathedervortrage beständig genötigt werde, den Blick auf
das Wesentliche und Allgemeine zu richten.

Für die nächste Zeit wird man nun von der Begründung der neuen
Institute eine Gefahr für die Universitäten nicht zu befürchten brauchen. Es
handelt sich doch im günstigsten Falle nur um eine beschränkte Zahl von reinen
Forschungsinstituten, die in enger Verbindung mit der Universität bleiben sollen,
und niemand denkt daran, auf den Universitäten selbst die Forschung von der
Lehre zu trennen. Allein das jetzige Vorgehen ist offenbar nur der erste Schritt
auf einem längeren Wege. Der Kaiser sagt: "Möge dieser Tag eine weitere
Stufe in der Entwicklung deutschen Geisteslebens bedeuten." Das läßt darauf
schließen, daß man sich nicht mit einigen wenigen Instituten begnügen will,
sondern daß planmäßig und systematisch darauf hingearbeitet werden soll, die
bedeutenderen Gelehrten ausschließlich der Forschung zuzuführen und von der
Lehrtätigkeit ganz zu befreien. Auch Wilhelm Ostwald, der bekannte Chemiker,
teilt unsere Auffassung, wenn er in einen: Zeitungsaufsatz von der beginnenden
Trennung der Forschung von aller andern Inanspruchnahme, auch vom Unter¬
richt, spricht und emphatisch ausruft: "Unserm Jahrhundert wird es vorbehalten
sein, die schöpferische wissenschaftliche Arbeit, die bisher immer und überall im
Nebenberuf hat geleistet werden müssen und der Menschheit somit als freies
Geschenk dargebracht worden ist, auch als Grundlage einer bürgerlichen Existenz
anzuerkennen und zu entlohnen."

Ganz abgesehen von unerquicklichen persönlichen Verhältnissen, die aus der
Trennung von Forschung und Lehrberuf entstehen können, wird auch die Qualität
der Hochschullehrer eine Einbuße erleiden. Denn sobald reine Forschungsinstitute
in größerer Zahl errichtet sind, liegt es nähe, daß bei der Besetzung der Universitäts-
professnren in der Hauptsache nur noch auf Lehrgeschick Rücksicht genommen
werden wird und weniger auf wissenschaftliche Leistungen. "Man kann die Wissen¬
schaften von den Universitäten vertreiben," sagt Dahlmann bitter, "indem man
diese auf die Fortpflanzung überlieferter Kenntnisse beschränkt. Es geht
durchaus nicht über die Macht des Staates, die bisherigen Sitze freier
Bildung in hämmernde Werkstätten zu verwandeln." Er schildert die
Folgen eines solchen Zustandes: "An den Stellen, wohin sonst ein edler
Ehrgeiz die Bestgebildeten führte, werden Handlanger stehen, und man
wird es recht am hellen Tage erkennen, wie deren Geschäft stille steht,
sobald die Wissenschaftlicher, die vom Lehren ausgeschlossen sind, nicht den
Anstoß mehr geben."


Die neuen Forschnngsiiistitute

mit den geistigen Führern des Volkes in unmittelbare Berührung komme; sie
empfange dadurch die tiefsten und nachhaltigsten Anregungen. Auf der andern
Seite sei die Lehrtätigkeit aber auch für die Forscher erfreulich und fruchtbar:
sie blieben jung im Verkehr mit der Jugend. Der Professor werde angeregt
und belebt durch die Wirkung seiner Worte auf die jungen Zuhörer; diesen
Vorzug müsse der einsame Schriftsteller entbehren. Auch sei es von Vorteil, daß
der Lehrer bei seinem Kathedervortrage beständig genötigt werde, den Blick auf
das Wesentliche und Allgemeine zu richten.

Für die nächste Zeit wird man nun von der Begründung der neuen
Institute eine Gefahr für die Universitäten nicht zu befürchten brauchen. Es
handelt sich doch im günstigsten Falle nur um eine beschränkte Zahl von reinen
Forschungsinstituten, die in enger Verbindung mit der Universität bleiben sollen,
und niemand denkt daran, auf den Universitäten selbst die Forschung von der
Lehre zu trennen. Allein das jetzige Vorgehen ist offenbar nur der erste Schritt
auf einem längeren Wege. Der Kaiser sagt: „Möge dieser Tag eine weitere
Stufe in der Entwicklung deutschen Geisteslebens bedeuten." Das läßt darauf
schließen, daß man sich nicht mit einigen wenigen Instituten begnügen will,
sondern daß planmäßig und systematisch darauf hingearbeitet werden soll, die
bedeutenderen Gelehrten ausschließlich der Forschung zuzuführen und von der
Lehrtätigkeit ganz zu befreien. Auch Wilhelm Ostwald, der bekannte Chemiker,
teilt unsere Auffassung, wenn er in einen: Zeitungsaufsatz von der beginnenden
Trennung der Forschung von aller andern Inanspruchnahme, auch vom Unter¬
richt, spricht und emphatisch ausruft: „Unserm Jahrhundert wird es vorbehalten
sein, die schöpferische wissenschaftliche Arbeit, die bisher immer und überall im
Nebenberuf hat geleistet werden müssen und der Menschheit somit als freies
Geschenk dargebracht worden ist, auch als Grundlage einer bürgerlichen Existenz
anzuerkennen und zu entlohnen."

Ganz abgesehen von unerquicklichen persönlichen Verhältnissen, die aus der
Trennung von Forschung und Lehrberuf entstehen können, wird auch die Qualität
der Hochschullehrer eine Einbuße erleiden. Denn sobald reine Forschungsinstitute
in größerer Zahl errichtet sind, liegt es nähe, daß bei der Besetzung der Universitäts-
professnren in der Hauptsache nur noch auf Lehrgeschick Rücksicht genommen
werden wird und weniger auf wissenschaftliche Leistungen. „Man kann die Wissen¬
schaften von den Universitäten vertreiben," sagt Dahlmann bitter, „indem man
diese auf die Fortpflanzung überlieferter Kenntnisse beschränkt. Es geht
durchaus nicht über die Macht des Staates, die bisherigen Sitze freier
Bildung in hämmernde Werkstätten zu verwandeln." Er schildert die
Folgen eines solchen Zustandes: „An den Stellen, wohin sonst ein edler
Ehrgeiz die Bestgebildeten führte, werden Handlanger stehen, und man
wird es recht am hellen Tage erkennen, wie deren Geschäft stille steht,
sobald die Wissenschaftlicher, die vom Lehren ausgeschlossen sind, nicht den
Anstoß mehr geben."


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/353>, abgerufen am 29.06.2024.