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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

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größte Teil findet eine andere Verwendung, sei es als Adjutant, als Lehrer,
im Ministerium, bei den technischen Instituten oder in der Front. Ist es nun
richtig und zweckmäßig, den ganzen Lehrplan auf die wenigen Offiziere ein¬
zurichten, die dereinst im Generalstabsdienst Verwendung finden sollen? Ist
dieses aber der Fall und muß die Akademie als Vorschule des Generalstabes
bestehen bleiben, so fehlt dann im organischen Aufbau des gesamten Militär-
erziehungs- und -bildungswesens ein Glied, eine Anstalt, auf der die große
Menge der Offiziere, soweit sie überhaupt den Wunsch und das Streben nach
weiterer Fortbildung besitzen, Gelegenheit haben, ihre Kenntnisse und Bildung
zu erweitern.

Daß dieses Bestreben in hohem Maße vorhanden ist, zeigt die große Zahl
der Offiziere, die sich alljährlich zur Ablegung des Eintrittsexamens melden.
Die Anmeldungen betragen bis zu 800, von denen auch nach den letzten
Erweiterungen nur 160 einberufen werden können. Die übrigen 540 werden
einfach zurückgewiesen, ihnen wird die Möglichkeit, ihre Bildung zu vervoll¬
ständigen und ihren geistigen Horizont zu erweitern, abgeschnitten. Sie bleiben
lediglich auf ein privates Studium angewiesen. Daß sich dieses bei den
Anstrengungen des täglichen Dienstes, namentlich in den kleinen Garnisonen,
wo alle Hilfsmittel und Anregungen fehlen, nur schwer durchführen läßt, liegt
auf der Hand. Dabei ist ferner zu berücksichtigen, daß durch das Eintritts¬
examen keine ganz einwandsfreie Auswahl getroffen wird. Die besten und
schlechtesten Arbeiten allerdings unterscheiden sich so sehr von der großen Menge,
daß ihre Bestimmung nicht schwer wird. Die anderen aber sind sich in ihrem
Wert so gleich, daß es ausgeschlossen erscheint, hier in allen Fällen ein richtiges
Urteil zu geben und eine gerechte Auswahl zu treffen. Für die Zwecke des
Generalstabes und der höheren Adjutantur usw. genügt es sicherlich, wenn
jährlich 160 Offiziere eine besondere Ausbildung erhalten, für die Zwecke der
Armee nicht, und zwar um so weniger, wenn man berücksichtigt, daß die wissen¬
schaftliche Vorbildung der Offiziere -- wie wir oben gezeigt haben -- nicht
mehr den modernen Anforderungen entspricht. Ist dies der Fall, so müßte
ihnen erst recht später die Gelegenheit gegeben werden, die Lücken ihrer Bildung
auszufüllen. Alles dies führt mit zwingender Notwendigkeit dazu, die Zahl der
Hörer zu vermehren. Es müßte möglich sein, daß jeder Offizier, der den Wunsch
hat. sich weiterzubilden, und der die nötigen Vorkenntnisse nachweist, auch auf
die Akademie kommandiert wird. Dies würde allerdings eine solche Vermehrung
der Akademiker zur Folge haben, daß eine Anstalt nicht mehr genügte, sondern
deren mehrere errichtet werden müßten.

Abweichend von den Universitäten kann die Zahl der Hörer auf der
Akademie nicht beliebig vermehrt werden. Es liegt dies teils in den allgemeinen
militärischen Verhältnissen begründet, teils in der Art des Unterrichtes, wie er
auf der Akademie gehandhabt werden muß. Der Direktor muß in steter persön¬
licher Verbindung mit den kommandierten Offizieren bleiben, die Aufrecht-


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größte Teil findet eine andere Verwendung, sei es als Adjutant, als Lehrer,
im Ministerium, bei den technischen Instituten oder in der Front. Ist es nun
richtig und zweckmäßig, den ganzen Lehrplan auf die wenigen Offiziere ein¬
zurichten, die dereinst im Generalstabsdienst Verwendung finden sollen? Ist
dieses aber der Fall und muß die Akademie als Vorschule des Generalstabes
bestehen bleiben, so fehlt dann im organischen Aufbau des gesamten Militär-
erziehungs- und -bildungswesens ein Glied, eine Anstalt, auf der die große
Menge der Offiziere, soweit sie überhaupt den Wunsch und das Streben nach
weiterer Fortbildung besitzen, Gelegenheit haben, ihre Kenntnisse und Bildung
zu erweitern.

Daß dieses Bestreben in hohem Maße vorhanden ist, zeigt die große Zahl
der Offiziere, die sich alljährlich zur Ablegung des Eintrittsexamens melden.
Die Anmeldungen betragen bis zu 800, von denen auch nach den letzten
Erweiterungen nur 160 einberufen werden können. Die übrigen 540 werden
einfach zurückgewiesen, ihnen wird die Möglichkeit, ihre Bildung zu vervoll¬
ständigen und ihren geistigen Horizont zu erweitern, abgeschnitten. Sie bleiben
lediglich auf ein privates Studium angewiesen. Daß sich dieses bei den
Anstrengungen des täglichen Dienstes, namentlich in den kleinen Garnisonen,
wo alle Hilfsmittel und Anregungen fehlen, nur schwer durchführen läßt, liegt
auf der Hand. Dabei ist ferner zu berücksichtigen, daß durch das Eintritts¬
examen keine ganz einwandsfreie Auswahl getroffen wird. Die besten und
schlechtesten Arbeiten allerdings unterscheiden sich so sehr von der großen Menge,
daß ihre Bestimmung nicht schwer wird. Die anderen aber sind sich in ihrem
Wert so gleich, daß es ausgeschlossen erscheint, hier in allen Fällen ein richtiges
Urteil zu geben und eine gerechte Auswahl zu treffen. Für die Zwecke des
Generalstabes und der höheren Adjutantur usw. genügt es sicherlich, wenn
jährlich 160 Offiziere eine besondere Ausbildung erhalten, für die Zwecke der
Armee nicht, und zwar um so weniger, wenn man berücksichtigt, daß die wissen¬
schaftliche Vorbildung der Offiziere — wie wir oben gezeigt haben — nicht
mehr den modernen Anforderungen entspricht. Ist dies der Fall, so müßte
ihnen erst recht später die Gelegenheit gegeben werden, die Lücken ihrer Bildung
auszufüllen. Alles dies führt mit zwingender Notwendigkeit dazu, die Zahl der
Hörer zu vermehren. Es müßte möglich sein, daß jeder Offizier, der den Wunsch
hat. sich weiterzubilden, und der die nötigen Vorkenntnisse nachweist, auch auf
die Akademie kommandiert wird. Dies würde allerdings eine solche Vermehrung
der Akademiker zur Folge haben, daß eine Anstalt nicht mehr genügte, sondern
deren mehrere errichtet werden müßten.

Abweichend von den Universitäten kann die Zahl der Hörer auf der
Akademie nicht beliebig vermehrt werden. Es liegt dies teils in den allgemeinen
militärischen Verhältnissen begründet, teils in der Art des Unterrichtes, wie er
auf der Akademie gehandhabt werden muß. Der Direktor muß in steter persön¬
licher Verbindung mit den kommandierten Offizieren bleiben, die Aufrecht-


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[0272] Unsere militärische Hochschule größte Teil findet eine andere Verwendung, sei es als Adjutant, als Lehrer, im Ministerium, bei den technischen Instituten oder in der Front. Ist es nun richtig und zweckmäßig, den ganzen Lehrplan auf die wenigen Offiziere ein¬ zurichten, die dereinst im Generalstabsdienst Verwendung finden sollen? Ist dieses aber der Fall und muß die Akademie als Vorschule des Generalstabes bestehen bleiben, so fehlt dann im organischen Aufbau des gesamten Militär- erziehungs- und -bildungswesens ein Glied, eine Anstalt, auf der die große Menge der Offiziere, soweit sie überhaupt den Wunsch und das Streben nach weiterer Fortbildung besitzen, Gelegenheit haben, ihre Kenntnisse und Bildung zu erweitern. Daß dieses Bestreben in hohem Maße vorhanden ist, zeigt die große Zahl der Offiziere, die sich alljährlich zur Ablegung des Eintrittsexamens melden. Die Anmeldungen betragen bis zu 800, von denen auch nach den letzten Erweiterungen nur 160 einberufen werden können. Die übrigen 540 werden einfach zurückgewiesen, ihnen wird die Möglichkeit, ihre Bildung zu vervoll¬ ständigen und ihren geistigen Horizont zu erweitern, abgeschnitten. Sie bleiben lediglich auf ein privates Studium angewiesen. Daß sich dieses bei den Anstrengungen des täglichen Dienstes, namentlich in den kleinen Garnisonen, wo alle Hilfsmittel und Anregungen fehlen, nur schwer durchführen läßt, liegt auf der Hand. Dabei ist ferner zu berücksichtigen, daß durch das Eintritts¬ examen keine ganz einwandsfreie Auswahl getroffen wird. Die besten und schlechtesten Arbeiten allerdings unterscheiden sich so sehr von der großen Menge, daß ihre Bestimmung nicht schwer wird. Die anderen aber sind sich in ihrem Wert so gleich, daß es ausgeschlossen erscheint, hier in allen Fällen ein richtiges Urteil zu geben und eine gerechte Auswahl zu treffen. Für die Zwecke des Generalstabes und der höheren Adjutantur usw. genügt es sicherlich, wenn jährlich 160 Offiziere eine besondere Ausbildung erhalten, für die Zwecke der Armee nicht, und zwar um so weniger, wenn man berücksichtigt, daß die wissen¬ schaftliche Vorbildung der Offiziere — wie wir oben gezeigt haben — nicht mehr den modernen Anforderungen entspricht. Ist dies der Fall, so müßte ihnen erst recht später die Gelegenheit gegeben werden, die Lücken ihrer Bildung auszufüllen. Alles dies führt mit zwingender Notwendigkeit dazu, die Zahl der Hörer zu vermehren. Es müßte möglich sein, daß jeder Offizier, der den Wunsch hat. sich weiterzubilden, und der die nötigen Vorkenntnisse nachweist, auch auf die Akademie kommandiert wird. Dies würde allerdings eine solche Vermehrung der Akademiker zur Folge haben, daß eine Anstalt nicht mehr genügte, sondern deren mehrere errichtet werden müßten. Abweichend von den Universitäten kann die Zahl der Hörer auf der Akademie nicht beliebig vermehrt werden. Es liegt dies teils in den allgemeinen militärischen Verhältnissen begründet, teils in der Art des Unterrichtes, wie er auf der Akademie gehandhabt werden muß. Der Direktor muß in steter persön¬ licher Verbindung mit den kommandierten Offizieren bleiben, die Aufrecht-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/272>, abgerufen am 23.07.2024.