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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

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Unsere militärische Hochschule

erhaltung der Disziplin, ehrengerichtliches Einschreiten, Korrespondenzen mit den
Truppenteilen (Pferde, Bursche usw.) sind jetzt schon so umfangreich, daß die
Tätigkeit eines einzelnen vollauf ausgefüllt ist. Eine weitere Ausdehnung
erscheint ausgeschlossen. Bei der Lehrmethode genügt es nicht, daß der Lehrer
seine Vorträge hält, der Akademiker sie anhört, sondern es muß die Möglichkeit
vorhanden sein, daß sich der Lehrer mit dem einzelnen Schüler eingehend
beschäftigt und abgibt. Die applikatorische Methode verlangt ein Zusammen¬
arbeiten beider, die schriftlichen Arbeiten müssen gelesen und geprüft werden.
Der kommandierte Offizier soll freie Vorträge halten, an die sich eine Diskussion
anschließt. Praktische Übungen finden im Gelände statt. Schon jetzt wird vielfach
geklagt, daß die Zahl der in einem Cötus befindlichen Hörer zu groß ist, und
daß deshalb die Ausbildung Schwierigkeiten bereitet. Über dreißig Offiziere
sollte kein Cötus enthalten. Diese Zahl wird jetzt schon weit überschritten, eine
fernere Erhöhung ist ausgeschlossen. Von sachverständiger Seite ist Straßburg
als Ort für eine zweite Akademie vorgeschlagen und gleichzeitig der Wunsch
ausgesprochen worden, daß die bayerische Kriegsakademie in München auch für
nichtbayerische Offiziere zugänglich gemacht werde. Es würden dann die ein¬
berufenen Offiziere in gleicher Weise auf drei Akademien in Berlin, München
und Straßburg verteilt werden können. Man mag im einzelnen über diesen
Vorschlag verschiedener Ansicht sein, er trifft aber das Wesentliche: Errichtung
neuer Akademien, um einer größeren Zahl von Offizieren Zeit und Gelegenheit
zu allgemein wissenschaftlicher und militärischer Fortbildung zu geben.

Bisher ist immer daran festgehalten, daß der Offizier, der die Akademie
besuchen will, ein Aufnahmeexamen abzulegen hat. Es ist dies ein reines
Konkurrenzexamen, das heißt: es werden keine bestimmten Anforderungen gestellt,
die zu erfüllen sind, sondern es werden die Offiziere nach dem Ausfall ihrer
Arbeiten klassifiziert und die 160 besten einberufen. Gewiß läßt sich gegen ein
derartiges Verfahren manches einwenden, es hat aber den unleugbaren Vorteil,
daß sich der Offizier, der das Kommando zur Akademie erstrebt, längere Zeit
vorher wissenschaftlich beschäftigen muß, und zwar sowohl auf allgemein-wissen¬
schaftlichem (Geschichte, Geographie, Sprachen, Mathematik) wie auf militärischem
Gebiet, und daß er die früher erworbenen Kenntnisse wieder auffrischen muß.
Er kommt dadurch gut vorbereitet zur Akademie. Diesen Vorteil möchte man
auch in Zukunft nicht missen. Wenn aber die Zahl der Hörer wesentlich ver¬
mehrt und dadurch die Konkurrenz erheblich vermindert wird, verliert diese Art
des Examens ihren Wert. Es würde dann zweckmäßig sein, von einem reinen
Konkurrenzexamen abzusehen und bestimmte Forderungen aufzustellen, die erfüllt
werden müßten.

Von wesentlicher Bedeutung für das Gedeihen der Anstalt ist die Wahl der
Direktoren und der Lehrer. Männer von großem Ansehen und hoher Bedeutung
sind an ihr tätig gewesen. Mit Stolz weist die Akademie darauf hin, daß sie
einen Clausewitz, einen Höpfner, einen Verdy u. a. in. zu den Ihrigen gezählt


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erhaltung der Disziplin, ehrengerichtliches Einschreiten, Korrespondenzen mit den
Truppenteilen (Pferde, Bursche usw.) sind jetzt schon so umfangreich, daß die
Tätigkeit eines einzelnen vollauf ausgefüllt ist. Eine weitere Ausdehnung
erscheint ausgeschlossen. Bei der Lehrmethode genügt es nicht, daß der Lehrer
seine Vorträge hält, der Akademiker sie anhört, sondern es muß die Möglichkeit
vorhanden sein, daß sich der Lehrer mit dem einzelnen Schüler eingehend
beschäftigt und abgibt. Die applikatorische Methode verlangt ein Zusammen¬
arbeiten beider, die schriftlichen Arbeiten müssen gelesen und geprüft werden.
Der kommandierte Offizier soll freie Vorträge halten, an die sich eine Diskussion
anschließt. Praktische Übungen finden im Gelände statt. Schon jetzt wird vielfach
geklagt, daß die Zahl der in einem Cötus befindlichen Hörer zu groß ist, und
daß deshalb die Ausbildung Schwierigkeiten bereitet. Über dreißig Offiziere
sollte kein Cötus enthalten. Diese Zahl wird jetzt schon weit überschritten, eine
fernere Erhöhung ist ausgeschlossen. Von sachverständiger Seite ist Straßburg
als Ort für eine zweite Akademie vorgeschlagen und gleichzeitig der Wunsch
ausgesprochen worden, daß die bayerische Kriegsakademie in München auch für
nichtbayerische Offiziere zugänglich gemacht werde. Es würden dann die ein¬
berufenen Offiziere in gleicher Weise auf drei Akademien in Berlin, München
und Straßburg verteilt werden können. Man mag im einzelnen über diesen
Vorschlag verschiedener Ansicht sein, er trifft aber das Wesentliche: Errichtung
neuer Akademien, um einer größeren Zahl von Offizieren Zeit und Gelegenheit
zu allgemein wissenschaftlicher und militärischer Fortbildung zu geben.

Bisher ist immer daran festgehalten, daß der Offizier, der die Akademie
besuchen will, ein Aufnahmeexamen abzulegen hat. Es ist dies ein reines
Konkurrenzexamen, das heißt: es werden keine bestimmten Anforderungen gestellt,
die zu erfüllen sind, sondern es werden die Offiziere nach dem Ausfall ihrer
Arbeiten klassifiziert und die 160 besten einberufen. Gewiß läßt sich gegen ein
derartiges Verfahren manches einwenden, es hat aber den unleugbaren Vorteil,
daß sich der Offizier, der das Kommando zur Akademie erstrebt, längere Zeit
vorher wissenschaftlich beschäftigen muß, und zwar sowohl auf allgemein-wissen¬
schaftlichem (Geschichte, Geographie, Sprachen, Mathematik) wie auf militärischem
Gebiet, und daß er die früher erworbenen Kenntnisse wieder auffrischen muß.
Er kommt dadurch gut vorbereitet zur Akademie. Diesen Vorteil möchte man
auch in Zukunft nicht missen. Wenn aber die Zahl der Hörer wesentlich ver¬
mehrt und dadurch die Konkurrenz erheblich vermindert wird, verliert diese Art
des Examens ihren Wert. Es würde dann zweckmäßig sein, von einem reinen
Konkurrenzexamen abzusehen und bestimmte Forderungen aufzustellen, die erfüllt
werden müßten.

Von wesentlicher Bedeutung für das Gedeihen der Anstalt ist die Wahl der
Direktoren und der Lehrer. Männer von großem Ansehen und hoher Bedeutung
sind an ihr tätig gewesen. Mit Stolz weist die Akademie darauf hin, daß sie
einen Clausewitz, einen Höpfner, einen Verdy u. a. in. zu den Ihrigen gezählt


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[0273] Unsere militärische Hochschule erhaltung der Disziplin, ehrengerichtliches Einschreiten, Korrespondenzen mit den Truppenteilen (Pferde, Bursche usw.) sind jetzt schon so umfangreich, daß die Tätigkeit eines einzelnen vollauf ausgefüllt ist. Eine weitere Ausdehnung erscheint ausgeschlossen. Bei der Lehrmethode genügt es nicht, daß der Lehrer seine Vorträge hält, der Akademiker sie anhört, sondern es muß die Möglichkeit vorhanden sein, daß sich der Lehrer mit dem einzelnen Schüler eingehend beschäftigt und abgibt. Die applikatorische Methode verlangt ein Zusammen¬ arbeiten beider, die schriftlichen Arbeiten müssen gelesen und geprüft werden. Der kommandierte Offizier soll freie Vorträge halten, an die sich eine Diskussion anschließt. Praktische Übungen finden im Gelände statt. Schon jetzt wird vielfach geklagt, daß die Zahl der in einem Cötus befindlichen Hörer zu groß ist, und daß deshalb die Ausbildung Schwierigkeiten bereitet. Über dreißig Offiziere sollte kein Cötus enthalten. Diese Zahl wird jetzt schon weit überschritten, eine fernere Erhöhung ist ausgeschlossen. Von sachverständiger Seite ist Straßburg als Ort für eine zweite Akademie vorgeschlagen und gleichzeitig der Wunsch ausgesprochen worden, daß die bayerische Kriegsakademie in München auch für nichtbayerische Offiziere zugänglich gemacht werde. Es würden dann die ein¬ berufenen Offiziere in gleicher Weise auf drei Akademien in Berlin, München und Straßburg verteilt werden können. Man mag im einzelnen über diesen Vorschlag verschiedener Ansicht sein, er trifft aber das Wesentliche: Errichtung neuer Akademien, um einer größeren Zahl von Offizieren Zeit und Gelegenheit zu allgemein wissenschaftlicher und militärischer Fortbildung zu geben. Bisher ist immer daran festgehalten, daß der Offizier, der die Akademie besuchen will, ein Aufnahmeexamen abzulegen hat. Es ist dies ein reines Konkurrenzexamen, das heißt: es werden keine bestimmten Anforderungen gestellt, die zu erfüllen sind, sondern es werden die Offiziere nach dem Ausfall ihrer Arbeiten klassifiziert und die 160 besten einberufen. Gewiß läßt sich gegen ein derartiges Verfahren manches einwenden, es hat aber den unleugbaren Vorteil, daß sich der Offizier, der das Kommando zur Akademie erstrebt, längere Zeit vorher wissenschaftlich beschäftigen muß, und zwar sowohl auf allgemein-wissen¬ schaftlichem (Geschichte, Geographie, Sprachen, Mathematik) wie auf militärischem Gebiet, und daß er die früher erworbenen Kenntnisse wieder auffrischen muß. Er kommt dadurch gut vorbereitet zur Akademie. Diesen Vorteil möchte man auch in Zukunft nicht missen. Wenn aber die Zahl der Hörer wesentlich ver¬ mehrt und dadurch die Konkurrenz erheblich vermindert wird, verliert diese Art des Examens ihren Wert. Es würde dann zweckmäßig sein, von einem reinen Konkurrenzexamen abzusehen und bestimmte Forderungen aufzustellen, die erfüllt werden müßten. Von wesentlicher Bedeutung für das Gedeihen der Anstalt ist die Wahl der Direktoren und der Lehrer. Männer von großem Ansehen und hoher Bedeutung sind an ihr tätig gewesen. Mit Stolz weist die Akademie darauf hin, daß sie einen Clausewitz, einen Höpfner, einen Verdy u. a. in. zu den Ihrigen gezählt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/273>, abgerufen am 22.07.2024.