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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

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Larasch

Larasch in der Tiefebene des Gharb mit Hilfe des sehn und seiner Neben¬
flüsse Ueb Rdem, Ueb Best u. a., dann an der Küste zwischen Rabat,
Casabianca und Asemur die reichlichsten Wasservorräte und geeigneter Boon
auf viele Tausende von Quadratkilometern vorhanden sind, ließen sich hier
unter weit günstigeren Bedingungen wie in den südlichen Mittelmeerländern
Zuckerrohr, Baumwolle, Reis, Mais, Apfelsinen und andere Aurcmtiaceen,
Bananen und dergleichen ziehen und Huertas anlegen, welche die von Valencia
oder Malaga tief in den Schatten stellen würden."

Außerdem darf man nicht vergessen, daß Larasch der natürliche Hafen für
die etwa 180 Kilometer in: Lande gelegene, rund hundertundsechzigtausend Ein¬
wohner zählende Hauptstadt des Landes, Fes, ist, dessen Bedarf an europäischen
Artikeln jeder Art andauernd steigt und bei einer wirtschaftlichen Erschließung
zweifellos noch weit mehr steigen würde. Auch sein Export ist sehr entwicklungs¬
fähig, da in Fes uralte Industrien und Handwerke ansässig sind, deren guter
Ruf weit verbreitet ist, wenngleich sich jetzt, besonders auf kunstgewerblichein
Gebiete, vielfach ein gewisser Rückgang in der Feinheit der Arbeit bemerkbar
macht. Trotzdem werden einzelne Feser Arbeiten, wie besonders die gelben
Pantoffeln, die aus gutem Tafileltleder gearbeitet werden, in ganz Nordafrika
bis nach Ägypten hin gesucht. Mit dem Einzug modernen Geistes in Fes
steigen die Aussichten, die Larasch als Hafenplatz hat, naturgemäß ganz bedeutend,
besonders da das Gelände sür den Bahnbau keine Schwierigkeiten macht.

Gegenwärtig stehen die Import- und Exportziffern Laraschs im engen
Zusammenhange mit der jeweiligen politischen Lage des Landes. Sobald im
Innern Unruhen entstehen, werden gewöhnlich zuerst die Wege von Tanger nach
Wasan, Alkazar und Fes unsicher und ungangbar, da sie über eine Reihe von
Hügelketten führen, die den unzufriedenen Elementen Schutz bietet. Dann bewegt
sich der Import- und Exportverkehr zwischen den Städten im Innern und der
Küste ausschließlich über Larasch, da die Wege von Larasch nach Alkazar, Wasan,
Fes und Mecknes, dem Versailles von Fes- beinahe ausschließlich durch ebenes
Land und durch das Gebiet von Stämmen führen, die friedlicher gesinnt sind
als die Bergbewohner. Sobald der Verkehr mit Tanger wieder hergestellt ist,
nimmt der Verkehr mit Larasch wieder ab. Doch wäre es sehr wohl möglich,
einen weit größeren Teil des Verkehrs mit dem Jnnenkante an Larasch zu
knüpfen, sobald dort erst ein moderner Hafenbau entstanden ist. Die Transport-,
kosten von Larasch nach dem Innern sind durchweg niedriger als von Tanger
aus, und Larasch ist der natürliche und nächste Hafen für Fes, Mecknes, Alkazar
und die reiche Provinz Gharb. Schwergüter, welche schon vom Verschiffungsort
aus für das Innere bestimmt sind, werden auch ausnahmslos direkt nach Larasch
spediert. Von Tanger aus werden zumeist nur die wertvolleren Waren spediert,
damit die in Tanger ansässigen Spediteure die Umpackung selbst vornehmen
und die Waren prüfen können. Larasch braucht nur einen modernen Hafen,
um es an Bedeutung für den Handelsverkehr nicht nur mit Tanger aufnehmen,


Grenzboten IV 1910 21
Larasch

Larasch in der Tiefebene des Gharb mit Hilfe des sehn und seiner Neben¬
flüsse Ueb Rdem, Ueb Best u. a., dann an der Küste zwischen Rabat,
Casabianca und Asemur die reichlichsten Wasservorräte und geeigneter Boon
auf viele Tausende von Quadratkilometern vorhanden sind, ließen sich hier
unter weit günstigeren Bedingungen wie in den südlichen Mittelmeerländern
Zuckerrohr, Baumwolle, Reis, Mais, Apfelsinen und andere Aurcmtiaceen,
Bananen und dergleichen ziehen und Huertas anlegen, welche die von Valencia
oder Malaga tief in den Schatten stellen würden."

Außerdem darf man nicht vergessen, daß Larasch der natürliche Hafen für
die etwa 180 Kilometer in: Lande gelegene, rund hundertundsechzigtausend Ein¬
wohner zählende Hauptstadt des Landes, Fes, ist, dessen Bedarf an europäischen
Artikeln jeder Art andauernd steigt und bei einer wirtschaftlichen Erschließung
zweifellos noch weit mehr steigen würde. Auch sein Export ist sehr entwicklungs¬
fähig, da in Fes uralte Industrien und Handwerke ansässig sind, deren guter
Ruf weit verbreitet ist, wenngleich sich jetzt, besonders auf kunstgewerblichein
Gebiete, vielfach ein gewisser Rückgang in der Feinheit der Arbeit bemerkbar
macht. Trotzdem werden einzelne Feser Arbeiten, wie besonders die gelben
Pantoffeln, die aus gutem Tafileltleder gearbeitet werden, in ganz Nordafrika
bis nach Ägypten hin gesucht. Mit dem Einzug modernen Geistes in Fes
steigen die Aussichten, die Larasch als Hafenplatz hat, naturgemäß ganz bedeutend,
besonders da das Gelände sür den Bahnbau keine Schwierigkeiten macht.

Gegenwärtig stehen die Import- und Exportziffern Laraschs im engen
Zusammenhange mit der jeweiligen politischen Lage des Landes. Sobald im
Innern Unruhen entstehen, werden gewöhnlich zuerst die Wege von Tanger nach
Wasan, Alkazar und Fes unsicher und ungangbar, da sie über eine Reihe von
Hügelketten führen, die den unzufriedenen Elementen Schutz bietet. Dann bewegt
sich der Import- und Exportverkehr zwischen den Städten im Innern und der
Küste ausschließlich über Larasch, da die Wege von Larasch nach Alkazar, Wasan,
Fes und Mecknes, dem Versailles von Fes- beinahe ausschließlich durch ebenes
Land und durch das Gebiet von Stämmen führen, die friedlicher gesinnt sind
als die Bergbewohner. Sobald der Verkehr mit Tanger wieder hergestellt ist,
nimmt der Verkehr mit Larasch wieder ab. Doch wäre es sehr wohl möglich,
einen weit größeren Teil des Verkehrs mit dem Jnnenkante an Larasch zu
knüpfen, sobald dort erst ein moderner Hafenbau entstanden ist. Die Transport-,
kosten von Larasch nach dem Innern sind durchweg niedriger als von Tanger
aus, und Larasch ist der natürliche und nächste Hafen für Fes, Mecknes, Alkazar
und die reiche Provinz Gharb. Schwergüter, welche schon vom Verschiffungsort
aus für das Innere bestimmt sind, werden auch ausnahmslos direkt nach Larasch
spediert. Von Tanger aus werden zumeist nur die wertvolleren Waren spediert,
damit die in Tanger ansässigen Spediteure die Umpackung selbst vornehmen
und die Waren prüfen können. Larasch braucht nur einen modernen Hafen,
um es an Bedeutung für den Handelsverkehr nicht nur mit Tanger aufnehmen,


Grenzboten IV 1910 21
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[0173] Larasch Larasch in der Tiefebene des Gharb mit Hilfe des sehn und seiner Neben¬ flüsse Ueb Rdem, Ueb Best u. a., dann an der Küste zwischen Rabat, Casabianca und Asemur die reichlichsten Wasservorräte und geeigneter Boon auf viele Tausende von Quadratkilometern vorhanden sind, ließen sich hier unter weit günstigeren Bedingungen wie in den südlichen Mittelmeerländern Zuckerrohr, Baumwolle, Reis, Mais, Apfelsinen und andere Aurcmtiaceen, Bananen und dergleichen ziehen und Huertas anlegen, welche die von Valencia oder Malaga tief in den Schatten stellen würden." Außerdem darf man nicht vergessen, daß Larasch der natürliche Hafen für die etwa 180 Kilometer in: Lande gelegene, rund hundertundsechzigtausend Ein¬ wohner zählende Hauptstadt des Landes, Fes, ist, dessen Bedarf an europäischen Artikeln jeder Art andauernd steigt und bei einer wirtschaftlichen Erschließung zweifellos noch weit mehr steigen würde. Auch sein Export ist sehr entwicklungs¬ fähig, da in Fes uralte Industrien und Handwerke ansässig sind, deren guter Ruf weit verbreitet ist, wenngleich sich jetzt, besonders auf kunstgewerblichein Gebiete, vielfach ein gewisser Rückgang in der Feinheit der Arbeit bemerkbar macht. Trotzdem werden einzelne Feser Arbeiten, wie besonders die gelben Pantoffeln, die aus gutem Tafileltleder gearbeitet werden, in ganz Nordafrika bis nach Ägypten hin gesucht. Mit dem Einzug modernen Geistes in Fes steigen die Aussichten, die Larasch als Hafenplatz hat, naturgemäß ganz bedeutend, besonders da das Gelände sür den Bahnbau keine Schwierigkeiten macht. Gegenwärtig stehen die Import- und Exportziffern Laraschs im engen Zusammenhange mit der jeweiligen politischen Lage des Landes. Sobald im Innern Unruhen entstehen, werden gewöhnlich zuerst die Wege von Tanger nach Wasan, Alkazar und Fes unsicher und ungangbar, da sie über eine Reihe von Hügelketten führen, die den unzufriedenen Elementen Schutz bietet. Dann bewegt sich der Import- und Exportverkehr zwischen den Städten im Innern und der Küste ausschließlich über Larasch, da die Wege von Larasch nach Alkazar, Wasan, Fes und Mecknes, dem Versailles von Fes- beinahe ausschließlich durch ebenes Land und durch das Gebiet von Stämmen führen, die friedlicher gesinnt sind als die Bergbewohner. Sobald der Verkehr mit Tanger wieder hergestellt ist, nimmt der Verkehr mit Larasch wieder ab. Doch wäre es sehr wohl möglich, einen weit größeren Teil des Verkehrs mit dem Jnnenkante an Larasch zu knüpfen, sobald dort erst ein moderner Hafenbau entstanden ist. Die Transport-, kosten von Larasch nach dem Innern sind durchweg niedriger als von Tanger aus, und Larasch ist der natürliche und nächste Hafen für Fes, Mecknes, Alkazar und die reiche Provinz Gharb. Schwergüter, welche schon vom Verschiffungsort aus für das Innere bestimmt sind, werden auch ausnahmslos direkt nach Larasch spediert. Von Tanger aus werden zumeist nur die wertvolleren Waren spediert, damit die in Tanger ansässigen Spediteure die Umpackung selbst vornehmen und die Waren prüfen können. Larasch braucht nur einen modernen Hafen, um es an Bedeutung für den Handelsverkehr nicht nur mit Tanger aufnehmen, Grenzboten IV 1910 21

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/173>, abgerufen am 22.07.2024.