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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

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Larasch

sondern Tanger sogar weit in den Hintergrund stellen zu können, da Tanger
nur den einzigen Vorteil hat, Europa am nächsten zu liegen. Für den Verkehr
mit demi reichen Hinterkante aber, und zwar selbst dann, wenn Ruhe und
Sicherheit im Lande durchaus gewährleistet sind, ist es bei weitem nicht so
günstig gelegen wie Larasch. Wenn diese günstigen Aussichten sich in seinen
jetzigen Handelsziffern noch nicht ausdrücken, so liegt das daran, daß unter den
jetzigen Verhältnissen der Hafen zwei bis drei Monate im Jahre infolge starker
Brandung auf der Barre geschlossen ist, und auch in einem großen Teil der
übrigen Zeit die Schiffe tage- und selbst wochenlang vor der Barre liegen
müssen, ehe ein Löschen der Ladung möglich ist. Damit aber sind bei den
großen Anlagekosten, die in einem Schiffe stecken, und den großen Betriebsspesen
außerordentliche Unkosten verbunden, die den Handel immer wieder veranlassen,
das an sich ungünstiger gelegene Tanger zu bevorzugen, wo die Hafenverhältnisse
zwar auch nichts weniger als ideal, aber immer weit besser sind als in Larasch,
wo man gegenwärtig von einem Hafen überhaupt nicht sprechen kann. Die
Schaffung eines modernen Hafens in Larasch würde sicher zur Folge haben,
daß die Schiffsfrachten zum mindesten denjenigen Tangers gleichgestellt würden,
was schon ausreichen würde, um eine außerordentliche Belebung des Handels
hervorzurufen. Larasch selbst würde an Umfang zunehmen, da die Stadt viel
zu eng ist für die Anzahl der dort ansässigen Bewohner. Ein Anstoß würde
genügen, um ähnlich wie in Tanger und anderen Städten eine Vergrößerung
außerhalb der jetzige?: Stadtmauern zu bewirken, was eine vermehrte Bautätigkeit
und damit wieder eine verstärkte Einfuhr von Baumaterialien zur Folge haben
würde. Die voraussetzliche Erhöhung des Warenumsatzes, welche ein modern
angelegter Hafen in Larasch bewirken würde, läßt sich naturgemäß ziffernmäßig
ebensowenig bestimmen, wie etwa der mögliche Warenumsatz eines modern
reorganisierten Marokko.

Für den Handel von Larasch dürfte die nachstehende Statistik des Imports
und Exports von den Jahren 1904 und 1905, die letzte, die uns zugänglich
ist, von Interesse sein. Was den Export betrifft, so entfallen drei Viertel der
exportierten Waren auf Fes und die Provinzen zwischen Fes und Alkazar und
ein Viertel auf die Umgebung von Larasch. Von dem Import dienen nach der
Angabe von Sachverständigen etwa ein Viertel dem Lokalverbrauch und dem
Verbrauch der umliegenden Gegend von Larasch, ein Viertel dem Verbrauch von
Alkazar, Wasan, Mecknes und die Hälste für den Verbrauch von Fes. Wie sehr
die Import- und die Exportziffern in diesen: hauptsächlich auf der Landwirtschaft
beruhenden Lande von der Ernte abhängig sind, zeigt die Einfuhr- und Ausfuhr¬
statistik der beiden Jahre sehr deutlich. Das Jahr 1904 war für die nörd¬
lichen Provinzen kein günstiges Erntejahr, weshalb vom südlichen Marokko,
welches eine vorzügliche Ernte hatte, Gerste und Weizen im Umfange von
2190 Tonnen importiert wurde. Ein ausgesprochenes Mißjahr war jedoch das
Jahr 1905. Es hatte zur Folge, daß der Import hauptsächlich durch die ver-


Larasch

sondern Tanger sogar weit in den Hintergrund stellen zu können, da Tanger
nur den einzigen Vorteil hat, Europa am nächsten zu liegen. Für den Verkehr
mit demi reichen Hinterkante aber, und zwar selbst dann, wenn Ruhe und
Sicherheit im Lande durchaus gewährleistet sind, ist es bei weitem nicht so
günstig gelegen wie Larasch. Wenn diese günstigen Aussichten sich in seinen
jetzigen Handelsziffern noch nicht ausdrücken, so liegt das daran, daß unter den
jetzigen Verhältnissen der Hafen zwei bis drei Monate im Jahre infolge starker
Brandung auf der Barre geschlossen ist, und auch in einem großen Teil der
übrigen Zeit die Schiffe tage- und selbst wochenlang vor der Barre liegen
müssen, ehe ein Löschen der Ladung möglich ist. Damit aber sind bei den
großen Anlagekosten, die in einem Schiffe stecken, und den großen Betriebsspesen
außerordentliche Unkosten verbunden, die den Handel immer wieder veranlassen,
das an sich ungünstiger gelegene Tanger zu bevorzugen, wo die Hafenverhältnisse
zwar auch nichts weniger als ideal, aber immer weit besser sind als in Larasch,
wo man gegenwärtig von einem Hafen überhaupt nicht sprechen kann. Die
Schaffung eines modernen Hafens in Larasch würde sicher zur Folge haben,
daß die Schiffsfrachten zum mindesten denjenigen Tangers gleichgestellt würden,
was schon ausreichen würde, um eine außerordentliche Belebung des Handels
hervorzurufen. Larasch selbst würde an Umfang zunehmen, da die Stadt viel
zu eng ist für die Anzahl der dort ansässigen Bewohner. Ein Anstoß würde
genügen, um ähnlich wie in Tanger und anderen Städten eine Vergrößerung
außerhalb der jetzige?: Stadtmauern zu bewirken, was eine vermehrte Bautätigkeit
und damit wieder eine verstärkte Einfuhr von Baumaterialien zur Folge haben
würde. Die voraussetzliche Erhöhung des Warenumsatzes, welche ein modern
angelegter Hafen in Larasch bewirken würde, läßt sich naturgemäß ziffernmäßig
ebensowenig bestimmen, wie etwa der mögliche Warenumsatz eines modern
reorganisierten Marokko.

Für den Handel von Larasch dürfte die nachstehende Statistik des Imports
und Exports von den Jahren 1904 und 1905, die letzte, die uns zugänglich
ist, von Interesse sein. Was den Export betrifft, so entfallen drei Viertel der
exportierten Waren auf Fes und die Provinzen zwischen Fes und Alkazar und
ein Viertel auf die Umgebung von Larasch. Von dem Import dienen nach der
Angabe von Sachverständigen etwa ein Viertel dem Lokalverbrauch und dem
Verbrauch der umliegenden Gegend von Larasch, ein Viertel dem Verbrauch von
Alkazar, Wasan, Mecknes und die Hälste für den Verbrauch von Fes. Wie sehr
die Import- und die Exportziffern in diesen: hauptsächlich auf der Landwirtschaft
beruhenden Lande von der Ernte abhängig sind, zeigt die Einfuhr- und Ausfuhr¬
statistik der beiden Jahre sehr deutlich. Das Jahr 1904 war für die nörd¬
lichen Provinzen kein günstiges Erntejahr, weshalb vom südlichen Marokko,
welches eine vorzügliche Ernte hatte, Gerste und Weizen im Umfange von
2190 Tonnen importiert wurde. Ein ausgesprochenes Mißjahr war jedoch das
Jahr 1905. Es hatte zur Folge, daß der Import hauptsächlich durch die ver-


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[0174] Larasch sondern Tanger sogar weit in den Hintergrund stellen zu können, da Tanger nur den einzigen Vorteil hat, Europa am nächsten zu liegen. Für den Verkehr mit demi reichen Hinterkante aber, und zwar selbst dann, wenn Ruhe und Sicherheit im Lande durchaus gewährleistet sind, ist es bei weitem nicht so günstig gelegen wie Larasch. Wenn diese günstigen Aussichten sich in seinen jetzigen Handelsziffern noch nicht ausdrücken, so liegt das daran, daß unter den jetzigen Verhältnissen der Hafen zwei bis drei Monate im Jahre infolge starker Brandung auf der Barre geschlossen ist, und auch in einem großen Teil der übrigen Zeit die Schiffe tage- und selbst wochenlang vor der Barre liegen müssen, ehe ein Löschen der Ladung möglich ist. Damit aber sind bei den großen Anlagekosten, die in einem Schiffe stecken, und den großen Betriebsspesen außerordentliche Unkosten verbunden, die den Handel immer wieder veranlassen, das an sich ungünstiger gelegene Tanger zu bevorzugen, wo die Hafenverhältnisse zwar auch nichts weniger als ideal, aber immer weit besser sind als in Larasch, wo man gegenwärtig von einem Hafen überhaupt nicht sprechen kann. Die Schaffung eines modernen Hafens in Larasch würde sicher zur Folge haben, daß die Schiffsfrachten zum mindesten denjenigen Tangers gleichgestellt würden, was schon ausreichen würde, um eine außerordentliche Belebung des Handels hervorzurufen. Larasch selbst würde an Umfang zunehmen, da die Stadt viel zu eng ist für die Anzahl der dort ansässigen Bewohner. Ein Anstoß würde genügen, um ähnlich wie in Tanger und anderen Städten eine Vergrößerung außerhalb der jetzige?: Stadtmauern zu bewirken, was eine vermehrte Bautätigkeit und damit wieder eine verstärkte Einfuhr von Baumaterialien zur Folge haben würde. Die voraussetzliche Erhöhung des Warenumsatzes, welche ein modern angelegter Hafen in Larasch bewirken würde, läßt sich naturgemäß ziffernmäßig ebensowenig bestimmen, wie etwa der mögliche Warenumsatz eines modern reorganisierten Marokko. Für den Handel von Larasch dürfte die nachstehende Statistik des Imports und Exports von den Jahren 1904 und 1905, die letzte, die uns zugänglich ist, von Interesse sein. Was den Export betrifft, so entfallen drei Viertel der exportierten Waren auf Fes und die Provinzen zwischen Fes und Alkazar und ein Viertel auf die Umgebung von Larasch. Von dem Import dienen nach der Angabe von Sachverständigen etwa ein Viertel dem Lokalverbrauch und dem Verbrauch der umliegenden Gegend von Larasch, ein Viertel dem Verbrauch von Alkazar, Wasan, Mecknes und die Hälste für den Verbrauch von Fes. Wie sehr die Import- und die Exportziffern in diesen: hauptsächlich auf der Landwirtschaft beruhenden Lande von der Ernte abhängig sind, zeigt die Einfuhr- und Ausfuhr¬ statistik der beiden Jahre sehr deutlich. Das Jahr 1904 war für die nörd¬ lichen Provinzen kein günstiges Erntejahr, weshalb vom südlichen Marokko, welches eine vorzügliche Ernte hatte, Gerste und Weizen im Umfange von 2190 Tonnen importiert wurde. Ein ausgesprochenes Mißjahr war jedoch das Jahr 1905. Es hatte zur Folge, daß der Import hauptsächlich durch die ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/174>, abgerufen am 22.07.2024.