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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

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Das Eigenheim des Mittelstandes

Unter, und nur wenn ein Neststück mal absolut nirgends unterzubringen ist, ist
wohl eine -- natürlich nicht allzu günstig geschnittene -- Baustelle von etwa fünfzig
Ruten zu haben. Aber auch die Baustellen von erstgenannter Größe bilden nicht
die Regel; vielmehr sind es solche von hundertzwanzig bis hundertfünfzig und
noch mehr Ruten, die namentlich in irgendwie bevorzugter Lage als kleinste
Baustelle verkäuflich sind. Die Preise sür die Baustellen steigen sehr schnell.
Meist werden nicht nur, was ja berechtigt ist, die jährlichen Verzugszinsen
hinzugeschlagen, sondern auch noch der steigende Wert, zu dessen Steigerung
gewöhnlich der Spekulant nichts oder höchstens prozentualiter beigetragen hat.
Auch darin bildet die Grundstücksspekulation eine volkswirtschaftliche Ausnahme,
daß die Preise sich nicht immer nach Angebot und Nachfrage richten, daß viel¬
mehr der Spekulant so lange mit dem Verkauf zurückhält, bis man "ihm kommen
muß". In den besser gelegenen, waldreichen Vororten Berlins und anderer
Großstädte steigen denn auch die für landhausmäßige Bebauung bestimmten
Grundstücke in geradezu beängstigender Weise. Für Baustellen, die vor ein
paar Jahren noch zum Preise von 100 bis 150 Mark für die Rute zu haben
waren, wird heute das Doppelte bis Vierfache dieses Preises gefordert, und von
Leuten, die es sich leisten können, leider auch anstandslos bezahlt.

Wie hoch würden sich nun die Kosten für eine kleine Landhausansiedelung
stellen? Im allgemeinen kann man für Erbauung eines einfachen kleinen Land¬
hauses von fünf Zimmern und Zubehör annehmen, daß sich die Baukosten sür
den Quadratmeter -- ganz einfache Ausstattung vorausgesetzt -- auf 150 Mark
stellen und bei einer Verteilung der Räume auf Keller, Ober- und Dach¬
geschoß eine bebaute Fläche von etwa'hundert Quadratmeter bedecken werden.
Die reinen Baukosten für das Wohnhaus betragen demnach 15000 Mark,
wozu noch für Einzäunung des Grundstücks und Herrichtung des Gartens rund
1000 Mark zu rechnen sind, so daß sich die gesamten Baukosten auf 16000 Mark
stellen. Eine Baustelle von der obengenannten Mindestgröße von neunzig Ruten
wird einschließlich aller Unkosten, sowie in landschaftlich hübscher und mit Berlin
gut verbundener Lage etwa 22000 Mark kosten. Rechnet man einschließlich
Unterhaltungskosten einen jährlichen Zinsaufwand von nur 5^ Prozent von
38000 Mark, gleich rund 2100 Mark, dem 1200 bis 1500 Mark für eine
Stadtwohnung gegenüber steht.

Um solch ein Landhaus bewohnen zu können, gehört also, wenn man die
teuere Fahrt nach Berlin, sowie die meist teureren Lebensmittel mit hinzurechnet,
ein jährliches Einkommen von wenigstens 10000 bis 12000 Mark, ein Betrag,
der selbst vom besseren Mittelstande nicht erreicht wird.

Und doch ließe sich Abhilfe schaffen, und zwar recht gründliche Abhilfe
durch Zusammenarbeiten von Staat und Gemeinde. Statt Wald und Feld
durch die Spekulation "der Bebauung erschließen" zu lassen, sollte es, wenn
überhaupt, durch den Staat oder die Gemeinde selbst geschehen. Ich denke
dabei allerdings nicht daran, daß an Stelle des Gesamtverkaufs nun der Einzel-


Das Eigenheim des Mittelstandes

Unter, und nur wenn ein Neststück mal absolut nirgends unterzubringen ist, ist
wohl eine — natürlich nicht allzu günstig geschnittene — Baustelle von etwa fünfzig
Ruten zu haben. Aber auch die Baustellen von erstgenannter Größe bilden nicht
die Regel; vielmehr sind es solche von hundertzwanzig bis hundertfünfzig und
noch mehr Ruten, die namentlich in irgendwie bevorzugter Lage als kleinste
Baustelle verkäuflich sind. Die Preise sür die Baustellen steigen sehr schnell.
Meist werden nicht nur, was ja berechtigt ist, die jährlichen Verzugszinsen
hinzugeschlagen, sondern auch noch der steigende Wert, zu dessen Steigerung
gewöhnlich der Spekulant nichts oder höchstens prozentualiter beigetragen hat.
Auch darin bildet die Grundstücksspekulation eine volkswirtschaftliche Ausnahme,
daß die Preise sich nicht immer nach Angebot und Nachfrage richten, daß viel¬
mehr der Spekulant so lange mit dem Verkauf zurückhält, bis man „ihm kommen
muß". In den besser gelegenen, waldreichen Vororten Berlins und anderer
Großstädte steigen denn auch die für landhausmäßige Bebauung bestimmten
Grundstücke in geradezu beängstigender Weise. Für Baustellen, die vor ein
paar Jahren noch zum Preise von 100 bis 150 Mark für die Rute zu haben
waren, wird heute das Doppelte bis Vierfache dieses Preises gefordert, und von
Leuten, die es sich leisten können, leider auch anstandslos bezahlt.

Wie hoch würden sich nun die Kosten für eine kleine Landhausansiedelung
stellen? Im allgemeinen kann man für Erbauung eines einfachen kleinen Land¬
hauses von fünf Zimmern und Zubehör annehmen, daß sich die Baukosten sür
den Quadratmeter — ganz einfache Ausstattung vorausgesetzt — auf 150 Mark
stellen und bei einer Verteilung der Räume auf Keller, Ober- und Dach¬
geschoß eine bebaute Fläche von etwa'hundert Quadratmeter bedecken werden.
Die reinen Baukosten für das Wohnhaus betragen demnach 15000 Mark,
wozu noch für Einzäunung des Grundstücks und Herrichtung des Gartens rund
1000 Mark zu rechnen sind, so daß sich die gesamten Baukosten auf 16000 Mark
stellen. Eine Baustelle von der obengenannten Mindestgröße von neunzig Ruten
wird einschließlich aller Unkosten, sowie in landschaftlich hübscher und mit Berlin
gut verbundener Lage etwa 22000 Mark kosten. Rechnet man einschließlich
Unterhaltungskosten einen jährlichen Zinsaufwand von nur 5^ Prozent von
38000 Mark, gleich rund 2100 Mark, dem 1200 bis 1500 Mark für eine
Stadtwohnung gegenüber steht.

Um solch ein Landhaus bewohnen zu können, gehört also, wenn man die
teuere Fahrt nach Berlin, sowie die meist teureren Lebensmittel mit hinzurechnet,
ein jährliches Einkommen von wenigstens 10000 bis 12000 Mark, ein Betrag,
der selbst vom besseren Mittelstande nicht erreicht wird.

Und doch ließe sich Abhilfe schaffen, und zwar recht gründliche Abhilfe
durch Zusammenarbeiten von Staat und Gemeinde. Statt Wald und Feld
durch die Spekulation „der Bebauung erschließen" zu lassen, sollte es, wenn
überhaupt, durch den Staat oder die Gemeinde selbst geschehen. Ich denke
dabei allerdings nicht daran, daß an Stelle des Gesamtverkaufs nun der Einzel-


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[0163] Das Eigenheim des Mittelstandes Unter, und nur wenn ein Neststück mal absolut nirgends unterzubringen ist, ist wohl eine — natürlich nicht allzu günstig geschnittene — Baustelle von etwa fünfzig Ruten zu haben. Aber auch die Baustellen von erstgenannter Größe bilden nicht die Regel; vielmehr sind es solche von hundertzwanzig bis hundertfünfzig und noch mehr Ruten, die namentlich in irgendwie bevorzugter Lage als kleinste Baustelle verkäuflich sind. Die Preise sür die Baustellen steigen sehr schnell. Meist werden nicht nur, was ja berechtigt ist, die jährlichen Verzugszinsen hinzugeschlagen, sondern auch noch der steigende Wert, zu dessen Steigerung gewöhnlich der Spekulant nichts oder höchstens prozentualiter beigetragen hat. Auch darin bildet die Grundstücksspekulation eine volkswirtschaftliche Ausnahme, daß die Preise sich nicht immer nach Angebot und Nachfrage richten, daß viel¬ mehr der Spekulant so lange mit dem Verkauf zurückhält, bis man „ihm kommen muß". In den besser gelegenen, waldreichen Vororten Berlins und anderer Großstädte steigen denn auch die für landhausmäßige Bebauung bestimmten Grundstücke in geradezu beängstigender Weise. Für Baustellen, die vor ein paar Jahren noch zum Preise von 100 bis 150 Mark für die Rute zu haben waren, wird heute das Doppelte bis Vierfache dieses Preises gefordert, und von Leuten, die es sich leisten können, leider auch anstandslos bezahlt. Wie hoch würden sich nun die Kosten für eine kleine Landhausansiedelung stellen? Im allgemeinen kann man für Erbauung eines einfachen kleinen Land¬ hauses von fünf Zimmern und Zubehör annehmen, daß sich die Baukosten sür den Quadratmeter — ganz einfache Ausstattung vorausgesetzt — auf 150 Mark stellen und bei einer Verteilung der Räume auf Keller, Ober- und Dach¬ geschoß eine bebaute Fläche von etwa'hundert Quadratmeter bedecken werden. Die reinen Baukosten für das Wohnhaus betragen demnach 15000 Mark, wozu noch für Einzäunung des Grundstücks und Herrichtung des Gartens rund 1000 Mark zu rechnen sind, so daß sich die gesamten Baukosten auf 16000 Mark stellen. Eine Baustelle von der obengenannten Mindestgröße von neunzig Ruten wird einschließlich aller Unkosten, sowie in landschaftlich hübscher und mit Berlin gut verbundener Lage etwa 22000 Mark kosten. Rechnet man einschließlich Unterhaltungskosten einen jährlichen Zinsaufwand von nur 5^ Prozent von 38000 Mark, gleich rund 2100 Mark, dem 1200 bis 1500 Mark für eine Stadtwohnung gegenüber steht. Um solch ein Landhaus bewohnen zu können, gehört also, wenn man die teuere Fahrt nach Berlin, sowie die meist teureren Lebensmittel mit hinzurechnet, ein jährliches Einkommen von wenigstens 10000 bis 12000 Mark, ein Betrag, der selbst vom besseren Mittelstande nicht erreicht wird. Und doch ließe sich Abhilfe schaffen, und zwar recht gründliche Abhilfe durch Zusammenarbeiten von Staat und Gemeinde. Statt Wald und Feld durch die Spekulation „der Bebauung erschließen" zu lassen, sollte es, wenn überhaupt, durch den Staat oder die Gemeinde selbst geschehen. Ich denke dabei allerdings nicht daran, daß an Stelle des Gesamtverkaufs nun der Einzel-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/163>, abgerufen am 22.07.2024.