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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

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Das Eigenheim des Mittelstandes

verkauf durch diese treten soll, denn dann wäre der Spekulation nach wie vor
Tür und Tor geöffnet. Man kann das sehr schön sehen, wenn man einmal
durch Baugelände geht, welches eine Gemeinde selbst parzelliert und verkauft
hat. Überall hängen an Bäumen und Zäunen die Verkaufsschilder der gegen¬
wärtigen Besitzer, die es von der Gemeinde direkt erworben haben, nicht um es zu
bebauen, sondern um es so schnell als möglich mit möglichst großem Nutzen
weiter zu verkaufen. Abgesehen davon werden aber derartige Gelände manchmal
von den Gemeinden selbst schon unter Festlegung eines ziemlich hohen Mindest¬
preises so versteigert, daß von einem billigen Erwerb von Anfang an keine
Rede ist.

Ich meine die Erbpacht.

Weshalb vererbpachtet der Forstfiskus im Grünewald und anderen land¬
schaftlich bevorzugten und zur Großstadt bequem gelegenen Gegenden nicht
dasjenige Gelände, das er sowieso für die Bebauung freigeben will. Ich
bin der Ansicht, eine so große Arbeit ist doch die Herrichtung von Wald und
Feld zu Baugelände nicht, als daß der Staat die Kosten und die Arbeit
hierfür zu scheuen hätte. Dasselbe gilt auch von den Gemeinden. Weshalb
überlassen sie der Spekulation das Baugelände, statt es selbst zu erwerben und
dauernd zu behalten. Muß denn immer und immer wieder die Spekulation
sich auf Kosten der Allgemeinheit bereichern? Es ist nicht zu verkennen, daß
einige Terraingesellschaften sich unleugbare Verdienste erworben haben, indem
sie manchen Bevölkerungskreisen überhaupt erst die Möglichkeit geboten haben,
sich in gesunder Luft, in landschaftlich schöner Gegend anzusiedeln. Auch die
Allgemeinheit hat manchen Vorteil eingeheimst, da z. B. Bahnhossanlagen, die
die Terraingesellschaften bei ihren Ansiedelungen haben errichten lassen, erst
Gegenden erschlossen haben. Dies gilt beispielsweise bei Berlin von Nikolassee an
der Wannseebahn und Frohnau an der Nordbahn. Es soll auch gar nicht geleugnet
werden, daß man von einer Gesellschaft eine Baustelle im allgemeinen billiger erwerben
kann als von Privatspekulanten. So ist z. B. von einer bekannten Terraingesellschaft
im Westen Berlins die Quadratrute zum Preise von 200 bis 250 Mark zu kaufen,
während für das im Privatbesitz befindliche benachbarte Baugelände 300 und noch
mehr Mark gefordert werden. Aber weshalb mußte denn das Gelände überhaupt
verkauft werden, weshalb kann nicht die Allgenieinheit den Nutzen daraus
ziehen, den die Gesellschaften und ein paar kapitalkräftige Privatleute einheimsen.

Einen recht drastischen Beweis, wie wenig sozial in manchen staatlichen und
Gemeindeverwaltungen gedacht wird, wenn es sich um die Wohnungsfürsorge
für den Mittelstand handelt, bietet der Verkauf des Tempelhofer Feldes bei
Berlin. Offiziell ist das Gelände zwar an die Gemeinde Tempelhof verkauft,
tatsächlich aber an die Spekulation.

Zwar bin ich davon überzeugt, daß die augenblicklich an der Aufteilung
des Feldes Beteiligten sich wohl einen anständigen Verdienst sichern werden,
aber doch nichts mehr.


Das Eigenheim des Mittelstandes

verkauf durch diese treten soll, denn dann wäre der Spekulation nach wie vor
Tür und Tor geöffnet. Man kann das sehr schön sehen, wenn man einmal
durch Baugelände geht, welches eine Gemeinde selbst parzelliert und verkauft
hat. Überall hängen an Bäumen und Zäunen die Verkaufsschilder der gegen¬
wärtigen Besitzer, die es von der Gemeinde direkt erworben haben, nicht um es zu
bebauen, sondern um es so schnell als möglich mit möglichst großem Nutzen
weiter zu verkaufen. Abgesehen davon werden aber derartige Gelände manchmal
von den Gemeinden selbst schon unter Festlegung eines ziemlich hohen Mindest¬
preises so versteigert, daß von einem billigen Erwerb von Anfang an keine
Rede ist.

Ich meine die Erbpacht.

Weshalb vererbpachtet der Forstfiskus im Grünewald und anderen land¬
schaftlich bevorzugten und zur Großstadt bequem gelegenen Gegenden nicht
dasjenige Gelände, das er sowieso für die Bebauung freigeben will. Ich
bin der Ansicht, eine so große Arbeit ist doch die Herrichtung von Wald und
Feld zu Baugelände nicht, als daß der Staat die Kosten und die Arbeit
hierfür zu scheuen hätte. Dasselbe gilt auch von den Gemeinden. Weshalb
überlassen sie der Spekulation das Baugelände, statt es selbst zu erwerben und
dauernd zu behalten. Muß denn immer und immer wieder die Spekulation
sich auf Kosten der Allgemeinheit bereichern? Es ist nicht zu verkennen, daß
einige Terraingesellschaften sich unleugbare Verdienste erworben haben, indem
sie manchen Bevölkerungskreisen überhaupt erst die Möglichkeit geboten haben,
sich in gesunder Luft, in landschaftlich schöner Gegend anzusiedeln. Auch die
Allgemeinheit hat manchen Vorteil eingeheimst, da z. B. Bahnhossanlagen, die
die Terraingesellschaften bei ihren Ansiedelungen haben errichten lassen, erst
Gegenden erschlossen haben. Dies gilt beispielsweise bei Berlin von Nikolassee an
der Wannseebahn und Frohnau an der Nordbahn. Es soll auch gar nicht geleugnet
werden, daß man von einer Gesellschaft eine Baustelle im allgemeinen billiger erwerben
kann als von Privatspekulanten. So ist z. B. von einer bekannten Terraingesellschaft
im Westen Berlins die Quadratrute zum Preise von 200 bis 250 Mark zu kaufen,
während für das im Privatbesitz befindliche benachbarte Baugelände 300 und noch
mehr Mark gefordert werden. Aber weshalb mußte denn das Gelände überhaupt
verkauft werden, weshalb kann nicht die Allgenieinheit den Nutzen daraus
ziehen, den die Gesellschaften und ein paar kapitalkräftige Privatleute einheimsen.

Einen recht drastischen Beweis, wie wenig sozial in manchen staatlichen und
Gemeindeverwaltungen gedacht wird, wenn es sich um die Wohnungsfürsorge
für den Mittelstand handelt, bietet der Verkauf des Tempelhofer Feldes bei
Berlin. Offiziell ist das Gelände zwar an die Gemeinde Tempelhof verkauft,
tatsächlich aber an die Spekulation.

Zwar bin ich davon überzeugt, daß die augenblicklich an der Aufteilung
des Feldes Beteiligten sich wohl einen anständigen Verdienst sichern werden,
aber doch nichts mehr.


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[0164] Das Eigenheim des Mittelstandes verkauf durch diese treten soll, denn dann wäre der Spekulation nach wie vor Tür und Tor geöffnet. Man kann das sehr schön sehen, wenn man einmal durch Baugelände geht, welches eine Gemeinde selbst parzelliert und verkauft hat. Überall hängen an Bäumen und Zäunen die Verkaufsschilder der gegen¬ wärtigen Besitzer, die es von der Gemeinde direkt erworben haben, nicht um es zu bebauen, sondern um es so schnell als möglich mit möglichst großem Nutzen weiter zu verkaufen. Abgesehen davon werden aber derartige Gelände manchmal von den Gemeinden selbst schon unter Festlegung eines ziemlich hohen Mindest¬ preises so versteigert, daß von einem billigen Erwerb von Anfang an keine Rede ist. Ich meine die Erbpacht. Weshalb vererbpachtet der Forstfiskus im Grünewald und anderen land¬ schaftlich bevorzugten und zur Großstadt bequem gelegenen Gegenden nicht dasjenige Gelände, das er sowieso für die Bebauung freigeben will. Ich bin der Ansicht, eine so große Arbeit ist doch die Herrichtung von Wald und Feld zu Baugelände nicht, als daß der Staat die Kosten und die Arbeit hierfür zu scheuen hätte. Dasselbe gilt auch von den Gemeinden. Weshalb überlassen sie der Spekulation das Baugelände, statt es selbst zu erwerben und dauernd zu behalten. Muß denn immer und immer wieder die Spekulation sich auf Kosten der Allgemeinheit bereichern? Es ist nicht zu verkennen, daß einige Terraingesellschaften sich unleugbare Verdienste erworben haben, indem sie manchen Bevölkerungskreisen überhaupt erst die Möglichkeit geboten haben, sich in gesunder Luft, in landschaftlich schöner Gegend anzusiedeln. Auch die Allgemeinheit hat manchen Vorteil eingeheimst, da z. B. Bahnhossanlagen, die die Terraingesellschaften bei ihren Ansiedelungen haben errichten lassen, erst Gegenden erschlossen haben. Dies gilt beispielsweise bei Berlin von Nikolassee an der Wannseebahn und Frohnau an der Nordbahn. Es soll auch gar nicht geleugnet werden, daß man von einer Gesellschaft eine Baustelle im allgemeinen billiger erwerben kann als von Privatspekulanten. So ist z. B. von einer bekannten Terraingesellschaft im Westen Berlins die Quadratrute zum Preise von 200 bis 250 Mark zu kaufen, während für das im Privatbesitz befindliche benachbarte Baugelände 300 und noch mehr Mark gefordert werden. Aber weshalb mußte denn das Gelände überhaupt verkauft werden, weshalb kann nicht die Allgenieinheit den Nutzen daraus ziehen, den die Gesellschaften und ein paar kapitalkräftige Privatleute einheimsen. Einen recht drastischen Beweis, wie wenig sozial in manchen staatlichen und Gemeindeverwaltungen gedacht wird, wenn es sich um die Wohnungsfürsorge für den Mittelstand handelt, bietet der Verkauf des Tempelhofer Feldes bei Berlin. Offiziell ist das Gelände zwar an die Gemeinde Tempelhof verkauft, tatsächlich aber an die Spekulation. Zwar bin ich davon überzeugt, daß die augenblicklich an der Aufteilung des Feldes Beteiligten sich wohl einen anständigen Verdienst sichern werden, aber doch nichts mehr.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/164>, abgerufen am 22.07.2024.