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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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Königin Luise

Das zwingt selbst dem Bewunderung ab, der, im Sinne unserer Tage
denkend, von der wahren Ehe ganz andere Vorstellungen hat.

Bei ihr sproßte doch aus der Achtung bald eine innige Liebe; noch auf dem
letzten Blatt Geschriebenes von ihrer Hand lesen wir das dankbare Bekenntnis,
daß sie glücklich sei in der Liebe des besten der Ehemänner. Wohl gab es auch
in der Königin Leben Augenblicke, in denen Männer von gewinnenderer und
eindrucksvollerer Art als der Gatte ihren Pfad kreuzten. So vor allein Kaiser
Alexander der Erste. Aber die gingen vorüber, ohne einen trüben Schatten
auf ihr eheliches Glück und ihre Treue zu werfen. Alle Verdächtigungen der Art
find Verleumdung, ob sie, von Napoleon geflissentlich ausgestreut, Luise mit
den: schönen Zaren in Beziehung brachten oder später ihr Verhältnis zum
Franzosenkaiser in den Schmutz zogen.

Gerade in Ehesachen gab das Königspaar Preußens ein leuchtendes Beispiel;
in dem schon damals lockeren Berlin und zur Zeit der sittlichen Erstarkung des
Volkes war das von größtem Wert.

Den Segen davon hatten besonders die Kinder Luisens. Soweit das wechsel¬
volle Schicksal zumal der Jahre seit 1806 es irgend gestattete, war sie ihnen
eine treue, um ihr geistiges und leibliches Wohl gleich besorgte Mutter.

Überhaupt! Mit inniger, oft schwärmerischer Liebe umfaßte sie die Ihrigen,
die Geschwister voran. Mit gleicher Zuneigung hingen diese an ihr. Ja,
man hat die Königin gescholten, daß sie da des Guten zu viel täte. Man
sollte das nicht leugnen, aber auch nicht verurteilen. "Ich liebe alle Menschen"
war ein Wahlspruch Luisens. "Nur wer liebt, lebt," fügte sie hinzu.

Überall, wo ihr nahestehende von der Königin berichten, redet mit Treue
vergeltende Liebe. So in dem lesenswerten Buch von Luisens Oberhofmeisterin,
der Gräfin von Voß: "69 Jahre am preußischen Hof".

So auch in der biographischen Skizze aus der Feder der Freundin Luisens,
der Frau von Berg. Hier hat ergebene Anhänglichkeit der Königin ein besonders
schönes Denkmal begeisterter Verehrung gesetzt.

Dies wird gestützt und ergänzt durch das ganz vortreffliche Werk über die
Königin Luise von Paul Banken. In der maßvollen Würdigung seiner Heldin
ist dieses Buch wie kein zweites geeignet, den Leser zu einem aufrichtigen Ver¬
ehrer Luisens zu machen. Gerade, weil wir da auch Schatten sehen, von
menschlicher Schwäche und Unzulänglichkeit hören, rückt uns die Gestalt der
Königin näher mit ihrer Herzensgüte und selbstlosen Opferwilligkeit. Wir lernen
eine Frau kennen, die, durch Tränen nicht nur erleichtert, sondern erstarkt, den
Lebenskampf aufnimmt. Für sie war er besonders hart, und mehr als einmal
drohte ihr die Kraft verzweifelt zu erlahmen. Aber immer wieder raffte sie
sich auf. Das ist eine um so größere Tat, als so viel Willenskraft von einem
schwachen Körper verlangt wurde. Früh schou begann sie zu kränkeln. Den
Schädlichkeiten, denen Krone, Ehe und Leben sie aussetzten, war sie nicht
gewachsen. Lange Fahrten, ermüdende Empfänge, harte Entbehrungen auf


Königin Luise

Das zwingt selbst dem Bewunderung ab, der, im Sinne unserer Tage
denkend, von der wahren Ehe ganz andere Vorstellungen hat.

Bei ihr sproßte doch aus der Achtung bald eine innige Liebe; noch auf dem
letzten Blatt Geschriebenes von ihrer Hand lesen wir das dankbare Bekenntnis,
daß sie glücklich sei in der Liebe des besten der Ehemänner. Wohl gab es auch
in der Königin Leben Augenblicke, in denen Männer von gewinnenderer und
eindrucksvollerer Art als der Gatte ihren Pfad kreuzten. So vor allein Kaiser
Alexander der Erste. Aber die gingen vorüber, ohne einen trüben Schatten
auf ihr eheliches Glück und ihre Treue zu werfen. Alle Verdächtigungen der Art
find Verleumdung, ob sie, von Napoleon geflissentlich ausgestreut, Luise mit
den: schönen Zaren in Beziehung brachten oder später ihr Verhältnis zum
Franzosenkaiser in den Schmutz zogen.

Gerade in Ehesachen gab das Königspaar Preußens ein leuchtendes Beispiel;
in dem schon damals lockeren Berlin und zur Zeit der sittlichen Erstarkung des
Volkes war das von größtem Wert.

Den Segen davon hatten besonders die Kinder Luisens. Soweit das wechsel¬
volle Schicksal zumal der Jahre seit 1806 es irgend gestattete, war sie ihnen
eine treue, um ihr geistiges und leibliches Wohl gleich besorgte Mutter.

Überhaupt! Mit inniger, oft schwärmerischer Liebe umfaßte sie die Ihrigen,
die Geschwister voran. Mit gleicher Zuneigung hingen diese an ihr. Ja,
man hat die Königin gescholten, daß sie da des Guten zu viel täte. Man
sollte das nicht leugnen, aber auch nicht verurteilen. „Ich liebe alle Menschen"
war ein Wahlspruch Luisens. „Nur wer liebt, lebt," fügte sie hinzu.

Überall, wo ihr nahestehende von der Königin berichten, redet mit Treue
vergeltende Liebe. So in dem lesenswerten Buch von Luisens Oberhofmeisterin,
der Gräfin von Voß: „69 Jahre am preußischen Hof".

So auch in der biographischen Skizze aus der Feder der Freundin Luisens,
der Frau von Berg. Hier hat ergebene Anhänglichkeit der Königin ein besonders
schönes Denkmal begeisterter Verehrung gesetzt.

Dies wird gestützt und ergänzt durch das ganz vortreffliche Werk über die
Königin Luise von Paul Banken. In der maßvollen Würdigung seiner Heldin
ist dieses Buch wie kein zweites geeignet, den Leser zu einem aufrichtigen Ver¬
ehrer Luisens zu machen. Gerade, weil wir da auch Schatten sehen, von
menschlicher Schwäche und Unzulänglichkeit hören, rückt uns die Gestalt der
Königin näher mit ihrer Herzensgüte und selbstlosen Opferwilligkeit. Wir lernen
eine Frau kennen, die, durch Tränen nicht nur erleichtert, sondern erstarkt, den
Lebenskampf aufnimmt. Für sie war er besonders hart, und mehr als einmal
drohte ihr die Kraft verzweifelt zu erlahmen. Aber immer wieder raffte sie
sich auf. Das ist eine um so größere Tat, als so viel Willenskraft von einem
schwachen Körper verlangt wurde. Früh schou begann sie zu kränkeln. Den
Schädlichkeiten, denen Krone, Ehe und Leben sie aussetzten, war sie nicht
gewachsen. Lange Fahrten, ermüdende Empfänge, harte Entbehrungen auf


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[0079] Königin Luise Das zwingt selbst dem Bewunderung ab, der, im Sinne unserer Tage denkend, von der wahren Ehe ganz andere Vorstellungen hat. Bei ihr sproßte doch aus der Achtung bald eine innige Liebe; noch auf dem letzten Blatt Geschriebenes von ihrer Hand lesen wir das dankbare Bekenntnis, daß sie glücklich sei in der Liebe des besten der Ehemänner. Wohl gab es auch in der Königin Leben Augenblicke, in denen Männer von gewinnenderer und eindrucksvollerer Art als der Gatte ihren Pfad kreuzten. So vor allein Kaiser Alexander der Erste. Aber die gingen vorüber, ohne einen trüben Schatten auf ihr eheliches Glück und ihre Treue zu werfen. Alle Verdächtigungen der Art find Verleumdung, ob sie, von Napoleon geflissentlich ausgestreut, Luise mit den: schönen Zaren in Beziehung brachten oder später ihr Verhältnis zum Franzosenkaiser in den Schmutz zogen. Gerade in Ehesachen gab das Königspaar Preußens ein leuchtendes Beispiel; in dem schon damals lockeren Berlin und zur Zeit der sittlichen Erstarkung des Volkes war das von größtem Wert. Den Segen davon hatten besonders die Kinder Luisens. Soweit das wechsel¬ volle Schicksal zumal der Jahre seit 1806 es irgend gestattete, war sie ihnen eine treue, um ihr geistiges und leibliches Wohl gleich besorgte Mutter. Überhaupt! Mit inniger, oft schwärmerischer Liebe umfaßte sie die Ihrigen, die Geschwister voran. Mit gleicher Zuneigung hingen diese an ihr. Ja, man hat die Königin gescholten, daß sie da des Guten zu viel täte. Man sollte das nicht leugnen, aber auch nicht verurteilen. „Ich liebe alle Menschen" war ein Wahlspruch Luisens. „Nur wer liebt, lebt," fügte sie hinzu. Überall, wo ihr nahestehende von der Königin berichten, redet mit Treue vergeltende Liebe. So in dem lesenswerten Buch von Luisens Oberhofmeisterin, der Gräfin von Voß: „69 Jahre am preußischen Hof". So auch in der biographischen Skizze aus der Feder der Freundin Luisens, der Frau von Berg. Hier hat ergebene Anhänglichkeit der Königin ein besonders schönes Denkmal begeisterter Verehrung gesetzt. Dies wird gestützt und ergänzt durch das ganz vortreffliche Werk über die Königin Luise von Paul Banken. In der maßvollen Würdigung seiner Heldin ist dieses Buch wie kein zweites geeignet, den Leser zu einem aufrichtigen Ver¬ ehrer Luisens zu machen. Gerade, weil wir da auch Schatten sehen, von menschlicher Schwäche und Unzulänglichkeit hören, rückt uns die Gestalt der Königin näher mit ihrer Herzensgüte und selbstlosen Opferwilligkeit. Wir lernen eine Frau kennen, die, durch Tränen nicht nur erleichtert, sondern erstarkt, den Lebenskampf aufnimmt. Für sie war er besonders hart, und mehr als einmal drohte ihr die Kraft verzweifelt zu erlahmen. Aber immer wieder raffte sie sich auf. Das ist eine um so größere Tat, als so viel Willenskraft von einem schwachen Körper verlangt wurde. Früh schou begann sie zu kränkeln. Den Schädlichkeiten, denen Krone, Ehe und Leben sie aussetzten, war sie nicht gewachsen. Lange Fahrten, ermüdende Empfänge, harte Entbehrungen auf

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/79>, abgerufen am 23.07.2024.