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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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Das deutsche Kolonialreich

Botaniker, Geologe usw. Dieses Wissen gibt ihm die Möglichkeit, mit Erfolg
sich in sein spezielles Arbeitsgebiet hineinzufinden. Und für den Gebildeten,
den Kolonialfreund repräsentiert ein ungefährer Überblick über den Inhalt des
Werkes, wie schon gesagt, die allgemeine koloniale Bildung. Der koloniale
Publizist aber kann angesichts des mit Spannung erwarteten Buches geradezu
aufatmen. Nirgends in dem Maße wie auf kolonialen Gebiet hatte man bisher
nnter der mangelnden Konzentration der Literatur zu leiden. Nicht nur war
das koloniale Wissen in zahllosen Büchern, Broschüren und Zeitschriften zerstreut,
sondern es machte sich außerdem neben krasser Ignoranz und kindlicher Naivität
ein starker Mangel wissenschaftlicher Schulung geltend. Aber das wäre nicht
das Schlimmste, falls es sich wenigstens, wenn auch mit Zeitverlust, erkennen
ließ. Schlimmer war schon die Literatur, die unter wissenschaftlichem Anstrich
und autoritativen: Mäntelchen unrichtiges und unbrauchbares Material birgt.
Auch das ist ein Verdienst des Menerschen Werkes, daß es einmal die Spreu
vom Weizen getrennt hat. Allerdings ist in den den einzelnen Abschnitten bei¬
gegebenen Literaturnachweisen noch manches Buch aufgeführt, das meines Erachtens
nicht sonderlich ernst zu nehmen ist, aber das sind vielleicht Ansichtssachen. Der
Güte des Werkes tut dies jedenfalls keinen Abbruch, denn der Fachmann weiß
nach seinen eigenen Anschauungen zu unterscheiden und der Laie läßt sich an
dem Text genügen.

Die sachliche Einteilung ergibt sich schon ans dem oben angedeuteten
Gesamtplan des Werkes: Entdeckungsgeschichte -- Oberflächengestaltung --
Klima -- Pflanzen- und Tierwelt -- Bevölkerung -- natürliche Landschaften --
Kolonialwirtschaft (Produkte, Handel, Kulturen, Besiedelung, Verkehr, Wirtschafts¬
statistik).

Ostafrika ist von dem Herausgeber Hans Meyer selbst bearbeitet. Kamerun
und Togo von Siegfried Paffarge, Südwestafrika von Leonhard Schultze, Südsee
von Wilhelm Siepers, Kiautschou von Georg Wegener.

Als Ergebnis der zusammenfassenden Untersuchungen Hans Meyers kann
hervorgehoben werden, daß auch im deutschen Kolonialreich jeder Teil eine
naturbedingte, organische Einheit ist. Allerdings -- und das möchte ich zur
Ehre unsrer draußen tätigen Beamten und Offiziere betonen -- ist das
durch deren Tätigkeit erst allmählich geworden. Die Grenzen verliefen dank
der Kompromißpolitik der heimischen Regierung vielfach so unglücklich, daß
manche politische Einheit, manches Wirtschaftsgebiet verstümmelt war. Durch
geschickte politische und wirtschaftliche Maßnahmen wurde mancher Fehler, den
die Feder des Diplomaten gemacht hatte, nachher repariert.

Der Übersichtlichkeit der sachlichen Einteilung des Werkes stellt sich die Ver¬
ständlichkeit und Anschaulichkeit der Darstellung würdig an die Seite. Prächtige
Einzeldarstellungen, z. B. interessanter Landschaften, wichtiger Plätze, beleben
den Text. Zum Beispiel -- um einen aktuellen Gegenstand herauszugreifen --
gibt die Darstellung des Diamanteuvorkommens in Südwestafrika eilt klares Bild


Das deutsche Kolonialreich

Botaniker, Geologe usw. Dieses Wissen gibt ihm die Möglichkeit, mit Erfolg
sich in sein spezielles Arbeitsgebiet hineinzufinden. Und für den Gebildeten,
den Kolonialfreund repräsentiert ein ungefährer Überblick über den Inhalt des
Werkes, wie schon gesagt, die allgemeine koloniale Bildung. Der koloniale
Publizist aber kann angesichts des mit Spannung erwarteten Buches geradezu
aufatmen. Nirgends in dem Maße wie auf kolonialen Gebiet hatte man bisher
nnter der mangelnden Konzentration der Literatur zu leiden. Nicht nur war
das koloniale Wissen in zahllosen Büchern, Broschüren und Zeitschriften zerstreut,
sondern es machte sich außerdem neben krasser Ignoranz und kindlicher Naivität
ein starker Mangel wissenschaftlicher Schulung geltend. Aber das wäre nicht
das Schlimmste, falls es sich wenigstens, wenn auch mit Zeitverlust, erkennen
ließ. Schlimmer war schon die Literatur, die unter wissenschaftlichem Anstrich
und autoritativen: Mäntelchen unrichtiges und unbrauchbares Material birgt.
Auch das ist ein Verdienst des Menerschen Werkes, daß es einmal die Spreu
vom Weizen getrennt hat. Allerdings ist in den den einzelnen Abschnitten bei¬
gegebenen Literaturnachweisen noch manches Buch aufgeführt, das meines Erachtens
nicht sonderlich ernst zu nehmen ist, aber das sind vielleicht Ansichtssachen. Der
Güte des Werkes tut dies jedenfalls keinen Abbruch, denn der Fachmann weiß
nach seinen eigenen Anschauungen zu unterscheiden und der Laie läßt sich an
dem Text genügen.

Die sachliche Einteilung ergibt sich schon ans dem oben angedeuteten
Gesamtplan des Werkes: Entdeckungsgeschichte — Oberflächengestaltung —
Klima — Pflanzen- und Tierwelt — Bevölkerung — natürliche Landschaften —
Kolonialwirtschaft (Produkte, Handel, Kulturen, Besiedelung, Verkehr, Wirtschafts¬
statistik).

Ostafrika ist von dem Herausgeber Hans Meyer selbst bearbeitet. Kamerun
und Togo von Siegfried Paffarge, Südwestafrika von Leonhard Schultze, Südsee
von Wilhelm Siepers, Kiautschou von Georg Wegener.

Als Ergebnis der zusammenfassenden Untersuchungen Hans Meyers kann
hervorgehoben werden, daß auch im deutschen Kolonialreich jeder Teil eine
naturbedingte, organische Einheit ist. Allerdings — und das möchte ich zur
Ehre unsrer draußen tätigen Beamten und Offiziere betonen — ist das
durch deren Tätigkeit erst allmählich geworden. Die Grenzen verliefen dank
der Kompromißpolitik der heimischen Regierung vielfach so unglücklich, daß
manche politische Einheit, manches Wirtschaftsgebiet verstümmelt war. Durch
geschickte politische und wirtschaftliche Maßnahmen wurde mancher Fehler, den
die Feder des Diplomaten gemacht hatte, nachher repariert.

Der Übersichtlichkeit der sachlichen Einteilung des Werkes stellt sich die Ver¬
ständlichkeit und Anschaulichkeit der Darstellung würdig an die Seite. Prächtige
Einzeldarstellungen, z. B. interessanter Landschaften, wichtiger Plätze, beleben
den Text. Zum Beispiel — um einen aktuellen Gegenstand herauszugreifen —
gibt die Darstellung des Diamanteuvorkommens in Südwestafrika eilt klares Bild


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[0064] Das deutsche Kolonialreich Botaniker, Geologe usw. Dieses Wissen gibt ihm die Möglichkeit, mit Erfolg sich in sein spezielles Arbeitsgebiet hineinzufinden. Und für den Gebildeten, den Kolonialfreund repräsentiert ein ungefährer Überblick über den Inhalt des Werkes, wie schon gesagt, die allgemeine koloniale Bildung. Der koloniale Publizist aber kann angesichts des mit Spannung erwarteten Buches geradezu aufatmen. Nirgends in dem Maße wie auf kolonialen Gebiet hatte man bisher nnter der mangelnden Konzentration der Literatur zu leiden. Nicht nur war das koloniale Wissen in zahllosen Büchern, Broschüren und Zeitschriften zerstreut, sondern es machte sich außerdem neben krasser Ignoranz und kindlicher Naivität ein starker Mangel wissenschaftlicher Schulung geltend. Aber das wäre nicht das Schlimmste, falls es sich wenigstens, wenn auch mit Zeitverlust, erkennen ließ. Schlimmer war schon die Literatur, die unter wissenschaftlichem Anstrich und autoritativen: Mäntelchen unrichtiges und unbrauchbares Material birgt. Auch das ist ein Verdienst des Menerschen Werkes, daß es einmal die Spreu vom Weizen getrennt hat. Allerdings ist in den den einzelnen Abschnitten bei¬ gegebenen Literaturnachweisen noch manches Buch aufgeführt, das meines Erachtens nicht sonderlich ernst zu nehmen ist, aber das sind vielleicht Ansichtssachen. Der Güte des Werkes tut dies jedenfalls keinen Abbruch, denn der Fachmann weiß nach seinen eigenen Anschauungen zu unterscheiden und der Laie läßt sich an dem Text genügen. Die sachliche Einteilung ergibt sich schon ans dem oben angedeuteten Gesamtplan des Werkes: Entdeckungsgeschichte — Oberflächengestaltung — Klima — Pflanzen- und Tierwelt — Bevölkerung — natürliche Landschaften — Kolonialwirtschaft (Produkte, Handel, Kulturen, Besiedelung, Verkehr, Wirtschafts¬ statistik). Ostafrika ist von dem Herausgeber Hans Meyer selbst bearbeitet. Kamerun und Togo von Siegfried Paffarge, Südwestafrika von Leonhard Schultze, Südsee von Wilhelm Siepers, Kiautschou von Georg Wegener. Als Ergebnis der zusammenfassenden Untersuchungen Hans Meyers kann hervorgehoben werden, daß auch im deutschen Kolonialreich jeder Teil eine naturbedingte, organische Einheit ist. Allerdings — und das möchte ich zur Ehre unsrer draußen tätigen Beamten und Offiziere betonen — ist das durch deren Tätigkeit erst allmählich geworden. Die Grenzen verliefen dank der Kompromißpolitik der heimischen Regierung vielfach so unglücklich, daß manche politische Einheit, manches Wirtschaftsgebiet verstümmelt war. Durch geschickte politische und wirtschaftliche Maßnahmen wurde mancher Fehler, den die Feder des Diplomaten gemacht hatte, nachher repariert. Der Übersichtlichkeit der sachlichen Einteilung des Werkes stellt sich die Ver¬ ständlichkeit und Anschaulichkeit der Darstellung würdig an die Seite. Prächtige Einzeldarstellungen, z. B. interessanter Landschaften, wichtiger Plätze, beleben den Text. Zum Beispiel — um einen aktuellen Gegenstand herauszugreifen — gibt die Darstellung des Diamanteuvorkommens in Südwestafrika eilt klares Bild

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/64>, abgerufen am 25.08.2024.