Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.Das deutsche Kolonialreich sonders darauf zurückzuführen, daß man die spezielle Natur der betreffenden Deutsch-Ostafrika ist ein tropisches Land -- argumentierte man --, also In den letzten zehn Jahren ist es in dieser Hinsicht erheblich besser geworden Das vorliegende Werk Hans Meyers soll eine Zusammenfassung alles Diesem Mangel, den vielleicht bis vor kürzern eigentlich nur der Publizist Das deutsche Kolonialreich sonders darauf zurückzuführen, daß man die spezielle Natur der betreffenden Deutsch-Ostafrika ist ein tropisches Land — argumentierte man —, also In den letzten zehn Jahren ist es in dieser Hinsicht erheblich besser geworden Das vorliegende Werk Hans Meyers soll eine Zusammenfassung alles Diesem Mangel, den vielleicht bis vor kürzern eigentlich nur der Publizist <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0063" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/316352"/> <fw type="header" place="top"> Das deutsche Kolonialreich</fw><lb/> <p xml:id="ID_204" prev="#ID_203"> sonders darauf zurückzuführen, daß man die spezielle Natur der betreffenden<lb/> Gebiete nicht kannte, sondern sich von rein äußerlichen Gesichtspunkten leiten ließ.</p><lb/> <p xml:id="ID_205"> Deutsch-Ostafrika ist ein tropisches Land — argumentierte man —, also<lb/> müssen da tropische Kulturen gedeihen; und weil der Kaffee gerade gut im<lb/> Preise stand, so fing man an, Kaffee zu bauen. Es gibt manchen „alten<lb/> Afrikaner" oder Südseemcmu, der schwer gekränkt wäre, wenn man ihm den<lb/> Ehrentitel eines Kulturpioniers bestreiten wollte. Er hat ja vielleicht ganz brav<lb/> gearbeitet und auch dies und jenes erreicht, aber er hätte sicherlich noch mehr<lb/> erreicht, wenn er einige Kenntnisse auf dem Gebiet der praktischen Geographie,<lb/> Geologie, Botanik usw. mit hinaufgebracht hätte. Ich habe z. B. unlängst<lb/> einen alten Kameruner, der so ungefähr sein Dutzend Dienstjahre hinter sich<lb/> hat, nach einem Baum gefragt, dessen riesige und charakteristische Form nur auf<lb/> einigen Urwaldbildern auffiel. „Ja," erwiderte mein Kameruner, „der Baum<lb/> kommt tausendfach vor, aber wie er heißt und ob er einen Nutzwert hat, weiß<lb/> ich nicht, ich habe mich noch nie darum bekümmert, ich verstehe auch nichts vou<lb/> Botanik." Auf diese Gleichgültigkeit gegenüber Dingen, die nicht in das spezielle<lb/> „Ressort" des Beamten, Offiziers oder Kaufmanns fielen, kann wohl teilweise<lb/> die langsame Entwickelung unsrer Kolonien zurückgeführt werden. Damit soll<lb/> den Leuten kein Vorwurf gemacht werden, ich will damit vielmehr lediglich<lb/> dartun. wie notwendig eine gewisse einschlägige Vorbildung über die Natur<lb/> des Landes und die Erziehung zur selbständigen Beobachtung für alle die¬<lb/> jenigen ist. die draußen praktisch tätig sein wollen.</p><lb/> <p xml:id="ID_206"> In den letzten zehn Jahren ist es in dieser Hinsicht erheblich besser geworden<lb/> und man kann wohl sagen, daß wir jetzt unsre Kolonien in großen Zügen so weit<lb/> erforscht haben, daß jetzt den Spezialforschungen immer mehr eine praktische<lb/> Richtung gegeben werden kann.</p><lb/> <p xml:id="ID_207"> Das vorliegende Werk Hans Meyers soll eine Zusammenfassung alles<lb/> dessen sein, was zur kolonialen allgemeinen Bildung gehört, und die Art, wie<lb/> der Herausgeber dieser Aufgabe gerecht wird, zeigt wieder einmal, daß ihm<lb/> neben reichen: wissenschaftlichen Können auch ein eminent praktischer Blick zu<lb/> eigen ist. Man könnte nun einwerfen, daß von Anfang an, wenigstens vereinzelt,<lb/> auch der Fachwissenschaftler auf verschiedenen Gebieten draußen gearbeitet hat<lb/> und daß das Ergebnis in einer umfangreichen Literatur niedergelegt ist. Gewiß,<lb/> aber der Mangel dieser Literatur bestand eben darin, daß die Kenntnis dieser<lb/> Forschungen auf einen kleinen Kreis beschränkt blieb, daß der Praktiker sie nicht<lb/> übersehen und nutzbar machen konnte. Er ging notgedrungen meist ohne<lb/> geordnete Vorkenntnisse hinaus und mußte seine Erfahrungen zu seinem Schaden<lb/> auf rein empirischem Wege sammeln.</p><lb/> <p xml:id="ID_208" next="#ID_209"> Diesem Mangel, den vielleicht bis vor kürzern eigentlich nur der Publizist<lb/> wirklich selbst fühlte und erkannte, hilft das Meyersche Werk ab. Das in ihm<lb/> niedergelegte Wissen bildet die Grundlage für die Berufsausbildung jeden<lb/> Kolonialfachmanns, sei er nun Pflanzer, Kaufmann, Beamter, Offizier, oder</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0063]
Das deutsche Kolonialreich
sonders darauf zurückzuführen, daß man die spezielle Natur der betreffenden
Gebiete nicht kannte, sondern sich von rein äußerlichen Gesichtspunkten leiten ließ.
Deutsch-Ostafrika ist ein tropisches Land — argumentierte man —, also
müssen da tropische Kulturen gedeihen; und weil der Kaffee gerade gut im
Preise stand, so fing man an, Kaffee zu bauen. Es gibt manchen „alten
Afrikaner" oder Südseemcmu, der schwer gekränkt wäre, wenn man ihm den
Ehrentitel eines Kulturpioniers bestreiten wollte. Er hat ja vielleicht ganz brav
gearbeitet und auch dies und jenes erreicht, aber er hätte sicherlich noch mehr
erreicht, wenn er einige Kenntnisse auf dem Gebiet der praktischen Geographie,
Geologie, Botanik usw. mit hinaufgebracht hätte. Ich habe z. B. unlängst
einen alten Kameruner, der so ungefähr sein Dutzend Dienstjahre hinter sich
hat, nach einem Baum gefragt, dessen riesige und charakteristische Form nur auf
einigen Urwaldbildern auffiel. „Ja," erwiderte mein Kameruner, „der Baum
kommt tausendfach vor, aber wie er heißt und ob er einen Nutzwert hat, weiß
ich nicht, ich habe mich noch nie darum bekümmert, ich verstehe auch nichts vou
Botanik." Auf diese Gleichgültigkeit gegenüber Dingen, die nicht in das spezielle
„Ressort" des Beamten, Offiziers oder Kaufmanns fielen, kann wohl teilweise
die langsame Entwickelung unsrer Kolonien zurückgeführt werden. Damit soll
den Leuten kein Vorwurf gemacht werden, ich will damit vielmehr lediglich
dartun. wie notwendig eine gewisse einschlägige Vorbildung über die Natur
des Landes und die Erziehung zur selbständigen Beobachtung für alle die¬
jenigen ist. die draußen praktisch tätig sein wollen.
In den letzten zehn Jahren ist es in dieser Hinsicht erheblich besser geworden
und man kann wohl sagen, daß wir jetzt unsre Kolonien in großen Zügen so weit
erforscht haben, daß jetzt den Spezialforschungen immer mehr eine praktische
Richtung gegeben werden kann.
Das vorliegende Werk Hans Meyers soll eine Zusammenfassung alles
dessen sein, was zur kolonialen allgemeinen Bildung gehört, und die Art, wie
der Herausgeber dieser Aufgabe gerecht wird, zeigt wieder einmal, daß ihm
neben reichen: wissenschaftlichen Können auch ein eminent praktischer Blick zu
eigen ist. Man könnte nun einwerfen, daß von Anfang an, wenigstens vereinzelt,
auch der Fachwissenschaftler auf verschiedenen Gebieten draußen gearbeitet hat
und daß das Ergebnis in einer umfangreichen Literatur niedergelegt ist. Gewiß,
aber der Mangel dieser Literatur bestand eben darin, daß die Kenntnis dieser
Forschungen auf einen kleinen Kreis beschränkt blieb, daß der Praktiker sie nicht
übersehen und nutzbar machen konnte. Er ging notgedrungen meist ohne
geordnete Vorkenntnisse hinaus und mußte seine Erfahrungen zu seinem Schaden
auf rein empirischem Wege sammeln.
Diesem Mangel, den vielleicht bis vor kürzern eigentlich nur der Publizist
wirklich selbst fühlte und erkannte, hilft das Meyersche Werk ab. Das in ihm
niedergelegte Wissen bildet die Grundlage für die Berufsausbildung jeden
Kolonialfachmanns, sei er nun Pflanzer, Kaufmann, Beamter, Offizier, oder
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