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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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Die Trennung von Staat und Kirche in Spanien

"Trennung von Staat und Kirche" würde freilich den Schleier zu lüften
verstehen.

Neben dieser Bindung wirtschaftlicher Art besteht noch eine weitere staats-
kirchenrechtliche, die einen Eingriff des Staates in die Macht--Sphäre der
Kirche darstellt. Seit 1753 hat der König von Spanien konkordatsmäßig das
Recht, die spanischen Bischöfe zu ernennen; nur für zweiundfünfzig Pfründen
behielt der Papst das Besetzungsrecht. Im zweiten Drittel des vorigen Jahr¬
hunderts entstanden hieraus zahlreiche Verwicklungen zwischen Hof und Kurie,
die um das Jahr 1840 dazu führten, daß nur sechs Bischofssitze rite besetzt
waren und eine Zivilkonstitution für den Klerus ausgearbeitet wurde, die
allerdings so wenig wie die frühere (von 1717) zum Vollzug gelangte. Das
Konkordat von 1851 beließ es bei dem Nominationsrecht des Königs und
sprach dem Papst lediglich die Befugnis zu, die Kantordignitäten in den
Metropolitankapiteln und in einigen Diözesankapiteln, im übrigen in jedem
bischöflichen Kapitel nur ein Ehrenkanonikat zu verleihen. Auf die Revolution
des Jahres 1868, die zur Vertreibung der Königin Jsabella (f 1904) und
zur Aufhebung der Jesuitenhäuser führte, folgte 1869 eine erhebliche Ver¬
minderung der Bischofsstellen und der dritte Versuch einer Zivilkonstitution,
gegen welche die spanischen Bischöfe am 26. April 1870 protestierten. Die
nun folgenden politischen Ereignisse waren nicht geeignet, die kirchenpolitische
Lage zu klären. Die Kandidatur des Erbprinzen von Hohenzollern wurde von
Frankreich vereitelt. König Amadeus der Erste von Savoven (1870 bis 1873),
der zweite Sohn Viktor Emanuels von Italien, war ohne Einfluß.

Die Rückkehr der Bourbonen brachte auch die Jesuiten wieder offiziell ins
Land (tatsächlich waren sie nie verschwunden). -- Die Verfassung von 1876
hat die Ernennungsrechte des Königs nicht berührt. Sie erstrecken sich auf
9 Erzdiözesen mit 49 Suffraganbischöfen und die Prioretdiözese der vier
Ritterorden. Ihnen stehen als Verkörperung der kirchlichen Machtsphäre weiter
30- bis 40000 Priester, 20- bis 25000 Pfarreien, etwa 1800 Mönche in
etwa 165 Klöstern, etwa 15000 Nonnen in etwa 1000 Klöstern gegenüber"'). Die
letzteren Zahlen beweisen, wie die -- allerdings ja nur teilweise erfolgte --
Aufhebung der Klöster tatsächlich in Spanien gewirkt hat. Dabei ist zu be¬
rücksichtigen, daß man alle (41) Männerorden für Missionen und alle Frauen¬
orden für Krankenpflege und Jugendunterricht bestehen ließ. Das war um so
notwendiger, als es bis heute der spanischen Regierung namentlich an brauch¬
baren Lehrkräften gebricht, worauf ich unten noch des Näheren zu sprechen
kommen werde. -- Eine Trennung von Staat und Kirche würde -- wenn
nicht zugleich eine umfassende Schulreform erfolgt -- hier, da die Ernennungs¬
rechte des Königs an den Papst zurückfielen und die Orden und Kongregationen,



*) Genauere statistische Daten sind nicht zu erlangen. Die Zahl der Klöster und ihrer
Insassen ist seit der Trennung von Staat und Kirche in Frankreich sicher noch gewachsen,'
da von hier viele Ordensniederlassungen nach Spanien verlegt wurden.
Die Trennung von Staat und Kirche in Spanien

„Trennung von Staat und Kirche" würde freilich den Schleier zu lüften
verstehen.

Neben dieser Bindung wirtschaftlicher Art besteht noch eine weitere staats-
kirchenrechtliche, die einen Eingriff des Staates in die Macht—Sphäre der
Kirche darstellt. Seit 1753 hat der König von Spanien konkordatsmäßig das
Recht, die spanischen Bischöfe zu ernennen; nur für zweiundfünfzig Pfründen
behielt der Papst das Besetzungsrecht. Im zweiten Drittel des vorigen Jahr¬
hunderts entstanden hieraus zahlreiche Verwicklungen zwischen Hof und Kurie,
die um das Jahr 1840 dazu führten, daß nur sechs Bischofssitze rite besetzt
waren und eine Zivilkonstitution für den Klerus ausgearbeitet wurde, die
allerdings so wenig wie die frühere (von 1717) zum Vollzug gelangte. Das
Konkordat von 1851 beließ es bei dem Nominationsrecht des Königs und
sprach dem Papst lediglich die Befugnis zu, die Kantordignitäten in den
Metropolitankapiteln und in einigen Diözesankapiteln, im übrigen in jedem
bischöflichen Kapitel nur ein Ehrenkanonikat zu verleihen. Auf die Revolution
des Jahres 1868, die zur Vertreibung der Königin Jsabella (f 1904) und
zur Aufhebung der Jesuitenhäuser führte, folgte 1869 eine erhebliche Ver¬
minderung der Bischofsstellen und der dritte Versuch einer Zivilkonstitution,
gegen welche die spanischen Bischöfe am 26. April 1870 protestierten. Die
nun folgenden politischen Ereignisse waren nicht geeignet, die kirchenpolitische
Lage zu klären. Die Kandidatur des Erbprinzen von Hohenzollern wurde von
Frankreich vereitelt. König Amadeus der Erste von Savoven (1870 bis 1873),
der zweite Sohn Viktor Emanuels von Italien, war ohne Einfluß.

Die Rückkehr der Bourbonen brachte auch die Jesuiten wieder offiziell ins
Land (tatsächlich waren sie nie verschwunden). — Die Verfassung von 1876
hat die Ernennungsrechte des Königs nicht berührt. Sie erstrecken sich auf
9 Erzdiözesen mit 49 Suffraganbischöfen und die Prioretdiözese der vier
Ritterorden. Ihnen stehen als Verkörperung der kirchlichen Machtsphäre weiter
30- bis 40000 Priester, 20- bis 25000 Pfarreien, etwa 1800 Mönche in
etwa 165 Klöstern, etwa 15000 Nonnen in etwa 1000 Klöstern gegenüber"'). Die
letzteren Zahlen beweisen, wie die — allerdings ja nur teilweise erfolgte —
Aufhebung der Klöster tatsächlich in Spanien gewirkt hat. Dabei ist zu be¬
rücksichtigen, daß man alle (41) Männerorden für Missionen und alle Frauen¬
orden für Krankenpflege und Jugendunterricht bestehen ließ. Das war um so
notwendiger, als es bis heute der spanischen Regierung namentlich an brauch¬
baren Lehrkräften gebricht, worauf ich unten noch des Näheren zu sprechen
kommen werde. — Eine Trennung von Staat und Kirche würde — wenn
nicht zugleich eine umfassende Schulreform erfolgt — hier, da die Ernennungs¬
rechte des Königs an den Papst zurückfielen und die Orden und Kongregationen,



*) Genauere statistische Daten sind nicht zu erlangen. Die Zahl der Klöster und ihrer
Insassen ist seit der Trennung von Staat und Kirche in Frankreich sicher noch gewachsen,'
da von hier viele Ordensniederlassungen nach Spanien verlegt wurden.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/630>, abgerufen am 23.07.2024.