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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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Die Trennung von Staat und Kirche in Sxani

wenn auch die Vorverhandlungen darüber bis in das Jahr 1845 zurückreichen.
Die Kirche verzichtete zugunsten der Gemeinden auf alle ihre Güter; der
Staat garantierte den Unterhalt von Klerus und Kultur. Die Säkularisation
des Kirchenguts wurde ausdrücklich als zu Recht bestehend anerkannt, der Kirche
aber das Recht belassen, neues Vermögen zu erwerben, ohne damit gegen die
Staatsdotation ausrechnen zu müssen. Von 1857 an verhinderte man den Verkauf
der Kirchen- und Klostergüter. In der Zusatzübereinkunft von 1859/60 ist die
Finanzierung der getroffenen Abmachungen enthalten: der Staat tauscht die
Kirchengüter jeder Art in unübertragbare Titel der konsolidierten Staatsschuld
zu drei Prozent ein und löst auch den Rest der Dotation für Kultus und Klerus
durch diese Titel ab; die auf jede Diözese entfallende konsolidierte Rente wird
monatlich bezahlt; in Zukunft soll weder Verkauf noch Tausch noch sonstige
Veräußerung von Kirchengut ohne Genehmigung des Papstes erfolgen dürfen. --
Die staatliche Dotationspflicht in Spanien bewegt sich in einer Höhe von etwa
5 Prozent der Gesamtausgaben des Staates und betrug schon in den neun¬
ziger Jahren des vorigen Jahrhunderts zwischen 40 und 50 Millionen Pesetas;
sie dürste inzwischen noch gewachsen sein. Eine Abschaffung- dieses Kultusbudgets --
die den Ausgabenetat Spaniens allerdings erheblich entlasten würde -- im
Falle einer einigermaßen konsequent durchgeführten "Trennung von Staat und
Kirche" wäre nicht nur als eine große historische und moralische Ungerechtigkeit
zu bezeichnen, sie würde auch wahrscheinlich den vollständigen wirtschaftlichen
Ruin der katholischen Kirche Spaniens bedeuten; denn Spanien läßt sich, was
das nutzbare Kirchenvermögen anlangt, nicht einmal mit dem Frankreich vor der
Trennungsbewegung, geschweige denn mit katholischen Ländern von großem
Kirchenreichtum, z. B. Österreich, vergleichen. Sogar die kirchlichen Bibliotheken
und Sammlungen hat die Regierung während der Revolution von 1868 für
Staatseigentum erklärt, als sie festgestellt hatte, daß die Machinationen der
Karlisten mit kirchlichen Mitteln unterstützt wurden. Es mag sein, oder richtiger:
es ist wohl zutreffend, daß die Kirche und die Orden in Spanien seit der
letzten Einziehung des Kirchenvermögens von der Erlaubnis, neues Vermögen
SU erwerben, den ausgiebigsten Gebrauch gemacht haben. Ich muß aber der
bis jetzt nicht bewiesenen Ansicht derer entgegentreten, die, wie Gustav Diercks
(Das moderne Spanien, Berlin 1908, S. 154), behaupten, der kirchliche Reichtum
Spaniens übertreffe noch den Frankreichs (vor der Trennung). Diercks muß
zugeben -- und wer, der sich je mit spanischen Verhältnissen beschäftigt hat,
hätte diese Erfahrung nicht gemacht --, daß die Statistik eine Wissenschaft ist,
die in Spanien nur mangelhaft gepflegt wird, daß ihre Angaben durchweg
wenig zuverlässig sind und daß sie hinsichtlich aller Erhebungen über die
Kirche, ihre Diener, ihren Besitz vollständig versagt. Das ist in anderen
Ländern allerdings nicht viel besser. Die katholische Kirche liebt es, einen
Schleier über diese zu breiten. Eben deshalb wissen wir aber auch über
ihren gegenwärtigen Vermögensstand in Spanien so gut wie nichts. Eine


Grenzboten III 1810 ^
Die Trennung von Staat und Kirche in Sxani

wenn auch die Vorverhandlungen darüber bis in das Jahr 1845 zurückreichen.
Die Kirche verzichtete zugunsten der Gemeinden auf alle ihre Güter; der
Staat garantierte den Unterhalt von Klerus und Kultur. Die Säkularisation
des Kirchenguts wurde ausdrücklich als zu Recht bestehend anerkannt, der Kirche
aber das Recht belassen, neues Vermögen zu erwerben, ohne damit gegen die
Staatsdotation ausrechnen zu müssen. Von 1857 an verhinderte man den Verkauf
der Kirchen- und Klostergüter. In der Zusatzübereinkunft von 1859/60 ist die
Finanzierung der getroffenen Abmachungen enthalten: der Staat tauscht die
Kirchengüter jeder Art in unübertragbare Titel der konsolidierten Staatsschuld
zu drei Prozent ein und löst auch den Rest der Dotation für Kultus und Klerus
durch diese Titel ab; die auf jede Diözese entfallende konsolidierte Rente wird
monatlich bezahlt; in Zukunft soll weder Verkauf noch Tausch noch sonstige
Veräußerung von Kirchengut ohne Genehmigung des Papstes erfolgen dürfen. —
Die staatliche Dotationspflicht in Spanien bewegt sich in einer Höhe von etwa
5 Prozent der Gesamtausgaben des Staates und betrug schon in den neun¬
ziger Jahren des vorigen Jahrhunderts zwischen 40 und 50 Millionen Pesetas;
sie dürste inzwischen noch gewachsen sein. Eine Abschaffung- dieses Kultusbudgets —
die den Ausgabenetat Spaniens allerdings erheblich entlasten würde — im
Falle einer einigermaßen konsequent durchgeführten „Trennung von Staat und
Kirche" wäre nicht nur als eine große historische und moralische Ungerechtigkeit
zu bezeichnen, sie würde auch wahrscheinlich den vollständigen wirtschaftlichen
Ruin der katholischen Kirche Spaniens bedeuten; denn Spanien läßt sich, was
das nutzbare Kirchenvermögen anlangt, nicht einmal mit dem Frankreich vor der
Trennungsbewegung, geschweige denn mit katholischen Ländern von großem
Kirchenreichtum, z. B. Österreich, vergleichen. Sogar die kirchlichen Bibliotheken
und Sammlungen hat die Regierung während der Revolution von 1868 für
Staatseigentum erklärt, als sie festgestellt hatte, daß die Machinationen der
Karlisten mit kirchlichen Mitteln unterstützt wurden. Es mag sein, oder richtiger:
es ist wohl zutreffend, daß die Kirche und die Orden in Spanien seit der
letzten Einziehung des Kirchenvermögens von der Erlaubnis, neues Vermögen
SU erwerben, den ausgiebigsten Gebrauch gemacht haben. Ich muß aber der
bis jetzt nicht bewiesenen Ansicht derer entgegentreten, die, wie Gustav Diercks
(Das moderne Spanien, Berlin 1908, S. 154), behaupten, der kirchliche Reichtum
Spaniens übertreffe noch den Frankreichs (vor der Trennung). Diercks muß
zugeben — und wer, der sich je mit spanischen Verhältnissen beschäftigt hat,
hätte diese Erfahrung nicht gemacht —, daß die Statistik eine Wissenschaft ist,
die in Spanien nur mangelhaft gepflegt wird, daß ihre Angaben durchweg
wenig zuverlässig sind und daß sie hinsichtlich aller Erhebungen über die
Kirche, ihre Diener, ihren Besitz vollständig versagt. Das ist in anderen
Ländern allerdings nicht viel besser. Die katholische Kirche liebt es, einen
Schleier über diese zu breiten. Eben deshalb wissen wir aber auch über
ihren gegenwärtigen Vermögensstand in Spanien so gut wie nichts. Eine


Grenzboten III 1810 ^
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[0629] Die Trennung von Staat und Kirche in Sxani wenn auch die Vorverhandlungen darüber bis in das Jahr 1845 zurückreichen. Die Kirche verzichtete zugunsten der Gemeinden auf alle ihre Güter; der Staat garantierte den Unterhalt von Klerus und Kultur. Die Säkularisation des Kirchenguts wurde ausdrücklich als zu Recht bestehend anerkannt, der Kirche aber das Recht belassen, neues Vermögen zu erwerben, ohne damit gegen die Staatsdotation ausrechnen zu müssen. Von 1857 an verhinderte man den Verkauf der Kirchen- und Klostergüter. In der Zusatzübereinkunft von 1859/60 ist die Finanzierung der getroffenen Abmachungen enthalten: der Staat tauscht die Kirchengüter jeder Art in unübertragbare Titel der konsolidierten Staatsschuld zu drei Prozent ein und löst auch den Rest der Dotation für Kultus und Klerus durch diese Titel ab; die auf jede Diözese entfallende konsolidierte Rente wird monatlich bezahlt; in Zukunft soll weder Verkauf noch Tausch noch sonstige Veräußerung von Kirchengut ohne Genehmigung des Papstes erfolgen dürfen. — Die staatliche Dotationspflicht in Spanien bewegt sich in einer Höhe von etwa 5 Prozent der Gesamtausgaben des Staates und betrug schon in den neun¬ ziger Jahren des vorigen Jahrhunderts zwischen 40 und 50 Millionen Pesetas; sie dürste inzwischen noch gewachsen sein. Eine Abschaffung- dieses Kultusbudgets — die den Ausgabenetat Spaniens allerdings erheblich entlasten würde — im Falle einer einigermaßen konsequent durchgeführten „Trennung von Staat und Kirche" wäre nicht nur als eine große historische und moralische Ungerechtigkeit zu bezeichnen, sie würde auch wahrscheinlich den vollständigen wirtschaftlichen Ruin der katholischen Kirche Spaniens bedeuten; denn Spanien läßt sich, was das nutzbare Kirchenvermögen anlangt, nicht einmal mit dem Frankreich vor der Trennungsbewegung, geschweige denn mit katholischen Ländern von großem Kirchenreichtum, z. B. Österreich, vergleichen. Sogar die kirchlichen Bibliotheken und Sammlungen hat die Regierung während der Revolution von 1868 für Staatseigentum erklärt, als sie festgestellt hatte, daß die Machinationen der Karlisten mit kirchlichen Mitteln unterstützt wurden. Es mag sein, oder richtiger: es ist wohl zutreffend, daß die Kirche und die Orden in Spanien seit der letzten Einziehung des Kirchenvermögens von der Erlaubnis, neues Vermögen SU erwerben, den ausgiebigsten Gebrauch gemacht haben. Ich muß aber der bis jetzt nicht bewiesenen Ansicht derer entgegentreten, die, wie Gustav Diercks (Das moderne Spanien, Berlin 1908, S. 154), behaupten, der kirchliche Reichtum Spaniens übertreffe noch den Frankreichs (vor der Trennung). Diercks muß zugeben — und wer, der sich je mit spanischen Verhältnissen beschäftigt hat, hätte diese Erfahrung nicht gemacht —, daß die Statistik eine Wissenschaft ist, die in Spanien nur mangelhaft gepflegt wird, daß ihre Angaben durchweg wenig zuverlässig sind und daß sie hinsichtlich aller Erhebungen über die Kirche, ihre Diener, ihren Besitz vollständig versagt. Das ist in anderen Ländern allerdings nicht viel besser. Die katholische Kirche liebt es, einen Schleier über diese zu breiten. Eben deshalb wissen wir aber auch über ihren gegenwärtigen Vermögensstand in Spanien so gut wie nichts. Eine Grenzboten III 1810 ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/629>, abgerufen am 23.07.2024.