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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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Gedanken zum neuen l^eeresctat

Disziplin notwendig. Zu deren Aufrechterhaltung ist aber in erster Linie
aktives Personal erforderlich. An die Trainformationen werden im Bedarfsfalle
die allergrößten Anforderungen gestellt. Doppel- und Nachtmärsche sind keine
Seltenheit. Anderseits müssen sie auch wieder stundenlang untätig auf einem
Platze ruhen. Wie schwer es unter diesen Umständen ist, die Ordnung aufrecht
zu erhalten, wird sich jeder selbst sagen können, der nur einigermaßen mit diesen
Verhältnissen Bescheid weiß. Seit wir aber mit Millionenheeren rechnen
müssen, ist die Verpflegung dieser auf engstem Raume zusammengedrängten
Massen lediglich auf den Nachschub angewiesen. Es bedarf außerordentlich
sorgsamer und lange vorher überlegter Anordnungen, damit die Kolonnen
imstande sind, rechtzeitig die Verpflegung für derartige Massen in die vorderste
Linie zu bringen. Die Aufstellung der Kolonnenbewegungspläne, die Wieder-
fülluiig der geleerten Kolonnen erfordert nicht nur eine sachgemäße Bearbeitung
durch die höheren Stäbe, sondern kann auch uur dann richtig vor sich gehen,
wenn die Kolonnen die ihnen zugemutete Arbeit tadellos leisten. Je mehr die
Erhaltung des Heeres auf dem Nachschub beruht, je schwieriger die Bewegungen
der Kolonnen geworden sind, je mehr deren Zahl zugenommen hat, desto wich¬
tiger ist es, daß bei ihm die größte Ordnung und Disziplin herrscht. Das
hierzu unbedingt erforderliche aktive Personal kann nur durch eine Vermehrung
der Traintruppe im Frieden geschaffen werden. Als Mindestforderung würde
dies die Aufstellung einer vierten Kompagnie bei jedem Trainbataillon ergeben.
Hierbei würde es zugleich zweckmäßig sein, entsprechend der geplanten Verwendung
im Kriegsfalle, je zwei Kompagnien zu einem Bataillon zusammenzufassen und
diese beiden Bataillone einem neu zu bildenden Regimentskommando zu unter¬
stellen. Auf diese Weise würden zugleich im Mobilmachungsfalle höhere Train¬
offiziere vorhanden sein, die den ganzen Dienst hinter der Front auf den
Marschstraßen des Armeekorps einheitlich regeln und beim Generalkommando
die entsprechenden Anordnungen treffen könnten. Da wir jetzt beim Armeekorps
nur einen Stabsoffizier des Trains besitzen, hat es an dem hierzu nötigen
Personal bisher gefehlt.

Nun wird sich aber die ganze Frage der neuen Trainorganisation nicht
ohne eine gleichzeitige Berücksichtigung des Kraftfahrwesens lösen lassen. Seit
einigen Jahren ist die Verwendung des Last-Selbstfahrers in ungeahnter Weise
gestiegen, wozu nicht am wenigsten die Unterstützung durch die Militärbehörden
beigetragen hat. Auch für den Kriegsfall plant die Heeresleitung die. Heran¬
ziehung aller im Frieden vorhandenen derartigen Fahrzeuge. Ihre Vorteile
sind zu bekannt, als daß man darauf des Näheren einzugehen brauchte. Bei
großem Fassungsvermögen können sie große Strecken in kurzer Zeit zurücklegen.
Ihr Nachteil besteht in der Abhängigkeit von dem Vorhandensein guter Wege.
Wenn es deshalb auch ausgeschlossen erscheint, sie in vorderster Linie bei den
fechtenden Truppen selbst zu verwenden, so können sie doch zweckmäßig im
Niicken der Armee den tierischen Zug ersetzen. Je mehr derartige Wagen im


Gedanken zum neuen l^eeresctat

Disziplin notwendig. Zu deren Aufrechterhaltung ist aber in erster Linie
aktives Personal erforderlich. An die Trainformationen werden im Bedarfsfalle
die allergrößten Anforderungen gestellt. Doppel- und Nachtmärsche sind keine
Seltenheit. Anderseits müssen sie auch wieder stundenlang untätig auf einem
Platze ruhen. Wie schwer es unter diesen Umständen ist, die Ordnung aufrecht
zu erhalten, wird sich jeder selbst sagen können, der nur einigermaßen mit diesen
Verhältnissen Bescheid weiß. Seit wir aber mit Millionenheeren rechnen
müssen, ist die Verpflegung dieser auf engstem Raume zusammengedrängten
Massen lediglich auf den Nachschub angewiesen. Es bedarf außerordentlich
sorgsamer und lange vorher überlegter Anordnungen, damit die Kolonnen
imstande sind, rechtzeitig die Verpflegung für derartige Massen in die vorderste
Linie zu bringen. Die Aufstellung der Kolonnenbewegungspläne, die Wieder-
fülluiig der geleerten Kolonnen erfordert nicht nur eine sachgemäße Bearbeitung
durch die höheren Stäbe, sondern kann auch uur dann richtig vor sich gehen,
wenn die Kolonnen die ihnen zugemutete Arbeit tadellos leisten. Je mehr die
Erhaltung des Heeres auf dem Nachschub beruht, je schwieriger die Bewegungen
der Kolonnen geworden sind, je mehr deren Zahl zugenommen hat, desto wich¬
tiger ist es, daß bei ihm die größte Ordnung und Disziplin herrscht. Das
hierzu unbedingt erforderliche aktive Personal kann nur durch eine Vermehrung
der Traintruppe im Frieden geschaffen werden. Als Mindestforderung würde
dies die Aufstellung einer vierten Kompagnie bei jedem Trainbataillon ergeben.
Hierbei würde es zugleich zweckmäßig sein, entsprechend der geplanten Verwendung
im Kriegsfalle, je zwei Kompagnien zu einem Bataillon zusammenzufassen und
diese beiden Bataillone einem neu zu bildenden Regimentskommando zu unter¬
stellen. Auf diese Weise würden zugleich im Mobilmachungsfalle höhere Train¬
offiziere vorhanden sein, die den ganzen Dienst hinter der Front auf den
Marschstraßen des Armeekorps einheitlich regeln und beim Generalkommando
die entsprechenden Anordnungen treffen könnten. Da wir jetzt beim Armeekorps
nur einen Stabsoffizier des Trains besitzen, hat es an dem hierzu nötigen
Personal bisher gefehlt.

Nun wird sich aber die ganze Frage der neuen Trainorganisation nicht
ohne eine gleichzeitige Berücksichtigung des Kraftfahrwesens lösen lassen. Seit
einigen Jahren ist die Verwendung des Last-Selbstfahrers in ungeahnter Weise
gestiegen, wozu nicht am wenigsten die Unterstützung durch die Militärbehörden
beigetragen hat. Auch für den Kriegsfall plant die Heeresleitung die. Heran¬
ziehung aller im Frieden vorhandenen derartigen Fahrzeuge. Ihre Vorteile
sind zu bekannt, als daß man darauf des Näheren einzugehen brauchte. Bei
großem Fassungsvermögen können sie große Strecken in kurzer Zeit zurücklegen.
Ihr Nachteil besteht in der Abhängigkeit von dem Vorhandensein guter Wege.
Wenn es deshalb auch ausgeschlossen erscheint, sie in vorderster Linie bei den
fechtenden Truppen selbst zu verwenden, so können sie doch zweckmäßig im
Niicken der Armee den tierischen Zug ersetzen. Je mehr derartige Wagen im


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/625>, abgerufen am 23.07.2024.