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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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Gedanke" zum neue" Heeresetat

Wenn die Infanterie nicht vermehrt wird, braucht dies auch mit der Feld¬
artillerie nicht zu erfolgen, da an den, bisherigen ziffermäßigen Verhältnis
beider Waffen zueinander nichts zu ändern ist. Zwar harren auch hier noch
viele Fragen der endgültigen Lösung. Die Untersuchungen darüber sind aber
noch nicht so weit gediehen, daß mit einer Änderung der Organisationen und
demgemäß mit einer Vermehrung der Batterien gerechnet werden müßte. Hierzu
gehört z. B. eine vermehrte Ausstattung des Armeekorps mit Steilfeuer¬
geschützen, damit jede Division über eine Abteilung leichter Feldhaubitzen ver¬
füge. Von vielen Seiten wird auf die Vorteile der kleinen Batterie zu vier
Geschützen hingewiesen, wie sie z. B. in Frankreich bereits seit längerer Zeit
eingeführt ist. Will man diese aber unter Beibehalt der jetzigen Geschützzahlen
des Armeekorps einführen, so würde das die Ausstellung zahlreicher neuer
Batteriestäbe erfordern. Wird dagegen die Zahl der jetzigen Batterien beibehalten,
so würden sich die Geschützzahlen im Armeekorps wesentlich vermindern. Selbst
wenn man die Leistungen der kleinen Batterien sehr hoch bewertet und das
moderne Schnellfeuergeschütz durch die dann mögliche Zuweisung einer größeren
Munitionsmenge in weit besserem Maße ausnutzen könnte, so würde doch eine
derartig starke Verminderung der Geschützzahlen im ganzen eine bedenkliche
Minderung der artilleristischen Gefechtskraft bedeuten. Dies würde um so
weniger zulässig sein, als in Frankreich Bestrebungen ini Gange sind, um unter
Beibehalt der kleinen Batterien doch eine der deutschen Zahl gleichwertige
Artillerie im Mobilmachnngsfalle aufzustellen. Es ist auch nicht zu verkennen,
daß unsere ganze Artillerieorganisation mit drei verschiedenen Geschützen:
Kanone, leichte und schwere Feldhaubitze, sehr kompliziert ist. Es erschwert
dies sowohl die Truppenführung wie auch den Munitionsersatz. Wenn dieser
auch durch die Einführung des Einheitsgeschosses vereinfacht werden kann, so
würde dies in noch höheren! Maße der Fall sein, wenn es gelänge, eine
Haubitze mittleren Kalibers zu konstruieren, die sowohl die leichte wie die
schwere Haubitze ersetzen könnte. Ob man diese dann der Feld- oder der
Fußartillerie zuweisen würde, müßte in zweiter Linie entschieden werden. Aber
alle diese Fragen sind zurzeit noch nicht spruchreif. Ein Blick in die militärische
Literatur zeigt schon, wie unausgeglichen die Ansichten noch sind, die über alle diese
Punkte in militärischen Kreisen herrschen. In der neuen Militärvorlage dürfte
höchstens die Errichtung der noch fehlenden beiden Artillerieregimenter bei den
dritten Divistouen und die Ergänzung der bayerischen Artillerie auf den normalen
Stand gefordert werden. Aus finanziellen Rücksichten wird man wohl auch
auf die an und für sich so notwendige Erhöhung des Pfcrdeetats der einzelnen
Batterie verzichten, obwohl uns gerade auf diesem Gebiete Frankreich über¬
legen ist.

Finanzielle Rücksichten werden ebenso gegen eine Vermehrung der Kavallerie
sprechen, trotzdem namhafte Fachleute verschiedentlich auf die zu schwache Zu¬
sammensetzung der heutigen Kavalleriedivisionen hingewiesen haben. Mit Recht


Grenzvoten III 1910 77
Gedanke» zum neue» Heeresetat

Wenn die Infanterie nicht vermehrt wird, braucht dies auch mit der Feld¬
artillerie nicht zu erfolgen, da an den, bisherigen ziffermäßigen Verhältnis
beider Waffen zueinander nichts zu ändern ist. Zwar harren auch hier noch
viele Fragen der endgültigen Lösung. Die Untersuchungen darüber sind aber
noch nicht so weit gediehen, daß mit einer Änderung der Organisationen und
demgemäß mit einer Vermehrung der Batterien gerechnet werden müßte. Hierzu
gehört z. B. eine vermehrte Ausstattung des Armeekorps mit Steilfeuer¬
geschützen, damit jede Division über eine Abteilung leichter Feldhaubitzen ver¬
füge. Von vielen Seiten wird auf die Vorteile der kleinen Batterie zu vier
Geschützen hingewiesen, wie sie z. B. in Frankreich bereits seit längerer Zeit
eingeführt ist. Will man diese aber unter Beibehalt der jetzigen Geschützzahlen
des Armeekorps einführen, so würde das die Ausstellung zahlreicher neuer
Batteriestäbe erfordern. Wird dagegen die Zahl der jetzigen Batterien beibehalten,
so würden sich die Geschützzahlen im Armeekorps wesentlich vermindern. Selbst
wenn man die Leistungen der kleinen Batterien sehr hoch bewertet und das
moderne Schnellfeuergeschütz durch die dann mögliche Zuweisung einer größeren
Munitionsmenge in weit besserem Maße ausnutzen könnte, so würde doch eine
derartig starke Verminderung der Geschützzahlen im ganzen eine bedenkliche
Minderung der artilleristischen Gefechtskraft bedeuten. Dies würde um so
weniger zulässig sein, als in Frankreich Bestrebungen ini Gange sind, um unter
Beibehalt der kleinen Batterien doch eine der deutschen Zahl gleichwertige
Artillerie im Mobilmachnngsfalle aufzustellen. Es ist auch nicht zu verkennen,
daß unsere ganze Artillerieorganisation mit drei verschiedenen Geschützen:
Kanone, leichte und schwere Feldhaubitze, sehr kompliziert ist. Es erschwert
dies sowohl die Truppenführung wie auch den Munitionsersatz. Wenn dieser
auch durch die Einführung des Einheitsgeschosses vereinfacht werden kann, so
würde dies in noch höheren! Maße der Fall sein, wenn es gelänge, eine
Haubitze mittleren Kalibers zu konstruieren, die sowohl die leichte wie die
schwere Haubitze ersetzen könnte. Ob man diese dann der Feld- oder der
Fußartillerie zuweisen würde, müßte in zweiter Linie entschieden werden. Aber
alle diese Fragen sind zurzeit noch nicht spruchreif. Ein Blick in die militärische
Literatur zeigt schon, wie unausgeglichen die Ansichten noch sind, die über alle diese
Punkte in militärischen Kreisen herrschen. In der neuen Militärvorlage dürfte
höchstens die Errichtung der noch fehlenden beiden Artillerieregimenter bei den
dritten Divistouen und die Ergänzung der bayerischen Artillerie auf den normalen
Stand gefordert werden. Aus finanziellen Rücksichten wird man wohl auch
auf die an und für sich so notwendige Erhöhung des Pfcrdeetats der einzelnen
Batterie verzichten, obwohl uns gerade auf diesem Gebiete Frankreich über¬
legen ist.

Finanzielle Rücksichten werden ebenso gegen eine Vermehrung der Kavallerie
sprechen, trotzdem namhafte Fachleute verschiedentlich auf die zu schwache Zu¬
sammensetzung der heutigen Kavalleriedivisionen hingewiesen haben. Mit Recht


Grenzvoten III 1910 77
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[0621] Gedanke» zum neue» Heeresetat Wenn die Infanterie nicht vermehrt wird, braucht dies auch mit der Feld¬ artillerie nicht zu erfolgen, da an den, bisherigen ziffermäßigen Verhältnis beider Waffen zueinander nichts zu ändern ist. Zwar harren auch hier noch viele Fragen der endgültigen Lösung. Die Untersuchungen darüber sind aber noch nicht so weit gediehen, daß mit einer Änderung der Organisationen und demgemäß mit einer Vermehrung der Batterien gerechnet werden müßte. Hierzu gehört z. B. eine vermehrte Ausstattung des Armeekorps mit Steilfeuer¬ geschützen, damit jede Division über eine Abteilung leichter Feldhaubitzen ver¬ füge. Von vielen Seiten wird auf die Vorteile der kleinen Batterie zu vier Geschützen hingewiesen, wie sie z. B. in Frankreich bereits seit längerer Zeit eingeführt ist. Will man diese aber unter Beibehalt der jetzigen Geschützzahlen des Armeekorps einführen, so würde das die Ausstellung zahlreicher neuer Batteriestäbe erfordern. Wird dagegen die Zahl der jetzigen Batterien beibehalten, so würden sich die Geschützzahlen im Armeekorps wesentlich vermindern. Selbst wenn man die Leistungen der kleinen Batterien sehr hoch bewertet und das moderne Schnellfeuergeschütz durch die dann mögliche Zuweisung einer größeren Munitionsmenge in weit besserem Maße ausnutzen könnte, so würde doch eine derartig starke Verminderung der Geschützzahlen im ganzen eine bedenkliche Minderung der artilleristischen Gefechtskraft bedeuten. Dies würde um so weniger zulässig sein, als in Frankreich Bestrebungen ini Gange sind, um unter Beibehalt der kleinen Batterien doch eine der deutschen Zahl gleichwertige Artillerie im Mobilmachnngsfalle aufzustellen. Es ist auch nicht zu verkennen, daß unsere ganze Artillerieorganisation mit drei verschiedenen Geschützen: Kanone, leichte und schwere Feldhaubitze, sehr kompliziert ist. Es erschwert dies sowohl die Truppenführung wie auch den Munitionsersatz. Wenn dieser auch durch die Einführung des Einheitsgeschosses vereinfacht werden kann, so würde dies in noch höheren! Maße der Fall sein, wenn es gelänge, eine Haubitze mittleren Kalibers zu konstruieren, die sowohl die leichte wie die schwere Haubitze ersetzen könnte. Ob man diese dann der Feld- oder der Fußartillerie zuweisen würde, müßte in zweiter Linie entschieden werden. Aber alle diese Fragen sind zurzeit noch nicht spruchreif. Ein Blick in die militärische Literatur zeigt schon, wie unausgeglichen die Ansichten noch sind, die über alle diese Punkte in militärischen Kreisen herrschen. In der neuen Militärvorlage dürfte höchstens die Errichtung der noch fehlenden beiden Artillerieregimenter bei den dritten Divistouen und die Ergänzung der bayerischen Artillerie auf den normalen Stand gefordert werden. Aus finanziellen Rücksichten wird man wohl auch auf die an und für sich so notwendige Erhöhung des Pfcrdeetats der einzelnen Batterie verzichten, obwohl uns gerade auf diesem Gebiete Frankreich über¬ legen ist. Finanzielle Rücksichten werden ebenso gegen eine Vermehrung der Kavallerie sprechen, trotzdem namhafte Fachleute verschiedentlich auf die zu schwache Zu¬ sammensetzung der heutigen Kavalleriedivisionen hingewiesen haben. Mit Recht Grenzvoten III 1910 77

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/621>, abgerufen am 23.07.2024.