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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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Gedanken zum neuen Heeresciat

hat z. B. General von Bernhardt darauf aufmerksam gemacht, daß die An¬
forderungen, die gegenwärtig an die Kavalleriedivisionen infolge anderer Organi¬
sation des Erkundungs- und Meldewesens gestellt werden, gegen früher bedeutend
gestiegen sind. Durch die Ausscheidung besonderer AusMrungseskadrons, die
Sicherung der Meldesammelstellen, der Telegraphen- und Funkenstationen wird
die Gefechtskraft der Division erheblich geschwächt. Dies macht sich namentlich
bei dem Gefecht zu Fuß bemerkbar. Aber schon die Erhöhung des Etats einer
Schwadron auf hundertundsechzig Pferde, wie sie z. B. Oberst Wenninger als
Aushilfsmittel vorgeschlagen hat, würde allein für die Pferdebeschaffung eine
einmalige Ausgabe von 8^ Millionen Mark und für die Unterhaltung von
Mann und Pferd eine jährliche dauernde Ausgabe derselben Summe beanspruchen.
Man wird sich also bis auf weiteres mit den: jetzigen Stande der Kavallerie
begnügen müssen. Eine Vermehrung der Kavallerie würde auch nicht eher
zweckmäßig sein, als nicht über die oben erwähnte Errichtung von Kavallerie¬
divisionen im Frieden endgültig entschieden ist.

Die Ausstattung der Infanterie mit Maschinengewehr-Kompagnien muß fort¬
gesetzt und zum Abschluß gebracht werden, so daß jedes Infanterieregiment über
eine solche Kompagnie verfügt. Schon dadurch wird sich eine nicht unbeträcht¬
liche Vermehrung unserer Friedenspräsenzstärke ergeben.

Die Verwendung der Fußartillerie hat in der letzten Zeit eine große
Wandlung durchgemacht. Sie war ursprünglich nur zur Verteidigung und zum
Angriff auf Festungen bestimmt. Seitdem aber der Gegner, wenn er sich zur
Defensive entschlossen hat, seine Stellung in kurzer Zeit durch feldmäßige Arbeit
so verstärken kann, daß die Feldartillerie nicht mehr in der Lage ist, die in den
scharf eingeschnittenen Schützengräben befindliche Infanterie erfolgreich zu be¬
kämpfen, und auch die Unterstände nicht mehr zu durchschlagen vermag, um die
in ihnen untergebrachten Reserven zu vernichten, hatte man sich genötigt gesehen,
schwerere Geschütze dagegen in Stellung zu bringen. Zu diesem Zwecke wurde
den Heeren die schwere Artillerie des Feldheeres beigegeben. Die Verwendung
dieser neuen Waffe hat einen immer größeren Umfang angenommen, namentlich
auch seitdem man in ihr ein wirkungsvolles Mittel zur Bekämpfung feind¬
licher Schildbatterien erkannt hat. Ihre Tätigkeit beschränkt sich deshalb jetzt
nicht bloß auf den eigentlichen Stellungskampf. Sie suchte und fand auch
zweckmäßige Verwendung in der offenen Feldschlacht. Sogar im Begegnungs¬
gefecht ist sie bestrebt, sich einen Platz zur Mitwirkung zu sichern. Wenn auch
über die Möglichkeit, sie in dieser umfangreichen Weise erfolgreich und ohne
allzu großen Munitionsverbrauch einzusetzen, die Ansichten geteilt sein mögen, so
hat dies jedenfalls dazu geführt, jedem Armeekorps ein Bataillon schwerer Feld¬
haubitzen zuzuweisen. Damit ist aber die Zahl der Fußartillerie-Truppenteile,
die zur Besetzung und zum Angriff der Festungen übrig geblieben sind, sehr
gering geworden. Es müssen begründete Bedenken entstehen, ob sie zur Erfüllung
dieses Zweckes noch ausreicht, und zwar um so mehr, als die modernen Be-


Gedanken zum neuen Heeresciat

hat z. B. General von Bernhardt darauf aufmerksam gemacht, daß die An¬
forderungen, die gegenwärtig an die Kavalleriedivisionen infolge anderer Organi¬
sation des Erkundungs- und Meldewesens gestellt werden, gegen früher bedeutend
gestiegen sind. Durch die Ausscheidung besonderer AusMrungseskadrons, die
Sicherung der Meldesammelstellen, der Telegraphen- und Funkenstationen wird
die Gefechtskraft der Division erheblich geschwächt. Dies macht sich namentlich
bei dem Gefecht zu Fuß bemerkbar. Aber schon die Erhöhung des Etats einer
Schwadron auf hundertundsechzig Pferde, wie sie z. B. Oberst Wenninger als
Aushilfsmittel vorgeschlagen hat, würde allein für die Pferdebeschaffung eine
einmalige Ausgabe von 8^ Millionen Mark und für die Unterhaltung von
Mann und Pferd eine jährliche dauernde Ausgabe derselben Summe beanspruchen.
Man wird sich also bis auf weiteres mit den: jetzigen Stande der Kavallerie
begnügen müssen. Eine Vermehrung der Kavallerie würde auch nicht eher
zweckmäßig sein, als nicht über die oben erwähnte Errichtung von Kavallerie¬
divisionen im Frieden endgültig entschieden ist.

Die Ausstattung der Infanterie mit Maschinengewehr-Kompagnien muß fort¬
gesetzt und zum Abschluß gebracht werden, so daß jedes Infanterieregiment über
eine solche Kompagnie verfügt. Schon dadurch wird sich eine nicht unbeträcht¬
liche Vermehrung unserer Friedenspräsenzstärke ergeben.

Die Verwendung der Fußartillerie hat in der letzten Zeit eine große
Wandlung durchgemacht. Sie war ursprünglich nur zur Verteidigung und zum
Angriff auf Festungen bestimmt. Seitdem aber der Gegner, wenn er sich zur
Defensive entschlossen hat, seine Stellung in kurzer Zeit durch feldmäßige Arbeit
so verstärken kann, daß die Feldartillerie nicht mehr in der Lage ist, die in den
scharf eingeschnittenen Schützengräben befindliche Infanterie erfolgreich zu be¬
kämpfen, und auch die Unterstände nicht mehr zu durchschlagen vermag, um die
in ihnen untergebrachten Reserven zu vernichten, hatte man sich genötigt gesehen,
schwerere Geschütze dagegen in Stellung zu bringen. Zu diesem Zwecke wurde
den Heeren die schwere Artillerie des Feldheeres beigegeben. Die Verwendung
dieser neuen Waffe hat einen immer größeren Umfang angenommen, namentlich
auch seitdem man in ihr ein wirkungsvolles Mittel zur Bekämpfung feind¬
licher Schildbatterien erkannt hat. Ihre Tätigkeit beschränkt sich deshalb jetzt
nicht bloß auf den eigentlichen Stellungskampf. Sie suchte und fand auch
zweckmäßige Verwendung in der offenen Feldschlacht. Sogar im Begegnungs¬
gefecht ist sie bestrebt, sich einen Platz zur Mitwirkung zu sichern. Wenn auch
über die Möglichkeit, sie in dieser umfangreichen Weise erfolgreich und ohne
allzu großen Munitionsverbrauch einzusetzen, die Ansichten geteilt sein mögen, so
hat dies jedenfalls dazu geführt, jedem Armeekorps ein Bataillon schwerer Feld¬
haubitzen zuzuweisen. Damit ist aber die Zahl der Fußartillerie-Truppenteile,
die zur Besetzung und zum Angriff der Festungen übrig geblieben sind, sehr
gering geworden. Es müssen begründete Bedenken entstehen, ob sie zur Erfüllung
dieses Zweckes noch ausreicht, und zwar um so mehr, als die modernen Be-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/622>, abgerufen am 23.07.2024.