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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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Die Lage des Deutschtums in Galizien

rechtzeitig ein entsprechender Damm entgegengesetzt werden muß." Das Blatt
schreibt einen Wettbewerb für populäre Artikel über das Thema "Die deutsche
Gefahr in Galizien und die Mittel zu ihrer Vorbeugung" aus. Bemerkenswert
ist, daß an der Spitze des Preisgerichts der Weihbischof Bandurski steht, der
dach seine deutschfeindliche Gesinnung wiederholt die Aufmerksamkeit auf sich
gelenkt hat.

Bei diesen Beschimpfungen und Bedrohungen ist es jedoch nicht geblieben.
Seitdem die österreichische Zentralregierung nach der Katastrophe von 186K
und der Einführung der Konstitution ihre Machtfülle zugunsten der autonomen
Behörden in Galizien aufgegeben hat, werden die Deutschen auf Schritt und
Tritt vergewaltigt. Trotzdem nach dem Staatsgrundgesetz die deutsche Sprache
neben der polnischen und ruthenischen als gleichberechtigt zu gelten hat und
die Deutschen insbesondere auf volle Berücksichtigung ihrer Muttersprache in
Kirche und Schule Anspruch haben, werden sie vielfach ihres guten Rechtes
beraubt.

Es ist allgemein bekannt, daß fast in allen katholisch-deutschen Gemeinden
polnische Geistliche angestellt sind, welche die Muttersprache ihrer Pfarrlinge
nicht beherrschen und ihren nationalen Bedürfnissen fern stehen. In vielen
Gemeinden führen diese fremden Priester auch noch polnische Predigten, polnische
Gebete und polnische Lieder ein; sie geben den deutschen Täuflingen polnische
Namen und verfälschen ihr Volkstum. Als Borwand für dieses Vorgehen gilt
gewöhnlich die Zugehörigkeit einer kleinen Anzahl polnischer oder polonisierter
Gläubigen zur Gemeinde. Selbstverständlich kommt es vor, daß deutschbegeisterte
Kirchenbesucher das polnisch angestimmte Lied zu überflügelt suchen, daß sie
Klage über ihren Pfarrer beim Bischof führen und daß arger Zwiespalt zwischen
der Gemeinde und ihrem Seelenhirten herrscht. Wahr ist, daß Mangel an
deutschen Priesterkandidaten vorhanden ist und daß viele Pfarren so schlecht
dotiert sind, daß sie nicht erstrebenswert erscheinen. Wie in anderen Beziehungen,
so muß auch auf kirchlichem Gebiete die nationale Selbsthilfe sich betätigen;
jedenfalls haben aber die deutschen Katholiken Anspruch, von ihrer zuständigen
Kirchenbehörde mit gleichem Wohlwollen behandelt zu werden wie die Polen.
Gegenwärtig fühlen sich die deutschen Katholiken in Galizien stark zurückgesetzt;
diesen Gefühlen gaben sie beredten Ausdruck, als auf dein Dresdener Katholiken¬
tage von 1909 die reichsdeutschen Katholiken für die Rechte ihrer polnischen
Mitbürger eintraten. Mit Recht betonten die deutschen Katholiken Galiziens,
daß ihre deutschen Glaubensbrüder im Reich zunächst ihr trauriges Schicksal
zu berücksichtigen hätten. Glücklicher sind in dieser Beziehung die evangelischen
Deutschen Galiziens; unter ihnen wirken zahlreiche für ihr Volkstum begeisterte
Männer.

Gleich harter Druck lastet dagegen auf dem Schulwesen der katholischen
und evangelischen deutschen Gemeinden. Im Jahre .1908 besaßen von den
220 deutschen Siedlungen nur 115 deutsche Schulen, und zwar zählte man


Die Lage des Deutschtums in Galizien

rechtzeitig ein entsprechender Damm entgegengesetzt werden muß." Das Blatt
schreibt einen Wettbewerb für populäre Artikel über das Thema „Die deutsche
Gefahr in Galizien und die Mittel zu ihrer Vorbeugung" aus. Bemerkenswert
ist, daß an der Spitze des Preisgerichts der Weihbischof Bandurski steht, der
dach seine deutschfeindliche Gesinnung wiederholt die Aufmerksamkeit auf sich
gelenkt hat.

Bei diesen Beschimpfungen und Bedrohungen ist es jedoch nicht geblieben.
Seitdem die österreichische Zentralregierung nach der Katastrophe von 186K
und der Einführung der Konstitution ihre Machtfülle zugunsten der autonomen
Behörden in Galizien aufgegeben hat, werden die Deutschen auf Schritt und
Tritt vergewaltigt. Trotzdem nach dem Staatsgrundgesetz die deutsche Sprache
neben der polnischen und ruthenischen als gleichberechtigt zu gelten hat und
die Deutschen insbesondere auf volle Berücksichtigung ihrer Muttersprache in
Kirche und Schule Anspruch haben, werden sie vielfach ihres guten Rechtes
beraubt.

Es ist allgemein bekannt, daß fast in allen katholisch-deutschen Gemeinden
polnische Geistliche angestellt sind, welche die Muttersprache ihrer Pfarrlinge
nicht beherrschen und ihren nationalen Bedürfnissen fern stehen. In vielen
Gemeinden führen diese fremden Priester auch noch polnische Predigten, polnische
Gebete und polnische Lieder ein; sie geben den deutschen Täuflingen polnische
Namen und verfälschen ihr Volkstum. Als Borwand für dieses Vorgehen gilt
gewöhnlich die Zugehörigkeit einer kleinen Anzahl polnischer oder polonisierter
Gläubigen zur Gemeinde. Selbstverständlich kommt es vor, daß deutschbegeisterte
Kirchenbesucher das polnisch angestimmte Lied zu überflügelt suchen, daß sie
Klage über ihren Pfarrer beim Bischof führen und daß arger Zwiespalt zwischen
der Gemeinde und ihrem Seelenhirten herrscht. Wahr ist, daß Mangel an
deutschen Priesterkandidaten vorhanden ist und daß viele Pfarren so schlecht
dotiert sind, daß sie nicht erstrebenswert erscheinen. Wie in anderen Beziehungen,
so muß auch auf kirchlichem Gebiete die nationale Selbsthilfe sich betätigen;
jedenfalls haben aber die deutschen Katholiken Anspruch, von ihrer zuständigen
Kirchenbehörde mit gleichem Wohlwollen behandelt zu werden wie die Polen.
Gegenwärtig fühlen sich die deutschen Katholiken in Galizien stark zurückgesetzt;
diesen Gefühlen gaben sie beredten Ausdruck, als auf dein Dresdener Katholiken¬
tage von 1909 die reichsdeutschen Katholiken für die Rechte ihrer polnischen
Mitbürger eintraten. Mit Recht betonten die deutschen Katholiken Galiziens,
daß ihre deutschen Glaubensbrüder im Reich zunächst ihr trauriges Schicksal
zu berücksichtigen hätten. Glücklicher sind in dieser Beziehung die evangelischen
Deutschen Galiziens; unter ihnen wirken zahlreiche für ihr Volkstum begeisterte
Männer.

Gleich harter Druck lastet dagegen auf dem Schulwesen der katholischen
und evangelischen deutschen Gemeinden. Im Jahre .1908 besaßen von den
220 deutschen Siedlungen nur 115 deutsche Schulen, und zwar zählte man


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/520>, abgerufen am 23.07.2024.