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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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Die Lage des Deutschtums in Galizien

Dieb, der sich mit "unserem" Brot nährt, die Steuern stets vermehrt. Tabak
zu bauen verbietet, das Recht beugt n. tgi. in.; gegen ihn müsse man mit
frisch gedeugelteu Sensen losgehen. Andere Aufzeichnungen sprechen mit sicht¬
lichem Haß von den Beamten "von draußen", den "schwarzgelben", die "mit
unglaublich blinder Achtung den hohen Behörden und ihren Befehlen gehorchten"
und auf die Spottlieder verbreitet waren. Zu diesen Deutschhassern gehörten
übrigens polonisierte Deutsche, die auch an den Aufständen teilnahmen.

Seither hat dieser Haß nicht abgenommen, er ist vielmehr, wenn möglich,
gewachsen. Zwei Faktoren haben ihn in den letzten Jahren besonders angefacht:
die preußische Polenpolitik und die erstarkende deutschvölkische Organisation.

Zeugnisse für den Deutschenhaß begegnen uns auf Schritt und Tritt. In
den polnischen Zeitungen werden die Deutschen als eine Pest bezeichnet, die
aus dem Lande auch mit Gewalt entfernt werden müsse. "Die Deutschen
gereichen Galizien zur größten Schande; sie sollten wie tolle Hunde nieder¬
geschossen werden; sie sind eine Personifikation des Teufels und bilden eine
stete Gefahr für die polnische Kultur. Sie sollen dem Galgen überantwortet,
wie Tauben erwürgt werden u. tgi. in." Kann, bemerkt braucht zu werden,
daß diesen Zeitungen jede Objektivität bei der Besprechung der deutscheu Ver¬
hältnisse und Bestrebungen fehlt; es wimmelt förmlich in ihnen von böswilligen
Entstellungen und Verleumdungen. Im Jahre 1909 konnte man auch in den
Räumen des Staatsbahnhofes in Lemberg die farbige Ankündigung einer
Toiletteseife lesen: auf dieser sah man als Schutzmarke eine zur Faust geballte
Hand und darunter die Worte: ^yäio 51a tea Ka l'o (Seife für die Hakatisten).
Diese Reklameankündigung und ihre Schutzmarke enthält eine stetige Aufreizung
gegen die Deutschen, wird aber von den galizischen Behörden geduldet. Der¬
selbe Ton dringt immer mehr auch in wissenschaftlichen Arbeiten durch. Bei
der Besprechung der ersten deutsche" Zeitungen in Galizien begleitet ein Forscher
die Mitteilungen über den kurzen Bestand einiger Blätter mit der Bemerkung:
"Glücklicherweise sind sie bald eingegangen." Ein anderer vergißt bei der
Besprechung des deutschen Kultureinslusses nicht zu bemerken, daß die Polen ihm
"um widerwillig" unterliege". Ein dritter nennt das deutsche Recht "Raub
und Diebstahl"; er rät. alle deutscheu Ausdrücke aus dem Polnischen zu ent¬
fernen, um die Spuren des deutschen Kultureinflusses zu beseitigen. Wie stief¬
mütterlich wurden die Deutschen Galiziens im Prachtwerk "Österreich-Ungarn
w Wort und Bild" behandelt!

In den letzten Jahren hat der Deutschenhaß in Galizien noch euren
besonderen Ausdruck gefunden. Von Zeit zu Zeit tauchen Nachrichten über
Projekte auf, welche die Verdrängung oder Polonisierung der galizischen Deutschen
mit ganz besonderen Mitteln herbeiführen sollen. Anfang 1910 kündigt wieder
ein Krakauer Blatt einen heftigen Kampf gegen die galizischen Deutschen an:
"Die Deutschen in Galizien, die von Berlin kräftig unterstützt werden, sind zu
einer Macht angewachsen, die unsere nationalen Interesse" bedroht und der


Die Lage des Deutschtums in Galizien

Dieb, der sich mit „unserem" Brot nährt, die Steuern stets vermehrt. Tabak
zu bauen verbietet, das Recht beugt n. tgi. in.; gegen ihn müsse man mit
frisch gedeugelteu Sensen losgehen. Andere Aufzeichnungen sprechen mit sicht¬
lichem Haß von den Beamten „von draußen", den „schwarzgelben", die „mit
unglaublich blinder Achtung den hohen Behörden und ihren Befehlen gehorchten"
und auf die Spottlieder verbreitet waren. Zu diesen Deutschhassern gehörten
übrigens polonisierte Deutsche, die auch an den Aufständen teilnahmen.

Seither hat dieser Haß nicht abgenommen, er ist vielmehr, wenn möglich,
gewachsen. Zwei Faktoren haben ihn in den letzten Jahren besonders angefacht:
die preußische Polenpolitik und die erstarkende deutschvölkische Organisation.

Zeugnisse für den Deutschenhaß begegnen uns auf Schritt und Tritt. In
den polnischen Zeitungen werden die Deutschen als eine Pest bezeichnet, die
aus dem Lande auch mit Gewalt entfernt werden müsse. „Die Deutschen
gereichen Galizien zur größten Schande; sie sollten wie tolle Hunde nieder¬
geschossen werden; sie sind eine Personifikation des Teufels und bilden eine
stete Gefahr für die polnische Kultur. Sie sollen dem Galgen überantwortet,
wie Tauben erwürgt werden u. tgi. in." Kann, bemerkt braucht zu werden,
daß diesen Zeitungen jede Objektivität bei der Besprechung der deutscheu Ver¬
hältnisse und Bestrebungen fehlt; es wimmelt förmlich in ihnen von böswilligen
Entstellungen und Verleumdungen. Im Jahre 1909 konnte man auch in den
Räumen des Staatsbahnhofes in Lemberg die farbige Ankündigung einer
Toiletteseife lesen: auf dieser sah man als Schutzmarke eine zur Faust geballte
Hand und darunter die Worte: ^yäio 51a tea Ka l'o (Seife für die Hakatisten).
Diese Reklameankündigung und ihre Schutzmarke enthält eine stetige Aufreizung
gegen die Deutschen, wird aber von den galizischen Behörden geduldet. Der¬
selbe Ton dringt immer mehr auch in wissenschaftlichen Arbeiten durch. Bei
der Besprechung der ersten deutsche» Zeitungen in Galizien begleitet ein Forscher
die Mitteilungen über den kurzen Bestand einiger Blätter mit der Bemerkung:
»Glücklicherweise sind sie bald eingegangen." Ein anderer vergißt bei der
Besprechung des deutschen Kultureinslusses nicht zu bemerken, daß die Polen ihm
»um widerwillig" unterliege». Ein dritter nennt das deutsche Recht „Raub
und Diebstahl"; er rät. alle deutscheu Ausdrücke aus dem Polnischen zu ent¬
fernen, um die Spuren des deutschen Kultureinflusses zu beseitigen. Wie stief¬
mütterlich wurden die Deutschen Galiziens im Prachtwerk „Österreich-Ungarn
w Wort und Bild" behandelt!

In den letzten Jahren hat der Deutschenhaß in Galizien noch euren
besonderen Ausdruck gefunden. Von Zeit zu Zeit tauchen Nachrichten über
Projekte auf, welche die Verdrängung oder Polonisierung der galizischen Deutschen
mit ganz besonderen Mitteln herbeiführen sollen. Anfang 1910 kündigt wieder
ein Krakauer Blatt einen heftigen Kampf gegen die galizischen Deutschen an:
»Die Deutschen in Galizien, die von Berlin kräftig unterstützt werden, sind zu
einer Macht angewachsen, die unsere nationalen Interesse» bedroht und der


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[0519] Die Lage des Deutschtums in Galizien Dieb, der sich mit „unserem" Brot nährt, die Steuern stets vermehrt. Tabak zu bauen verbietet, das Recht beugt n. tgi. in.; gegen ihn müsse man mit frisch gedeugelteu Sensen losgehen. Andere Aufzeichnungen sprechen mit sicht¬ lichem Haß von den Beamten „von draußen", den „schwarzgelben", die „mit unglaublich blinder Achtung den hohen Behörden und ihren Befehlen gehorchten" und auf die Spottlieder verbreitet waren. Zu diesen Deutschhassern gehörten übrigens polonisierte Deutsche, die auch an den Aufständen teilnahmen. Seither hat dieser Haß nicht abgenommen, er ist vielmehr, wenn möglich, gewachsen. Zwei Faktoren haben ihn in den letzten Jahren besonders angefacht: die preußische Polenpolitik und die erstarkende deutschvölkische Organisation. Zeugnisse für den Deutschenhaß begegnen uns auf Schritt und Tritt. In den polnischen Zeitungen werden die Deutschen als eine Pest bezeichnet, die aus dem Lande auch mit Gewalt entfernt werden müsse. „Die Deutschen gereichen Galizien zur größten Schande; sie sollten wie tolle Hunde nieder¬ geschossen werden; sie sind eine Personifikation des Teufels und bilden eine stete Gefahr für die polnische Kultur. Sie sollen dem Galgen überantwortet, wie Tauben erwürgt werden u. tgi. in." Kann, bemerkt braucht zu werden, daß diesen Zeitungen jede Objektivität bei der Besprechung der deutscheu Ver¬ hältnisse und Bestrebungen fehlt; es wimmelt förmlich in ihnen von böswilligen Entstellungen und Verleumdungen. Im Jahre 1909 konnte man auch in den Räumen des Staatsbahnhofes in Lemberg die farbige Ankündigung einer Toiletteseife lesen: auf dieser sah man als Schutzmarke eine zur Faust geballte Hand und darunter die Worte: ^yäio 51a tea Ka l'o (Seife für die Hakatisten). Diese Reklameankündigung und ihre Schutzmarke enthält eine stetige Aufreizung gegen die Deutschen, wird aber von den galizischen Behörden geduldet. Der¬ selbe Ton dringt immer mehr auch in wissenschaftlichen Arbeiten durch. Bei der Besprechung der ersten deutsche» Zeitungen in Galizien begleitet ein Forscher die Mitteilungen über den kurzen Bestand einiger Blätter mit der Bemerkung: »Glücklicherweise sind sie bald eingegangen." Ein anderer vergißt bei der Besprechung des deutschen Kultureinslusses nicht zu bemerken, daß die Polen ihm »um widerwillig" unterliege». Ein dritter nennt das deutsche Recht „Raub und Diebstahl"; er rät. alle deutscheu Ausdrücke aus dem Polnischen zu ent¬ fernen, um die Spuren des deutschen Kultureinflusses zu beseitigen. Wie stief¬ mütterlich wurden die Deutschen Galiziens im Prachtwerk „Österreich-Ungarn w Wort und Bild" behandelt! In den letzten Jahren hat der Deutschenhaß in Galizien noch euren besonderen Ausdruck gefunden. Von Zeit zu Zeit tauchen Nachrichten über Projekte auf, welche die Verdrängung oder Polonisierung der galizischen Deutschen mit ganz besonderen Mitteln herbeiführen sollen. Anfang 1910 kündigt wieder ein Krakauer Blatt einen heftigen Kampf gegen die galizischen Deutschen an: »Die Deutschen in Galizien, die von Berlin kräftig unterstützt werden, sind zu einer Macht angewachsen, die unsere nationalen Interesse» bedroht und der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/519>, abgerufen am 23.07.2024.