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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

trauen wird ihn befallen, und dieses Mißtrauen wird stärker und stärker werden,
je tiefer er in das Werk eindringt. Schließlich wird er, der ruhige Skeptiker,
nach gewissenhafter Prüfung nicht umhin können, ein kräftiges cavete! allen denen
zuzurufen, die von Natur geneigt sind, allzuleicht auf einen gewissen kraftmeicrnden
Typus des Fanatikers hineinzufallein

Es soll gewiß nicht geleugnet werden, daß Wahrheiten in diesem Buche sind.
Das heißt "Wahrheiten" ist vielleicht schon zuviel; sagen wir "Tatsächlichkeiten".
Aber wenn Herr Dr. Kemmerich selbst meint oder andere glauben machen will,
diese Tatsächlichkeiten seien "Dinge, die man nicht sagt", so irrt er eben gewaltig.
In Wahrheit sind diese Dinge schon recht oft gesagt worden. Herrn Dr. Kemmerichs
Kniff besteht nun aber darin, diesen vereinzelten Tatsächlichkeiten einen Nimbus
betrübender Allgemeinheit zu verleihen und sie so als Wahrheiten hinzustellen.
Dagegen muß uuter allen Umständen protestiert werden.

Kemmerich, der Universitätslehrer, widmet einen wesentlichen Teil seines
Buches dein Zustande unserer Universitäten. Geschickt vermeidet er es, hierbei auf
Friedrich vou der Leyens Buch "Deutsche Universitäten" (bei Eugen Diederichs,
Jena 1906) anzuspielen, das ihn ^ nun, drücken wir's gelinde aus -- angeregt
hat. Denn diese Anspielung würde auch dem naiven verraten, daß diese "Dinge"
eben öfters "gesagt" werden. Bloß mit dem Unterschiede, daß von der Leyen
bewußt und mit bestimmter Bezeichnung Einzelheiten herausgreift, während
Kennnerich diese Einzelheiten sofort als das Regelmäßige, allgemein Übliche hin¬
stellt. Ein Beispiel nur: ein einziger Münchener Germanist pflegt ein Kolleg über
Walter von der Vogelweide so zu lesen, wie es bei Kemmerich beschrieben ist.*)

Ich habe an den verschiedensten Universitäten dasselbe Kolleg gehört und es
nie ohne ästhetische Anregung verlassen. Kemmerich aber tut so, als gäbe es nur
vertrocknete, ekelhafte Kleinlichkeitskrämer in Deutschland, die der Jugend jede Lust
am künstlerischen und wissenschaftlichen Genuß benehmen. Alle Professoren auf



*) Vgl. v. d. Leyen, "Deutsche Universitäten", S, 40: "Man denke sich einen jungen Studenten, dem seine Lehrer auf der Schule Walter von
der Vogelweide und das Nibelungenlied Priesen, der darin auch hier und da selbst las, noch
ohne rechtes Verständnis, aber in der dämmernden Ahnung, das; hier Schätze ruhen, die er
nur noch nicht heben konnte. Dieser Student wird, wenn er auf unseren Universitäten Vor¬
lesungen über Walter besucht (hier macht sich auch v. d. Lehen einer verallgemeinernden Über¬
treibung schuldig) zuerst etwa von den mittelalterlichen Handschriften hören, in denen Walters
Gedichte uns überliefert wurden. Dann, welche Geburtsorte die Forschung für Walter für
möglich und für unmöglich erklärt, dann die sämtlichen kümmerlichen Daten über Walters
Leben und angenommene Fahrten, wobei man ihm manche Meinungsverschiedenheit als
wissenswert anführt. Viertens die Geschichte der Forschung über Walter bis in? kleinste
Detail; fünftens Walters Vorgänger und Meister, wobei grade das Äußerliche und Überflüssige,
die kleinen Einzelheiten sich wieder in den Vordergrund drängen; Sechstens Interpretation,
wobei der Dozent von der Geschichte der einzelnen Worte, ihrer grammatischen Bedeutung,
ihrem Wert für die äußere Kultur sehr viel spricht, der Walter eigentümlichen Schönheiten
wenig oder gar nicht gedenkt; gelegentliche. Worte streifen nebenbei und wie aus Zufall diese
Schönheiten, die der arme Student genießen wollte, und diese Urteile, die sich seltsam aus
Unbeholfenheit und Anmaßung zusammensetzen und am liebsten Meinungen anderer wieder¬
geben, verraten nicht, daß grade das künstlerische nachempfinden das Vermögen ist, das dem
Vortragenden abgeht." Man vergleiche diese Ausführungen Lebens mit der schon angezogenen Stelle bei
Kemmerich (S. 40f.) und man wird mir einräumen, daß er genau den Gedankengängen
Leyens gefolgt ist und aus eigenem nur die feuilletonistisch - satirische Ausschmückung
zugegeben hat!
Maßgebliches und Unmaßgebliches

trauen wird ihn befallen, und dieses Mißtrauen wird stärker und stärker werden,
je tiefer er in das Werk eindringt. Schließlich wird er, der ruhige Skeptiker,
nach gewissenhafter Prüfung nicht umhin können, ein kräftiges cavete! allen denen
zuzurufen, die von Natur geneigt sind, allzuleicht auf einen gewissen kraftmeicrnden
Typus des Fanatikers hineinzufallein

Es soll gewiß nicht geleugnet werden, daß Wahrheiten in diesem Buche sind.
Das heißt „Wahrheiten" ist vielleicht schon zuviel; sagen wir „Tatsächlichkeiten".
Aber wenn Herr Dr. Kemmerich selbst meint oder andere glauben machen will,
diese Tatsächlichkeiten seien „Dinge, die man nicht sagt", so irrt er eben gewaltig.
In Wahrheit sind diese Dinge schon recht oft gesagt worden. Herrn Dr. Kemmerichs
Kniff besteht nun aber darin, diesen vereinzelten Tatsächlichkeiten einen Nimbus
betrübender Allgemeinheit zu verleihen und sie so als Wahrheiten hinzustellen.
Dagegen muß uuter allen Umständen protestiert werden.

Kemmerich, der Universitätslehrer, widmet einen wesentlichen Teil seines
Buches dein Zustande unserer Universitäten. Geschickt vermeidet er es, hierbei auf
Friedrich vou der Leyens Buch „Deutsche Universitäten" (bei Eugen Diederichs,
Jena 1906) anzuspielen, das ihn ^ nun, drücken wir's gelinde aus — angeregt
hat. Denn diese Anspielung würde auch dem naiven verraten, daß diese „Dinge"
eben öfters „gesagt" werden. Bloß mit dem Unterschiede, daß von der Leyen
bewußt und mit bestimmter Bezeichnung Einzelheiten herausgreift, während
Kennnerich diese Einzelheiten sofort als das Regelmäßige, allgemein Übliche hin¬
stellt. Ein Beispiel nur: ein einziger Münchener Germanist pflegt ein Kolleg über
Walter von der Vogelweide so zu lesen, wie es bei Kemmerich beschrieben ist.*)

Ich habe an den verschiedensten Universitäten dasselbe Kolleg gehört und es
nie ohne ästhetische Anregung verlassen. Kemmerich aber tut so, als gäbe es nur
vertrocknete, ekelhafte Kleinlichkeitskrämer in Deutschland, die der Jugend jede Lust
am künstlerischen und wissenschaftlichen Genuß benehmen. Alle Professoren auf



*) Vgl. v. d. Leyen, „Deutsche Universitäten", S, 40: „Man denke sich einen jungen Studenten, dem seine Lehrer auf der Schule Walter von
der Vogelweide und das Nibelungenlied Priesen, der darin auch hier und da selbst las, noch
ohne rechtes Verständnis, aber in der dämmernden Ahnung, das; hier Schätze ruhen, die er
nur noch nicht heben konnte. Dieser Student wird, wenn er auf unseren Universitäten Vor¬
lesungen über Walter besucht (hier macht sich auch v. d. Lehen einer verallgemeinernden Über¬
treibung schuldig) zuerst etwa von den mittelalterlichen Handschriften hören, in denen Walters
Gedichte uns überliefert wurden. Dann, welche Geburtsorte die Forschung für Walter für
möglich und für unmöglich erklärt, dann die sämtlichen kümmerlichen Daten über Walters
Leben und angenommene Fahrten, wobei man ihm manche Meinungsverschiedenheit als
wissenswert anführt. Viertens die Geschichte der Forschung über Walter bis in? kleinste
Detail; fünftens Walters Vorgänger und Meister, wobei grade das Äußerliche und Überflüssige,
die kleinen Einzelheiten sich wieder in den Vordergrund drängen; Sechstens Interpretation,
wobei der Dozent von der Geschichte der einzelnen Worte, ihrer grammatischen Bedeutung,
ihrem Wert für die äußere Kultur sehr viel spricht, der Walter eigentümlichen Schönheiten
wenig oder gar nicht gedenkt; gelegentliche. Worte streifen nebenbei und wie aus Zufall diese
Schönheiten, die der arme Student genießen wollte, und diese Urteile, die sich seltsam aus
Unbeholfenheit und Anmaßung zusammensetzen und am liebsten Meinungen anderer wieder¬
geben, verraten nicht, daß grade das künstlerische nachempfinden das Vermögen ist, das dem
Vortragenden abgeht." Man vergleiche diese Ausführungen Lebens mit der schon angezogenen Stelle bei
Kemmerich (S. 40f.) und man wird mir einräumen, daß er genau den Gedankengängen
Leyens gefolgt ist und aus eigenem nur die feuilletonistisch - satirische Ausschmückung
zugegeben hat!
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[0414] Maßgebliches und Unmaßgebliches trauen wird ihn befallen, und dieses Mißtrauen wird stärker und stärker werden, je tiefer er in das Werk eindringt. Schließlich wird er, der ruhige Skeptiker, nach gewissenhafter Prüfung nicht umhin können, ein kräftiges cavete! allen denen zuzurufen, die von Natur geneigt sind, allzuleicht auf einen gewissen kraftmeicrnden Typus des Fanatikers hineinzufallein Es soll gewiß nicht geleugnet werden, daß Wahrheiten in diesem Buche sind. Das heißt „Wahrheiten" ist vielleicht schon zuviel; sagen wir „Tatsächlichkeiten". Aber wenn Herr Dr. Kemmerich selbst meint oder andere glauben machen will, diese Tatsächlichkeiten seien „Dinge, die man nicht sagt", so irrt er eben gewaltig. In Wahrheit sind diese Dinge schon recht oft gesagt worden. Herrn Dr. Kemmerichs Kniff besteht nun aber darin, diesen vereinzelten Tatsächlichkeiten einen Nimbus betrübender Allgemeinheit zu verleihen und sie so als Wahrheiten hinzustellen. Dagegen muß uuter allen Umständen protestiert werden. Kemmerich, der Universitätslehrer, widmet einen wesentlichen Teil seines Buches dein Zustande unserer Universitäten. Geschickt vermeidet er es, hierbei auf Friedrich vou der Leyens Buch „Deutsche Universitäten" (bei Eugen Diederichs, Jena 1906) anzuspielen, das ihn ^ nun, drücken wir's gelinde aus — angeregt hat. Denn diese Anspielung würde auch dem naiven verraten, daß diese „Dinge" eben öfters „gesagt" werden. Bloß mit dem Unterschiede, daß von der Leyen bewußt und mit bestimmter Bezeichnung Einzelheiten herausgreift, während Kennnerich diese Einzelheiten sofort als das Regelmäßige, allgemein Übliche hin¬ stellt. Ein Beispiel nur: ein einziger Münchener Germanist pflegt ein Kolleg über Walter von der Vogelweide so zu lesen, wie es bei Kemmerich beschrieben ist.*) Ich habe an den verschiedensten Universitäten dasselbe Kolleg gehört und es nie ohne ästhetische Anregung verlassen. Kemmerich aber tut so, als gäbe es nur vertrocknete, ekelhafte Kleinlichkeitskrämer in Deutschland, die der Jugend jede Lust am künstlerischen und wissenschaftlichen Genuß benehmen. Alle Professoren auf *) Vgl. v. d. Leyen, „Deutsche Universitäten", S, 40: „Man denke sich einen jungen Studenten, dem seine Lehrer auf der Schule Walter von der Vogelweide und das Nibelungenlied Priesen, der darin auch hier und da selbst las, noch ohne rechtes Verständnis, aber in der dämmernden Ahnung, das; hier Schätze ruhen, die er nur noch nicht heben konnte. Dieser Student wird, wenn er auf unseren Universitäten Vor¬ lesungen über Walter besucht (hier macht sich auch v. d. Lehen einer verallgemeinernden Über¬ treibung schuldig) zuerst etwa von den mittelalterlichen Handschriften hören, in denen Walters Gedichte uns überliefert wurden. Dann, welche Geburtsorte die Forschung für Walter für möglich und für unmöglich erklärt, dann die sämtlichen kümmerlichen Daten über Walters Leben und angenommene Fahrten, wobei man ihm manche Meinungsverschiedenheit als wissenswert anführt. Viertens die Geschichte der Forschung über Walter bis in? kleinste Detail; fünftens Walters Vorgänger und Meister, wobei grade das Äußerliche und Überflüssige, die kleinen Einzelheiten sich wieder in den Vordergrund drängen; Sechstens Interpretation, wobei der Dozent von der Geschichte der einzelnen Worte, ihrer grammatischen Bedeutung, ihrem Wert für die äußere Kultur sehr viel spricht, der Walter eigentümlichen Schönheiten wenig oder gar nicht gedenkt; gelegentliche. Worte streifen nebenbei und wie aus Zufall diese Schönheiten, die der arme Student genießen wollte, und diese Urteile, die sich seltsam aus Unbeholfenheit und Anmaßung zusammensetzen und am liebsten Meinungen anderer wieder¬ geben, verraten nicht, daß grade das künstlerische nachempfinden das Vermögen ist, das dem Vortragenden abgeht." Man vergleiche diese Ausführungen Lebens mit der schon angezogenen Stelle bei Kemmerich (S. 40f.) und man wird mir einräumen, daß er genau den Gedankengängen Leyens gefolgt ist und aus eigenem nur die feuilletonistisch - satirische Ausschmückung zugegeben hat!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/414>, abgerufen am 03.07.2024.