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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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Die schwarze Mutter Gottes von Reith

Auf einmal ist alles wach und läuft durcheinander und schleppt Leitern
herzu und bringt Kübel mit Wasser. Aber das nährt die Flammen nur. Es ist
alles verloren.

Da ist eS dein Bauern, der selbst bei dem vergeblichen Löschen mithilft, er
müsse jetzt und jetzt lachen, ganz wie bei der drolligen Flucht der Gevatterin mit
dem Kind, nur hundertmal lauter, lachen, daß die Mauern zusammenstürzen.. .

Aber da krachen sie schon und mit einem allgemeinen Ruf des Entsetzens
weichen die Leute weit zurück. Der Turm wird zusammenbrechen. Und nun
wartet man, wartet man, während die Glocken, deren Metall schon angefressen
ist, noch fortläuten, immer jammernder, immer dissonierender.

Der Bauer steht mitten unter den vielen, aber er allein weiß, was dieses
Jammern der Glocken bedeutet! das ist sie selbst, die da klagt, sie selbst, die ihn
betrogen hat.

Auf einmal donnert der Turm in sich zusammen. Aus den Trümmern
schießen Stichflammen auf. Niemand wagt sich in die Nähe.

Allmählich läßt das Prasseln nach und durch die glutdurchhauchte Luft senkt
es sich wie ein kühles Tuch. Es wird immer stiller. Aber noch ist alles ringsum
rot. Man ist nun an das Rauschen gewöhnt. Es ist fast wie ein Wasserfall.. . .

Da hört der Bauer in seiner Nähe ein weinerliches Geklage. Der Dechant
der verbrannten Kirche läuft zwischen den Leuten umher und kann sich nicht fassen.
Immer wieder fragt er, wer das nur getan haben könne. Daß der Brand gelegt
worden sei, darüber war man bereits einig.

Der Bauer hört sein Klagen und hat plötzlich das Gefühl, als könne er dem
alten Manne von seinem quälenden Weinen helfen, wenn er ihm Antwort gebe,

"Ich Hab's getan, Hochwürden," sagt er einfach, wiederholt das dann noch
mehrmals und läßt sich fesseln und fortführen.

Mit einem Male wird das Volk wild, beginnt zu toben und will ihn zu
Tode schlagen, aber nur einige Stöße treffen ihn', der Geistliche selbst geht zu
seinem Schutze hinter ihm. Er klagt jetzt in der Tat nicht mehr.

Damit war die Sache erledigt.

Und alles kam, wie der Bauer sich's gedacht hatte, nur eines hatte er nicht
ahnen können:

Als man zum Neuaufbau der Kirche die Trümmer fortschaffte, fand mau
unter ihnen das Bild der schwarzen Mutter Gottes völlig unversehrt; nicht einmal
ihr Kleid war verbrannt, und eben das weiße gestickte Kleid war's, das jener
Bauer ihr gespendet hatte. Und der Ruf von diesem neuen Wunder ging in das
ganze Land aus.




Die schwarze Mutter Gottes von Reith

Auf einmal ist alles wach und läuft durcheinander und schleppt Leitern
herzu und bringt Kübel mit Wasser. Aber das nährt die Flammen nur. Es ist
alles verloren.

Da ist eS dein Bauern, der selbst bei dem vergeblichen Löschen mithilft, er
müsse jetzt und jetzt lachen, ganz wie bei der drolligen Flucht der Gevatterin mit
dem Kind, nur hundertmal lauter, lachen, daß die Mauern zusammenstürzen.. .

Aber da krachen sie schon und mit einem allgemeinen Ruf des Entsetzens
weichen die Leute weit zurück. Der Turm wird zusammenbrechen. Und nun
wartet man, wartet man, während die Glocken, deren Metall schon angefressen
ist, noch fortläuten, immer jammernder, immer dissonierender.

Der Bauer steht mitten unter den vielen, aber er allein weiß, was dieses
Jammern der Glocken bedeutet! das ist sie selbst, die da klagt, sie selbst, die ihn
betrogen hat.

Auf einmal donnert der Turm in sich zusammen. Aus den Trümmern
schießen Stichflammen auf. Niemand wagt sich in die Nähe.

Allmählich läßt das Prasseln nach und durch die glutdurchhauchte Luft senkt
es sich wie ein kühles Tuch. Es wird immer stiller. Aber noch ist alles ringsum
rot. Man ist nun an das Rauschen gewöhnt. Es ist fast wie ein Wasserfall.. . .

Da hört der Bauer in seiner Nähe ein weinerliches Geklage. Der Dechant
der verbrannten Kirche läuft zwischen den Leuten umher und kann sich nicht fassen.
Immer wieder fragt er, wer das nur getan haben könne. Daß der Brand gelegt
worden sei, darüber war man bereits einig.

Der Bauer hört sein Klagen und hat plötzlich das Gefühl, als könne er dem
alten Manne von seinem quälenden Weinen helfen, wenn er ihm Antwort gebe,

„Ich Hab's getan, Hochwürden," sagt er einfach, wiederholt das dann noch
mehrmals und läßt sich fesseln und fortführen.

Mit einem Male wird das Volk wild, beginnt zu toben und will ihn zu
Tode schlagen, aber nur einige Stöße treffen ihn', der Geistliche selbst geht zu
seinem Schutze hinter ihm. Er klagt jetzt in der Tat nicht mehr.

Damit war die Sache erledigt.

Und alles kam, wie der Bauer sich's gedacht hatte, nur eines hatte er nicht
ahnen können:

Als man zum Neuaufbau der Kirche die Trümmer fortschaffte, fand mau
unter ihnen das Bild der schwarzen Mutter Gottes völlig unversehrt; nicht einmal
ihr Kleid war verbrannt, und eben das weiße gestickte Kleid war's, das jener
Bauer ihr gespendet hatte. Und der Ruf von diesem neuen Wunder ging in das
ganze Land aus.




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[0402] Die schwarze Mutter Gottes von Reith Auf einmal ist alles wach und läuft durcheinander und schleppt Leitern herzu und bringt Kübel mit Wasser. Aber das nährt die Flammen nur. Es ist alles verloren. Da ist eS dein Bauern, der selbst bei dem vergeblichen Löschen mithilft, er müsse jetzt und jetzt lachen, ganz wie bei der drolligen Flucht der Gevatterin mit dem Kind, nur hundertmal lauter, lachen, daß die Mauern zusammenstürzen.. . Aber da krachen sie schon und mit einem allgemeinen Ruf des Entsetzens weichen die Leute weit zurück. Der Turm wird zusammenbrechen. Und nun wartet man, wartet man, während die Glocken, deren Metall schon angefressen ist, noch fortläuten, immer jammernder, immer dissonierender. Der Bauer steht mitten unter den vielen, aber er allein weiß, was dieses Jammern der Glocken bedeutet! das ist sie selbst, die da klagt, sie selbst, die ihn betrogen hat. Auf einmal donnert der Turm in sich zusammen. Aus den Trümmern schießen Stichflammen auf. Niemand wagt sich in die Nähe. Allmählich läßt das Prasseln nach und durch die glutdurchhauchte Luft senkt es sich wie ein kühles Tuch. Es wird immer stiller. Aber noch ist alles ringsum rot. Man ist nun an das Rauschen gewöhnt. Es ist fast wie ein Wasserfall.. . . Da hört der Bauer in seiner Nähe ein weinerliches Geklage. Der Dechant der verbrannten Kirche läuft zwischen den Leuten umher und kann sich nicht fassen. Immer wieder fragt er, wer das nur getan haben könne. Daß der Brand gelegt worden sei, darüber war man bereits einig. Der Bauer hört sein Klagen und hat plötzlich das Gefühl, als könne er dem alten Manne von seinem quälenden Weinen helfen, wenn er ihm Antwort gebe, „Ich Hab's getan, Hochwürden," sagt er einfach, wiederholt das dann noch mehrmals und läßt sich fesseln und fortführen. Mit einem Male wird das Volk wild, beginnt zu toben und will ihn zu Tode schlagen, aber nur einige Stöße treffen ihn', der Geistliche selbst geht zu seinem Schutze hinter ihm. Er klagt jetzt in der Tat nicht mehr. Damit war die Sache erledigt. Und alles kam, wie der Bauer sich's gedacht hatte, nur eines hatte er nicht ahnen können: Als man zum Neuaufbau der Kirche die Trümmer fortschaffte, fand mau unter ihnen das Bild der schwarzen Mutter Gottes völlig unversehrt; nicht einmal ihr Kleid war verbrannt, und eben das weiße gestickte Kleid war's, das jener Bauer ihr gespendet hatte. Und der Ruf von diesem neuen Wunder ging in das ganze Land aus.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/402>, abgerufen am 26.08.2024.