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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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Die schwarze Mutter Gottes von Reith

schnell wieder den Kasten zu, legt den Schlüssel an seinen Ort und bringt das
Geldstück, das ihr wie Feuer in der Hand brennt, der Frau.

"Aber jetzt geht, Gevatterin, jetzt geht," bittet sie.

Und die Alte dankt und geht.

Der Bauer wartet, bis sie fort ist, dann kommt er ins Hans.

"Nun," fragt er die Frau, "hat sie heut nicht wieder was wollen?"

"Nein," sagt die Bäuerin und sieht von ihrer Arbeit nicht auf.

Er lacht: "Mir scheint, wollen hat sie schon was, bekommen aber hat
sie nichts."

Sie wird sich's nun merken, denkt er.

Aber es dauerte nicht lange, so kam die Gevatterin wieder. Sie wollte jetzt
immer nur Geld, jedesmal einen Gulden. Und jedesmal bekam sie ihn.
'

Der Bauer sah bald,daß seine Frau nicht mehr wie sonst war, daß sie ihm
gar nicht mehr ins Gesicht blicken wollte, daß sie geschäftig tat, auch wenn sie keine
Arbeit hatte. In der Nacht schlief sie nicht recht und hatte am Tage hohle Augen.
Erst dachte er, sie werde sich wieder Mutter fühlen. Aber als er sie geradezu
fragte, sagte sie: "Nein". Er wußte nicht, was er sonst denken sollte.

Eines Sonntags zählte er sein Geld und fand, daß viel mehr fehlte, als für
das Haus bisher verausgabt war. Er sah zu seiner Fran hinüber und sah, wie
sie die Farbe wechselte.

"Was ist's mit dem Gelde?" fragte er. "Da fehlt mir etwas."

Sie hatte sich für den Fall schon eine Ausrede zurecht gelegt. Sie habe
während seiner Abwesenheit Schulden gemacht, die sie nnn bezahlen müsse, und
habe sie ihm nicht eingestehen wollen. Er solle ihr verzeihen. Er fragte, bei
wem sie die Schulden gemacht habe. Sie zögerte. "Bei der Gevatterin," sagte
sie dann.

Er fragte weiter, ob sie noch bei ihr Schulden habe.

Sie wagte nicht zu bejahen und schüttelte nur den Kopf.

"Dann ist's gut," sagte der Bauer, sperrte das Geld wieder in den Kasten
und nahm den Schlüssel an sich. Das Weib sah es in jähem Schrecken, aber
wagte kein Wort.

Mehrmals kam jetzt die Gevatterin umsonst, sie bekam nichts als die Ver¬
tröstung auf das nächste Mal. Aber der Bauer behielt den Schlüssel. Da brachte
sie wieder das Kind mit. Es ging schon gegen das Frühjahr zu und der Bauer
richtete draußen auf dem Hofe mit dem Knechtl den Pflug und die Egge wieder
her. Sie hämmerten auf das Eisen, daß es nur so schallte. Und der Tag war
hell und lustig.

"Bäuerin," begann die Gevatterin drinnen im Haus, "heut sag' ich's ihm,
wenn Ihr mich wieder vertrösten wollt."

Die Bäuerin bat sie, nur noch einmal zu warten. Sie wollte nicht. Eine
Weile redeten sie so hin und her, dann sagte die Alte, kurz abbrechend:

"Jetzt geh' ich zu ihm."

Und sie ging wirklich hinaus und nahm ihren Weg ans den Bauern zu, der
sie bemerkt hatte und mit seiner Arbeit erwartend einhielt.

Da jedoch läuft ihr die Bäuerin voraus und wirft sich ihrem Manne an
die Brust.


Die schwarze Mutter Gottes von Reith

schnell wieder den Kasten zu, legt den Schlüssel an seinen Ort und bringt das
Geldstück, das ihr wie Feuer in der Hand brennt, der Frau.

„Aber jetzt geht, Gevatterin, jetzt geht," bittet sie.

Und die Alte dankt und geht.

Der Bauer wartet, bis sie fort ist, dann kommt er ins Hans.

„Nun," fragt er die Frau, „hat sie heut nicht wieder was wollen?"

„Nein," sagt die Bäuerin und sieht von ihrer Arbeit nicht auf.

Er lacht: „Mir scheint, wollen hat sie schon was, bekommen aber hat
sie nichts."

Sie wird sich's nun merken, denkt er.

Aber es dauerte nicht lange, so kam die Gevatterin wieder. Sie wollte jetzt
immer nur Geld, jedesmal einen Gulden. Und jedesmal bekam sie ihn.
'

Der Bauer sah bald,daß seine Frau nicht mehr wie sonst war, daß sie ihm
gar nicht mehr ins Gesicht blicken wollte, daß sie geschäftig tat, auch wenn sie keine
Arbeit hatte. In der Nacht schlief sie nicht recht und hatte am Tage hohle Augen.
Erst dachte er, sie werde sich wieder Mutter fühlen. Aber als er sie geradezu
fragte, sagte sie: „Nein". Er wußte nicht, was er sonst denken sollte.

Eines Sonntags zählte er sein Geld und fand, daß viel mehr fehlte, als für
das Haus bisher verausgabt war. Er sah zu seiner Fran hinüber und sah, wie
sie die Farbe wechselte.

„Was ist's mit dem Gelde?" fragte er. „Da fehlt mir etwas."

Sie hatte sich für den Fall schon eine Ausrede zurecht gelegt. Sie habe
während seiner Abwesenheit Schulden gemacht, die sie nnn bezahlen müsse, und
habe sie ihm nicht eingestehen wollen. Er solle ihr verzeihen. Er fragte, bei
wem sie die Schulden gemacht habe. Sie zögerte. „Bei der Gevatterin," sagte
sie dann.

Er fragte weiter, ob sie noch bei ihr Schulden habe.

Sie wagte nicht zu bejahen und schüttelte nur den Kopf.

„Dann ist's gut," sagte der Bauer, sperrte das Geld wieder in den Kasten
und nahm den Schlüssel an sich. Das Weib sah es in jähem Schrecken, aber
wagte kein Wort.

Mehrmals kam jetzt die Gevatterin umsonst, sie bekam nichts als die Ver¬
tröstung auf das nächste Mal. Aber der Bauer behielt den Schlüssel. Da brachte
sie wieder das Kind mit. Es ging schon gegen das Frühjahr zu und der Bauer
richtete draußen auf dem Hofe mit dem Knechtl den Pflug und die Egge wieder
her. Sie hämmerten auf das Eisen, daß es nur so schallte. Und der Tag war
hell und lustig.

„Bäuerin," begann die Gevatterin drinnen im Haus, „heut sag' ich's ihm,
wenn Ihr mich wieder vertrösten wollt."

Die Bäuerin bat sie, nur noch einmal zu warten. Sie wollte nicht. Eine
Weile redeten sie so hin und her, dann sagte die Alte, kurz abbrechend:

„Jetzt geh' ich zu ihm."

Und sie ging wirklich hinaus und nahm ihren Weg ans den Bauern zu, der
sie bemerkt hatte und mit seiner Arbeit erwartend einhielt.

Da jedoch läuft ihr die Bäuerin voraus und wirft sich ihrem Manne an
die Brust.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/400>, abgerufen am 25.08.2024.