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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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Asiatische Arbeit

Ausgleich wird um so schneller herbeigeführt, als meiner Meinung nach der
Fleiß der Chinesen nur dem starken Erwerbssinn und nicht etwa der Freude am
Schaffen an sich entspringt, die mir als weit verbreitete, kostbare National¬
eigenschaft die germanische, und neben ihr höchstens noch einige Zweige der
romanischen Rasse zu besitzen scheinen. Der aus der Enge der Besiedelung
entstandene Kampf ums Leben, der in weiten Teilen Chinas seit Jahr¬
hunderten in einer uns unbekannten Schärfe herrscht, hat den Chinesen zu dein
fleißigen Arbeiter gemacht, nicht Schaffensdrang. Im Innern ist der
Chinese Orientale, der die Arbeit nicht liebt. Reich geworden gibt er sich auch
gern den: Müßiggang und dem Luxus hin. wie sich das z. B. bei den dem Druck
ihrer Mandarine entzogenen Chinesen Singapores zeigt, die man in modischer
europäischer Kleidung. Zigarren rauchend in ihren Automobilen zu Dutzenden
auf der Promenade fahren sieht.

Doch kehren wir zum Amur zurück! Blagoweschtschel.öl ist auch das Zentrum
der Versorgung der Goldminen an den Amnrzuflüssen Seja, Selendscha, Bureja
und Augur mit den nötigen Arbeitern. Neben einigen tausend Russen strömen
Anfang Mai fünfzehn- bis zwanzigtausend chinesische Wanderarbeiter auf dem
Weg zu den Goldgruben durch die Stadt. Sie kommen entweder zu Schiff aus
der Mandschurei von Chardin und anderen Orten am Sungari her oder aus
entfernteren Provinzen Chinas auf Hunderte und selbst Tausende von Kilometern,
und gehen zu Schiff und zu Fuß weiter zu den Goldminen. In Massen sah
ich ihre großen, schmalen, mageren Gestalten im Goldrevier der oberen Seja,
jeden mit den notwendigsten Kleidungsstücken und Goldgräbergeräten auf dem
Rücken, schweißtriefend und müde am Tage dahinkeuchend. frierend nachts um
ein Lagerfeuer zusammenhockend, wenn ausgeruht und in guter Stimmung,
schwatzend oder ihre fremdartigen Volksweisen singend. In ihrer großen Mehr-
Zahl harmlose Burschen, sollen sich doch auch manche verwegenen Gesellen, wie
Z. B. Chungusen. unter ihnen finden, die sich vor einen: Raubanfall nicht scheuen,
ebenso wie freilich mancher chinesische Goldgräber von Russen erschlagen und
seines Goldes beraubt wird.

Im Goldbezirk ist die Arbeit der Chinesen der der Russen nicht so über¬
legen wie in den Städten, und nur die große Bedürfnislosigkeit des
Chinesen läßt ihn selbst hier noch wirtschaftlich gedeihen unter klimatischen
Bedingungen und Arbeitsverhältnissen, die dem etwas verweichlichten Volke
">eilig zusagen können. Die Arbeit der Russen und Chinesen scheidet
sich ans den Goldgruben so. daß sie nicht kollidiert, sondern nebeneinander hergeht.
Der Russe übernimmt gegen Lohn oder Mord. z.B. nach Kubikfuß geförderten
und verwaschenen Sandes, die Arbeiten auf den seitens der Unternehmer direkt
ausgebeuteten Goldgruben. Er baut als geschickter Zimmermann die Goldwasch¬
maschinen und steht ohne zu klagen stundenlang bis an die Knie im eiskalten
Wasser der Sümpfe und Flüsse, oder läßt sich vom durchdringenden kalten
Regen peitschen; nur schwatzen muß er dabei können, ab und zu eine Zigarette


Asiatische Arbeit

Ausgleich wird um so schneller herbeigeführt, als meiner Meinung nach der
Fleiß der Chinesen nur dem starken Erwerbssinn und nicht etwa der Freude am
Schaffen an sich entspringt, die mir als weit verbreitete, kostbare National¬
eigenschaft die germanische, und neben ihr höchstens noch einige Zweige der
romanischen Rasse zu besitzen scheinen. Der aus der Enge der Besiedelung
entstandene Kampf ums Leben, der in weiten Teilen Chinas seit Jahr¬
hunderten in einer uns unbekannten Schärfe herrscht, hat den Chinesen zu dein
fleißigen Arbeiter gemacht, nicht Schaffensdrang. Im Innern ist der
Chinese Orientale, der die Arbeit nicht liebt. Reich geworden gibt er sich auch
gern den: Müßiggang und dem Luxus hin. wie sich das z. B. bei den dem Druck
ihrer Mandarine entzogenen Chinesen Singapores zeigt, die man in modischer
europäischer Kleidung. Zigarren rauchend in ihren Automobilen zu Dutzenden
auf der Promenade fahren sieht.

Doch kehren wir zum Amur zurück! Blagoweschtschel.öl ist auch das Zentrum
der Versorgung der Goldminen an den Amnrzuflüssen Seja, Selendscha, Bureja
und Augur mit den nötigen Arbeitern. Neben einigen tausend Russen strömen
Anfang Mai fünfzehn- bis zwanzigtausend chinesische Wanderarbeiter auf dem
Weg zu den Goldgruben durch die Stadt. Sie kommen entweder zu Schiff aus
der Mandschurei von Chardin und anderen Orten am Sungari her oder aus
entfernteren Provinzen Chinas auf Hunderte und selbst Tausende von Kilometern,
und gehen zu Schiff und zu Fuß weiter zu den Goldminen. In Massen sah
ich ihre großen, schmalen, mageren Gestalten im Goldrevier der oberen Seja,
jeden mit den notwendigsten Kleidungsstücken und Goldgräbergeräten auf dem
Rücken, schweißtriefend und müde am Tage dahinkeuchend. frierend nachts um
ein Lagerfeuer zusammenhockend, wenn ausgeruht und in guter Stimmung,
schwatzend oder ihre fremdartigen Volksweisen singend. In ihrer großen Mehr-
Zahl harmlose Burschen, sollen sich doch auch manche verwegenen Gesellen, wie
Z. B. Chungusen. unter ihnen finden, die sich vor einen: Raubanfall nicht scheuen,
ebenso wie freilich mancher chinesische Goldgräber von Russen erschlagen und
seines Goldes beraubt wird.

Im Goldbezirk ist die Arbeit der Chinesen der der Russen nicht so über¬
legen wie in den Städten, und nur die große Bedürfnislosigkeit des
Chinesen läßt ihn selbst hier noch wirtschaftlich gedeihen unter klimatischen
Bedingungen und Arbeitsverhältnissen, die dem etwas verweichlichten Volke
">eilig zusagen können. Die Arbeit der Russen und Chinesen scheidet
sich ans den Goldgruben so. daß sie nicht kollidiert, sondern nebeneinander hergeht.
Der Russe übernimmt gegen Lohn oder Mord. z.B. nach Kubikfuß geförderten
und verwaschenen Sandes, die Arbeiten auf den seitens der Unternehmer direkt
ausgebeuteten Goldgruben. Er baut als geschickter Zimmermann die Goldwasch¬
maschinen und steht ohne zu klagen stundenlang bis an die Knie im eiskalten
Wasser der Sümpfe und Flüsse, oder läßt sich vom durchdringenden kalten
Regen peitschen; nur schwatzen muß er dabei können, ab und zu eine Zigarette


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[0295] Asiatische Arbeit Ausgleich wird um so schneller herbeigeführt, als meiner Meinung nach der Fleiß der Chinesen nur dem starken Erwerbssinn und nicht etwa der Freude am Schaffen an sich entspringt, die mir als weit verbreitete, kostbare National¬ eigenschaft die germanische, und neben ihr höchstens noch einige Zweige der romanischen Rasse zu besitzen scheinen. Der aus der Enge der Besiedelung entstandene Kampf ums Leben, der in weiten Teilen Chinas seit Jahr¬ hunderten in einer uns unbekannten Schärfe herrscht, hat den Chinesen zu dein fleißigen Arbeiter gemacht, nicht Schaffensdrang. Im Innern ist der Chinese Orientale, der die Arbeit nicht liebt. Reich geworden gibt er sich auch gern den: Müßiggang und dem Luxus hin. wie sich das z. B. bei den dem Druck ihrer Mandarine entzogenen Chinesen Singapores zeigt, die man in modischer europäischer Kleidung. Zigarren rauchend in ihren Automobilen zu Dutzenden auf der Promenade fahren sieht. Doch kehren wir zum Amur zurück! Blagoweschtschel.öl ist auch das Zentrum der Versorgung der Goldminen an den Amnrzuflüssen Seja, Selendscha, Bureja und Augur mit den nötigen Arbeitern. Neben einigen tausend Russen strömen Anfang Mai fünfzehn- bis zwanzigtausend chinesische Wanderarbeiter auf dem Weg zu den Goldgruben durch die Stadt. Sie kommen entweder zu Schiff aus der Mandschurei von Chardin und anderen Orten am Sungari her oder aus entfernteren Provinzen Chinas auf Hunderte und selbst Tausende von Kilometern, und gehen zu Schiff und zu Fuß weiter zu den Goldminen. In Massen sah ich ihre großen, schmalen, mageren Gestalten im Goldrevier der oberen Seja, jeden mit den notwendigsten Kleidungsstücken und Goldgräbergeräten auf dem Rücken, schweißtriefend und müde am Tage dahinkeuchend. frierend nachts um ein Lagerfeuer zusammenhockend, wenn ausgeruht und in guter Stimmung, schwatzend oder ihre fremdartigen Volksweisen singend. In ihrer großen Mehr- Zahl harmlose Burschen, sollen sich doch auch manche verwegenen Gesellen, wie Z. B. Chungusen. unter ihnen finden, die sich vor einen: Raubanfall nicht scheuen, ebenso wie freilich mancher chinesische Goldgräber von Russen erschlagen und seines Goldes beraubt wird. Im Goldbezirk ist die Arbeit der Chinesen der der Russen nicht so über¬ legen wie in den Städten, und nur die große Bedürfnislosigkeit des Chinesen läßt ihn selbst hier noch wirtschaftlich gedeihen unter klimatischen Bedingungen und Arbeitsverhältnissen, die dem etwas verweichlichten Volke ">eilig zusagen können. Die Arbeit der Russen und Chinesen scheidet sich ans den Goldgruben so. daß sie nicht kollidiert, sondern nebeneinander hergeht. Der Russe übernimmt gegen Lohn oder Mord. z.B. nach Kubikfuß geförderten und verwaschenen Sandes, die Arbeiten auf den seitens der Unternehmer direkt ausgebeuteten Goldgruben. Er baut als geschickter Zimmermann die Goldwasch¬ maschinen und steht ohne zu klagen stundenlang bis an die Knie im eiskalten Wasser der Sümpfe und Flüsse, oder läßt sich vom durchdringenden kalten Regen peitschen; nur schwatzen muß er dabei können, ab und zu eine Zigarette

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/295>, abgerufen am 22.07.2024.