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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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Die Wasserwirtschaft im rheinisch-westfälischen Zndustricbezirk

30 Prozent, die Bergwerke 52 Prozent, den Nest von 18 Prozent die anderen
Industrien als Beiträge bei. Dabei ist zu beachten, daß Beitragslasten von
Industrieanlagen, die nach der Errechnung unter 5000 Mark bleiben, nicht zur
Aufnahme der betreffenden Unternehmung als selbständige "Beteiligte" im
Kataster führen, sondern ihrer Gemeinde zugerechnet werden.

Mit den hauptsächlichsten Arbeiten der Begradigung und Vertiefung sowie
der Verlegung des Unterlaufes der Emscher wurde 1904 unverzüglich begonnen.
Diese Arbeiten sind nahezu fertig. Damit ist die Fähigkeit der Emscher, Vorflut
zu gewähren, wiederhergestellt, der Eintritt von Überschwemmungen durch Hoch¬
wasser ist unmöglich gemacht. Die Regulierung der Nebenbäche, die systematische
Herstellung von Kläranlagen werden in dieser Hinsicht in: ganzen Bezirk geordnete
sanitäre Verhältnisse schaffen.




Man würde der Bedeutung der hier besprochenen beiden Gründungen nicht
gerecht werden, wollte man sie nur als besonders hervorragende und merkwürdige
Erscheinungen auf dem Gebiete des öffentlichen Genossenschaftswesens ansehen.
Mit den üblichen Wassergenossenschaften haben sie wenig gemein. Der für die
Wirtschaft der Interessenten und Beteiligten aus den Anlagen des Talsperren¬
vereins und der Emschergenossenschaft erwachsende Vorteil ist nicht der Haupt¬
grund für ihre Bildung gewesen, ihr wesentlicher Zweck ist die Beseitigung eines
öffentlichen Notstandes.

Wasserversorgung und Abwässerbeseitigung gehören überall da, wo das dichte
Zusammenwohnen der Bevölkerung einen Zustand gegenseitiger Abhängigkeit auch
vom Wohlbefinden des Nachbarn und eine verhältnismäßige Hilflosigkeit der
Einzelwirtschaft herbeiführen, zu den großen Aufgaben, die von der organisierten
Gesamtheit zu erfüllen sind, sie sind hervorragend kommunale, städtische Auf¬
gaben. Aber hier waren diese Aufgaben den Kommunen des Jndustriebezirks
gewissermaßen über den Kopf gewachsen, sie konnten nur für das ganze Gebiet
gemeinsam gelöst werden. Daß dies gelang, ist das Ergebnis der langen
Gewöhnung im Dienste öffentlicher Interessen und des Gefühls einer gemein¬
samen Verantwortlichkeit bei allen Beteiligten. Beide Vereinigungen, die in
Essen ihren Sitz haben, sind die ersten Organe der über alle historischen und
Verwaltungsgrenzen hinaus sich bildenden Einheit des Jndustriebezirks. Bei
der Emschergenossenschaft wird dieses besonders hervortreten, je mehr sie sich
der systematischen Durchführung der an die Emscher anschließenden Kanalisations-
und Klärsysteme zuwendet. Man kann die Vereinigungen wohl als eine Art
Zweckverband zur Erfüllung kommunaler Aufgaben betrachten, nur daß als ihre
Mitglieder nicht bloß Gemeinden, sondern auch industrielle Unternehmungen
auftreten. Dies ist auch bei der Emschergenossenschaft, nur in verhüllter Form,
der Fall. Denn die als Genossen bezeichneten Stadt- und Landkreise sind doch
im wesentlichen nurWahlkörper zur Ernennung derGenossenschaftsversammlung aus
den Kreisen der Beteiligten; unter diesen aber stehen Bergbau und Großindustrie


Die Wasserwirtschaft im rheinisch-westfälischen Zndustricbezirk

30 Prozent, die Bergwerke 52 Prozent, den Nest von 18 Prozent die anderen
Industrien als Beiträge bei. Dabei ist zu beachten, daß Beitragslasten von
Industrieanlagen, die nach der Errechnung unter 5000 Mark bleiben, nicht zur
Aufnahme der betreffenden Unternehmung als selbständige „Beteiligte" im
Kataster führen, sondern ihrer Gemeinde zugerechnet werden.

Mit den hauptsächlichsten Arbeiten der Begradigung und Vertiefung sowie
der Verlegung des Unterlaufes der Emscher wurde 1904 unverzüglich begonnen.
Diese Arbeiten sind nahezu fertig. Damit ist die Fähigkeit der Emscher, Vorflut
zu gewähren, wiederhergestellt, der Eintritt von Überschwemmungen durch Hoch¬
wasser ist unmöglich gemacht. Die Regulierung der Nebenbäche, die systematische
Herstellung von Kläranlagen werden in dieser Hinsicht in: ganzen Bezirk geordnete
sanitäre Verhältnisse schaffen.




Man würde der Bedeutung der hier besprochenen beiden Gründungen nicht
gerecht werden, wollte man sie nur als besonders hervorragende und merkwürdige
Erscheinungen auf dem Gebiete des öffentlichen Genossenschaftswesens ansehen.
Mit den üblichen Wassergenossenschaften haben sie wenig gemein. Der für die
Wirtschaft der Interessenten und Beteiligten aus den Anlagen des Talsperren¬
vereins und der Emschergenossenschaft erwachsende Vorteil ist nicht der Haupt¬
grund für ihre Bildung gewesen, ihr wesentlicher Zweck ist die Beseitigung eines
öffentlichen Notstandes.

Wasserversorgung und Abwässerbeseitigung gehören überall da, wo das dichte
Zusammenwohnen der Bevölkerung einen Zustand gegenseitiger Abhängigkeit auch
vom Wohlbefinden des Nachbarn und eine verhältnismäßige Hilflosigkeit der
Einzelwirtschaft herbeiführen, zu den großen Aufgaben, die von der organisierten
Gesamtheit zu erfüllen sind, sie sind hervorragend kommunale, städtische Auf¬
gaben. Aber hier waren diese Aufgaben den Kommunen des Jndustriebezirks
gewissermaßen über den Kopf gewachsen, sie konnten nur für das ganze Gebiet
gemeinsam gelöst werden. Daß dies gelang, ist das Ergebnis der langen
Gewöhnung im Dienste öffentlicher Interessen und des Gefühls einer gemein¬
samen Verantwortlichkeit bei allen Beteiligten. Beide Vereinigungen, die in
Essen ihren Sitz haben, sind die ersten Organe der über alle historischen und
Verwaltungsgrenzen hinaus sich bildenden Einheit des Jndustriebezirks. Bei
der Emschergenossenschaft wird dieses besonders hervortreten, je mehr sie sich
der systematischen Durchführung der an die Emscher anschließenden Kanalisations-
und Klärsysteme zuwendet. Man kann die Vereinigungen wohl als eine Art
Zweckverband zur Erfüllung kommunaler Aufgaben betrachten, nur daß als ihre
Mitglieder nicht bloß Gemeinden, sondern auch industrielle Unternehmungen
auftreten. Dies ist auch bei der Emschergenossenschaft, nur in verhüllter Form,
der Fall. Denn die als Genossen bezeichneten Stadt- und Landkreise sind doch
im wesentlichen nurWahlkörper zur Ernennung derGenossenschaftsversammlung aus
den Kreisen der Beteiligten; unter diesen aber stehen Bergbau und Großindustrie


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[0222] Die Wasserwirtschaft im rheinisch-westfälischen Zndustricbezirk 30 Prozent, die Bergwerke 52 Prozent, den Nest von 18 Prozent die anderen Industrien als Beiträge bei. Dabei ist zu beachten, daß Beitragslasten von Industrieanlagen, die nach der Errechnung unter 5000 Mark bleiben, nicht zur Aufnahme der betreffenden Unternehmung als selbständige „Beteiligte" im Kataster führen, sondern ihrer Gemeinde zugerechnet werden. Mit den hauptsächlichsten Arbeiten der Begradigung und Vertiefung sowie der Verlegung des Unterlaufes der Emscher wurde 1904 unverzüglich begonnen. Diese Arbeiten sind nahezu fertig. Damit ist die Fähigkeit der Emscher, Vorflut zu gewähren, wiederhergestellt, der Eintritt von Überschwemmungen durch Hoch¬ wasser ist unmöglich gemacht. Die Regulierung der Nebenbäche, die systematische Herstellung von Kläranlagen werden in dieser Hinsicht in: ganzen Bezirk geordnete sanitäre Verhältnisse schaffen. Man würde der Bedeutung der hier besprochenen beiden Gründungen nicht gerecht werden, wollte man sie nur als besonders hervorragende und merkwürdige Erscheinungen auf dem Gebiete des öffentlichen Genossenschaftswesens ansehen. Mit den üblichen Wassergenossenschaften haben sie wenig gemein. Der für die Wirtschaft der Interessenten und Beteiligten aus den Anlagen des Talsperren¬ vereins und der Emschergenossenschaft erwachsende Vorteil ist nicht der Haupt¬ grund für ihre Bildung gewesen, ihr wesentlicher Zweck ist die Beseitigung eines öffentlichen Notstandes. Wasserversorgung und Abwässerbeseitigung gehören überall da, wo das dichte Zusammenwohnen der Bevölkerung einen Zustand gegenseitiger Abhängigkeit auch vom Wohlbefinden des Nachbarn und eine verhältnismäßige Hilflosigkeit der Einzelwirtschaft herbeiführen, zu den großen Aufgaben, die von der organisierten Gesamtheit zu erfüllen sind, sie sind hervorragend kommunale, städtische Auf¬ gaben. Aber hier waren diese Aufgaben den Kommunen des Jndustriebezirks gewissermaßen über den Kopf gewachsen, sie konnten nur für das ganze Gebiet gemeinsam gelöst werden. Daß dies gelang, ist das Ergebnis der langen Gewöhnung im Dienste öffentlicher Interessen und des Gefühls einer gemein¬ samen Verantwortlichkeit bei allen Beteiligten. Beide Vereinigungen, die in Essen ihren Sitz haben, sind die ersten Organe der über alle historischen und Verwaltungsgrenzen hinaus sich bildenden Einheit des Jndustriebezirks. Bei der Emschergenossenschaft wird dieses besonders hervortreten, je mehr sie sich der systematischen Durchführung der an die Emscher anschließenden Kanalisations- und Klärsysteme zuwendet. Man kann die Vereinigungen wohl als eine Art Zweckverband zur Erfüllung kommunaler Aufgaben betrachten, nur daß als ihre Mitglieder nicht bloß Gemeinden, sondern auch industrielle Unternehmungen auftreten. Dies ist auch bei der Emschergenossenschaft, nur in verhüllter Form, der Fall. Denn die als Genossen bezeichneten Stadt- und Landkreise sind doch im wesentlichen nurWahlkörper zur Ernennung derGenossenschaftsversammlung aus den Kreisen der Beteiligten; unter diesen aber stehen Bergbau und Großindustrie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/222>, abgerufen am 23.07.2024.