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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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Hans Memling

Auch Rogier van der Wenden war im Dienste des burgundischen Hofes,
wenngleich er zunächst Stadtmalcr von Brüssel war. Hans Memling war von
einer hübschen Legende mit Karl dem Kühnen in Verbindung gebracht. Man
kannte Beziehungen des Malers zu dem Johannes-Hospital in Brügge, wußte
aber nichts von seinem Vorleben und nahm daher an, er sei plötzlich aus
unbekanntem Anlaß dort erschienen. Das Reis der romantischen Erfindung
trieb weitere Augen: Der Maler hatte den Herzog in die Schlacht von Nancy
(1477) begleitet, wo mit dem Tode des "Tollkühnen" das wie ein Meteor
aufleuchtende Haus Burgund erlosch; er war verwundet uach des Herzogs
Landen gewandert, vor dem Johannes-Hospital zusammengebrochen, dort liebe¬
voll aufgenommen und geheilt worden und hatte zum Dank dafür einige Bilder
gemalt, die jahrhundertelang die Begeisterung aller die Kunst pietätvoll
genießenden Herzen gewesen sind und noch heute dort als Heiligtümer auf¬
bewahrt werden: einen Flügelaltar mit der Vermählung der heil. Katharina,
den Reliquienschrein der heil. Ursula und anderes. Die Legende ist nach¬
weislich unrichtig, denn Memling war schon vor 1477 ein Bürger Brügges.

Woher dieser große Künstler stammt, das ist erst in unsern Tagen auf¬
gehellt worden. Der in allen Fällen im Gegensatz zu der niederländischen
Form Jan festgehaltene Name Hans dentet daraufhin, daß Memling nicht in
den Niederlanden, sondern in Deutschland das Licht der Welt erblickt hat.
Aber nach einem Orte Meinungen suchte man auch in Deutschland vergebens.
Da der Maler den Anfangsbuchstaben seines Hauptnamens ähnlich einem
lateinischen zu malen pflegte, so kam man (Descamps 1753) auf den
Gedanken, der Geburtsort habe Hemlingen geheißen. Auch das führte nicht
auf die Spur. Jetzt hat man ihn als Mömling bei Mainz ermittelt. Daß
der Maler in Westdeutschland bekannt war, ergibt sich mit aller Deutlichkeit
aus der genauen Abzeichnung des Kölner Domes mit dem hochragenden Kran,
der so viele Jahrhunderte das Wahrzeichen der Stadt gewesen ist, auf dem
Ursulaschrein zu Brügge. Aber wenn Deutschland auch den Anspruch darauf
hat. Hans Meniling seinen Sohn zu nennen, so ist dieser in seiner Kunst doch
vollständig ein Angehöriger der flämischen Schule. Kein Zug in seinem Wesen
steht zu dieser in Gegensatz, kein Faden weist auf deutsche Schulen, etwa auf die
Kölner, auf die elsässische, die oberschwäbische oder die Nürnberger. Worin er
den Brüdern van Eyck und Rogier, vollends den derbern Zeitgenossen eigen¬
artig gegenübersteht, das ist einesteils die Besonderheit seiner Persönlichkeit,
auch des zierlichem Mittelfranken gegen den etwas rohern Flamländer, andern-
teils aber auch der allmählich wahrnehmbare Einfluß der italienischen Quattro-
centisten, die schon Rogier van der Wenden in ihren Werkstätten besucht hatte.

Was wir vou dem Leben des Meisters vom Ursulaschrein wissen, das faßt
Karl Voll in dem im letzten Sommer erschienenen Buche: "Memling. des Meisters
Gemälde in 197 Abbildungen" *) in wenige Zeilen zusammen. Es ist sicher,



") Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart.
Hans Memling

Auch Rogier van der Wenden war im Dienste des burgundischen Hofes,
wenngleich er zunächst Stadtmalcr von Brüssel war. Hans Memling war von
einer hübschen Legende mit Karl dem Kühnen in Verbindung gebracht. Man
kannte Beziehungen des Malers zu dem Johannes-Hospital in Brügge, wußte
aber nichts von seinem Vorleben und nahm daher an, er sei plötzlich aus
unbekanntem Anlaß dort erschienen. Das Reis der romantischen Erfindung
trieb weitere Augen: Der Maler hatte den Herzog in die Schlacht von Nancy
(1477) begleitet, wo mit dem Tode des „Tollkühnen" das wie ein Meteor
aufleuchtende Haus Burgund erlosch; er war verwundet uach des Herzogs
Landen gewandert, vor dem Johannes-Hospital zusammengebrochen, dort liebe¬
voll aufgenommen und geheilt worden und hatte zum Dank dafür einige Bilder
gemalt, die jahrhundertelang die Begeisterung aller die Kunst pietätvoll
genießenden Herzen gewesen sind und noch heute dort als Heiligtümer auf¬
bewahrt werden: einen Flügelaltar mit der Vermählung der heil. Katharina,
den Reliquienschrein der heil. Ursula und anderes. Die Legende ist nach¬
weislich unrichtig, denn Memling war schon vor 1477 ein Bürger Brügges.

Woher dieser große Künstler stammt, das ist erst in unsern Tagen auf¬
gehellt worden. Der in allen Fällen im Gegensatz zu der niederländischen
Form Jan festgehaltene Name Hans dentet daraufhin, daß Memling nicht in
den Niederlanden, sondern in Deutschland das Licht der Welt erblickt hat.
Aber nach einem Orte Meinungen suchte man auch in Deutschland vergebens.
Da der Maler den Anfangsbuchstaben seines Hauptnamens ähnlich einem
lateinischen zu malen pflegte, so kam man (Descamps 1753) auf den
Gedanken, der Geburtsort habe Hemlingen geheißen. Auch das führte nicht
auf die Spur. Jetzt hat man ihn als Mömling bei Mainz ermittelt. Daß
der Maler in Westdeutschland bekannt war, ergibt sich mit aller Deutlichkeit
aus der genauen Abzeichnung des Kölner Domes mit dem hochragenden Kran,
der so viele Jahrhunderte das Wahrzeichen der Stadt gewesen ist, auf dem
Ursulaschrein zu Brügge. Aber wenn Deutschland auch den Anspruch darauf
hat. Hans Meniling seinen Sohn zu nennen, so ist dieser in seiner Kunst doch
vollständig ein Angehöriger der flämischen Schule. Kein Zug in seinem Wesen
steht zu dieser in Gegensatz, kein Faden weist auf deutsche Schulen, etwa auf die
Kölner, auf die elsässische, die oberschwäbische oder die Nürnberger. Worin er
den Brüdern van Eyck und Rogier, vollends den derbern Zeitgenossen eigen¬
artig gegenübersteht, das ist einesteils die Besonderheit seiner Persönlichkeit,
auch des zierlichem Mittelfranken gegen den etwas rohern Flamländer, andern-
teils aber auch der allmählich wahrnehmbare Einfluß der italienischen Quattro-
centisten, die schon Rogier van der Wenden in ihren Werkstätten besucht hatte.

Was wir vou dem Leben des Meisters vom Ursulaschrein wissen, das faßt
Karl Voll in dem im letzten Sommer erschienenen Buche: „Memling. des Meisters
Gemälde in 197 Abbildungen" *) in wenige Zeilen zusammen. Es ist sicher,



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[0139] Hans Memling Auch Rogier van der Wenden war im Dienste des burgundischen Hofes, wenngleich er zunächst Stadtmalcr von Brüssel war. Hans Memling war von einer hübschen Legende mit Karl dem Kühnen in Verbindung gebracht. Man kannte Beziehungen des Malers zu dem Johannes-Hospital in Brügge, wußte aber nichts von seinem Vorleben und nahm daher an, er sei plötzlich aus unbekanntem Anlaß dort erschienen. Das Reis der romantischen Erfindung trieb weitere Augen: Der Maler hatte den Herzog in die Schlacht von Nancy (1477) begleitet, wo mit dem Tode des „Tollkühnen" das wie ein Meteor aufleuchtende Haus Burgund erlosch; er war verwundet uach des Herzogs Landen gewandert, vor dem Johannes-Hospital zusammengebrochen, dort liebe¬ voll aufgenommen und geheilt worden und hatte zum Dank dafür einige Bilder gemalt, die jahrhundertelang die Begeisterung aller die Kunst pietätvoll genießenden Herzen gewesen sind und noch heute dort als Heiligtümer auf¬ bewahrt werden: einen Flügelaltar mit der Vermählung der heil. Katharina, den Reliquienschrein der heil. Ursula und anderes. Die Legende ist nach¬ weislich unrichtig, denn Memling war schon vor 1477 ein Bürger Brügges. Woher dieser große Künstler stammt, das ist erst in unsern Tagen auf¬ gehellt worden. Der in allen Fällen im Gegensatz zu der niederländischen Form Jan festgehaltene Name Hans dentet daraufhin, daß Memling nicht in den Niederlanden, sondern in Deutschland das Licht der Welt erblickt hat. Aber nach einem Orte Meinungen suchte man auch in Deutschland vergebens. Da der Maler den Anfangsbuchstaben seines Hauptnamens ähnlich einem lateinischen zu malen pflegte, so kam man (Descamps 1753) auf den Gedanken, der Geburtsort habe Hemlingen geheißen. Auch das führte nicht auf die Spur. Jetzt hat man ihn als Mömling bei Mainz ermittelt. Daß der Maler in Westdeutschland bekannt war, ergibt sich mit aller Deutlichkeit aus der genauen Abzeichnung des Kölner Domes mit dem hochragenden Kran, der so viele Jahrhunderte das Wahrzeichen der Stadt gewesen ist, auf dem Ursulaschrein zu Brügge. Aber wenn Deutschland auch den Anspruch darauf hat. Hans Meniling seinen Sohn zu nennen, so ist dieser in seiner Kunst doch vollständig ein Angehöriger der flämischen Schule. Kein Zug in seinem Wesen steht zu dieser in Gegensatz, kein Faden weist auf deutsche Schulen, etwa auf die Kölner, auf die elsässische, die oberschwäbische oder die Nürnberger. Worin er den Brüdern van Eyck und Rogier, vollends den derbern Zeitgenossen eigen¬ artig gegenübersteht, das ist einesteils die Besonderheit seiner Persönlichkeit, auch des zierlichem Mittelfranken gegen den etwas rohern Flamländer, andern- teils aber auch der allmählich wahrnehmbare Einfluß der italienischen Quattro- centisten, die schon Rogier van der Wenden in ihren Werkstätten besucht hatte. Was wir vou dem Leben des Meisters vom Ursulaschrein wissen, das faßt Karl Voll in dem im letzten Sommer erschienenen Buche: „Memling. des Meisters Gemälde in 197 Abbildungen" *) in wenige Zeilen zusammen. Es ist sicher, ") Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/139>, abgerufen am 25.08.2024.