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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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nach dem gemeinen Wert der Grundstücke. Bei dieser Einschätzung nach dem
gemeinen Wert kommt aber der Gewinn, den der einzelne haben wird, in sehr
geringem Maße zur Berücksichtigung. Ihn durch die Zuwachssteuer zu erfassen,
bedeutet daher nur einen weiteren Ausbau und ein System der Verfeinerung
der Gemeindegrundsteuer. Auch ist es ja die Gemeinde, die bei Stadterweiterungen
die Kosten für die Unterhaltung der Straßen und Plätze, sowie für den Bau
der Schulen usw. zu tragen hat. Nicht mehr als billig ist es da, wenn die
zur Bestreitung dieser Kosten herangezogene Gesamteinwohnerschaft durch eine
Gegenleistung derjenigen, die sie veranlassen, entschädigt wird. Und es ist
ferner nicht zu verkennen, daß den Gemeinden zur Befriedigung der schon
übermäßigen Anforderungen, die an sie, namentlich in kultureller Beziehung,
staatlicherseits gestellt werden, nicht eine Steuerquelle entzogen werden darf, die
ihrer eigensten Natur nach so recht in ihr Gebiet fällt und die sie bei der geringen
Auswahl an Steuerobjekten gar nicht entbehren kann. Der Steuerentwurf, wie
er in der Kommission in zweiter Lesung fertiggestellt ist, würde zweifellos die
Einnahmen, die die Gemeinden bisher aus dem Wertzuwachs der Grundstücke
bezogen und beziehen können, erheblich vermindern.

Ist somit die einseitige Besteuerung des Grundstückszuwachses durch das
Reich aus finanziellen und Zweckmäßigkeitsgründen, sowie wegen mangelnder
Kompetenz zu verwerfen, so ist damit die Frage noch nicht entschieden, ob nicht
das Reich oder der Staat überhaupt für jeden Wertzuwachs, den seine Ein¬
wohner durch seine Tätigkeit erzielen, eine Gegenleistung verlangen kann. Wollte
man diese Forderung auf einen unverdienten Konjunkturgewinn beschränken, so
wäre damit praktisch nichts anzufangen, weil dieser Begriff nicht klarzustellen
ist, und weil häufig die einzelnen Quellen des Gewinnes überhaupt nicht aus¬
einander zu halten sind. Boden- und Kapitalrente, sowie Arbeitseinkommen
lassen sich nach dieser Richtung hin vielfach nicht trennen. Dagegen sollte der
Gedanke erwogen werden, ob nicht für den Fall einer vollendeten Vermögens-
bildung, die mehr oder weniger unter Mithilfe der Tätigkeit des Staates statt¬
findet, eine angemessene Steuer von diesem Vermögenszuwachs zu erheben ist.
Wenn dabei nicht unter verdientem und unverdienten, unter Arbeits- und
mühelosem Einkommen unterschieden wird, das zur Vermögensbildung geführt
hat, so ist dafür maßgebend, daß der Staat alle Arten von Einkommen schützt
und durch bestimmte Maßnahmen sowohl Arbeit wie Rente fördert, und daß
er heute schon alle Arten von Vermögen, auch das Arbeitseinkommen, das zur
Vermögensanlage verwendet wird, abgesehen von dem geringen Zuschlag, den
Preußen in der Form der Ergänzungssteuer für das fundierte Einkommen aus¬
wirft, gleichmäßig zur Steuer heranzieht. Der Unterschied zwischen den bestehenden
Verhältnissen und meinem Vorschlag besteht nur darin, daß nach Maßgabe der
außerordentlichen Steigerung der staatlichen Tätigkeit das unter dieser Einwirkung
entstehende Vermögen, also der Vermögenszuwachs, kräftiger herangezogen werden
soll als das aus früheren Jahrzehnten stammende Kapital, bei dessen Entstehung


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nach dem gemeinen Wert der Grundstücke. Bei dieser Einschätzung nach dem
gemeinen Wert kommt aber der Gewinn, den der einzelne haben wird, in sehr
geringem Maße zur Berücksichtigung. Ihn durch die Zuwachssteuer zu erfassen,
bedeutet daher nur einen weiteren Ausbau und ein System der Verfeinerung
der Gemeindegrundsteuer. Auch ist es ja die Gemeinde, die bei Stadterweiterungen
die Kosten für die Unterhaltung der Straßen und Plätze, sowie für den Bau
der Schulen usw. zu tragen hat. Nicht mehr als billig ist es da, wenn die
zur Bestreitung dieser Kosten herangezogene Gesamteinwohnerschaft durch eine
Gegenleistung derjenigen, die sie veranlassen, entschädigt wird. Und es ist
ferner nicht zu verkennen, daß den Gemeinden zur Befriedigung der schon
übermäßigen Anforderungen, die an sie, namentlich in kultureller Beziehung,
staatlicherseits gestellt werden, nicht eine Steuerquelle entzogen werden darf, die
ihrer eigensten Natur nach so recht in ihr Gebiet fällt und die sie bei der geringen
Auswahl an Steuerobjekten gar nicht entbehren kann. Der Steuerentwurf, wie
er in der Kommission in zweiter Lesung fertiggestellt ist, würde zweifellos die
Einnahmen, die die Gemeinden bisher aus dem Wertzuwachs der Grundstücke
bezogen und beziehen können, erheblich vermindern.

Ist somit die einseitige Besteuerung des Grundstückszuwachses durch das
Reich aus finanziellen und Zweckmäßigkeitsgründen, sowie wegen mangelnder
Kompetenz zu verwerfen, so ist damit die Frage noch nicht entschieden, ob nicht
das Reich oder der Staat überhaupt für jeden Wertzuwachs, den seine Ein¬
wohner durch seine Tätigkeit erzielen, eine Gegenleistung verlangen kann. Wollte
man diese Forderung auf einen unverdienten Konjunkturgewinn beschränken, so
wäre damit praktisch nichts anzufangen, weil dieser Begriff nicht klarzustellen
ist, und weil häufig die einzelnen Quellen des Gewinnes überhaupt nicht aus¬
einander zu halten sind. Boden- und Kapitalrente, sowie Arbeitseinkommen
lassen sich nach dieser Richtung hin vielfach nicht trennen. Dagegen sollte der
Gedanke erwogen werden, ob nicht für den Fall einer vollendeten Vermögens-
bildung, die mehr oder weniger unter Mithilfe der Tätigkeit des Staates statt¬
findet, eine angemessene Steuer von diesem Vermögenszuwachs zu erheben ist.
Wenn dabei nicht unter verdientem und unverdienten, unter Arbeits- und
mühelosem Einkommen unterschieden wird, das zur Vermögensbildung geführt
hat, so ist dafür maßgebend, daß der Staat alle Arten von Einkommen schützt
und durch bestimmte Maßnahmen sowohl Arbeit wie Rente fördert, und daß
er heute schon alle Arten von Vermögen, auch das Arbeitseinkommen, das zur
Vermögensanlage verwendet wird, abgesehen von dem geringen Zuschlag, den
Preußen in der Form der Ergänzungssteuer für das fundierte Einkommen aus¬
wirft, gleichmäßig zur Steuer heranzieht. Der Unterschied zwischen den bestehenden
Verhältnissen und meinem Vorschlag besteht nur darin, daß nach Maßgabe der
außerordentlichen Steigerung der staatlichen Tätigkeit das unter dieser Einwirkung
entstehende Vermögen, also der Vermögenszuwachs, kräftiger herangezogen werden
soll als das aus früheren Jahrzehnten stammende Kapital, bei dessen Entstehung


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[0122] Ivertzmvachsstencr nach dem gemeinen Wert der Grundstücke. Bei dieser Einschätzung nach dem gemeinen Wert kommt aber der Gewinn, den der einzelne haben wird, in sehr geringem Maße zur Berücksichtigung. Ihn durch die Zuwachssteuer zu erfassen, bedeutet daher nur einen weiteren Ausbau und ein System der Verfeinerung der Gemeindegrundsteuer. Auch ist es ja die Gemeinde, die bei Stadterweiterungen die Kosten für die Unterhaltung der Straßen und Plätze, sowie für den Bau der Schulen usw. zu tragen hat. Nicht mehr als billig ist es da, wenn die zur Bestreitung dieser Kosten herangezogene Gesamteinwohnerschaft durch eine Gegenleistung derjenigen, die sie veranlassen, entschädigt wird. Und es ist ferner nicht zu verkennen, daß den Gemeinden zur Befriedigung der schon übermäßigen Anforderungen, die an sie, namentlich in kultureller Beziehung, staatlicherseits gestellt werden, nicht eine Steuerquelle entzogen werden darf, die ihrer eigensten Natur nach so recht in ihr Gebiet fällt und die sie bei der geringen Auswahl an Steuerobjekten gar nicht entbehren kann. Der Steuerentwurf, wie er in der Kommission in zweiter Lesung fertiggestellt ist, würde zweifellos die Einnahmen, die die Gemeinden bisher aus dem Wertzuwachs der Grundstücke bezogen und beziehen können, erheblich vermindern. Ist somit die einseitige Besteuerung des Grundstückszuwachses durch das Reich aus finanziellen und Zweckmäßigkeitsgründen, sowie wegen mangelnder Kompetenz zu verwerfen, so ist damit die Frage noch nicht entschieden, ob nicht das Reich oder der Staat überhaupt für jeden Wertzuwachs, den seine Ein¬ wohner durch seine Tätigkeit erzielen, eine Gegenleistung verlangen kann. Wollte man diese Forderung auf einen unverdienten Konjunkturgewinn beschränken, so wäre damit praktisch nichts anzufangen, weil dieser Begriff nicht klarzustellen ist, und weil häufig die einzelnen Quellen des Gewinnes überhaupt nicht aus¬ einander zu halten sind. Boden- und Kapitalrente, sowie Arbeitseinkommen lassen sich nach dieser Richtung hin vielfach nicht trennen. Dagegen sollte der Gedanke erwogen werden, ob nicht für den Fall einer vollendeten Vermögens- bildung, die mehr oder weniger unter Mithilfe der Tätigkeit des Staates statt¬ findet, eine angemessene Steuer von diesem Vermögenszuwachs zu erheben ist. Wenn dabei nicht unter verdientem und unverdienten, unter Arbeits- und mühelosem Einkommen unterschieden wird, das zur Vermögensbildung geführt hat, so ist dafür maßgebend, daß der Staat alle Arten von Einkommen schützt und durch bestimmte Maßnahmen sowohl Arbeit wie Rente fördert, und daß er heute schon alle Arten von Vermögen, auch das Arbeitseinkommen, das zur Vermögensanlage verwendet wird, abgesehen von dem geringen Zuschlag, den Preußen in der Form der Ergänzungssteuer für das fundierte Einkommen aus¬ wirft, gleichmäßig zur Steuer heranzieht. Der Unterschied zwischen den bestehenden Verhältnissen und meinem Vorschlag besteht nur darin, daß nach Maßgabe der außerordentlichen Steigerung der staatlichen Tätigkeit das unter dieser Einwirkung entstehende Vermögen, also der Vermögenszuwachs, kräftiger herangezogen werden soll als das aus früheren Jahrzehnten stammende Kapital, bei dessen Entstehung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/122>, abgerufen am 26.08.2024.