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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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einen "mühelosem" Gewinn seiner Insassen verursache und daher für seine
Leistungen auch Gegenleistungen in Gestalt einer Mitbeteiligung an jenem fordern
könne (Jnteressenprinzip). Was das erste Moment betrifft, fo scheidet es für
den praktischen Politiker gänzlich aus. Wer auf dem Boden der privat-
wirtschaftlichen Wirtschaftsordnung steht, wird es grundsätzlich ablehnen, Ver¬
besserungspläne in ein sozialistisches Fahrwasser gleiten zu lassen, die folgerichtig
einen Teil des Privateigentums vernichten müssen. Es kann außerdem über¬
haupt nicht behauptet werden, daß ein allgemeines Monopol auf dem Grundstücks¬
markt besteht. Höchstens von einen: örtlich beschränkten Monopol in dem Weich¬
bild der großen Städte könnte man sprechen. Von dieser Tatsache aus aber
die Zuwachssteuer zu verallgemeinern, wäre zweifellos falsch. Was aber ihre
Begründung mit der sogenannten Äquivalenztheorie betrifft, so ist sie an sich
anzuerkennen, da tatsächlich das Reich und der Staat einen hervorragenden
Einfluß auf den Wertzuwachs seiner Einwohner ausgeübt haben und auch
fernerhin ausüben werden.

Aber dies steht zunächst nicht zur Frage, sondern vielmehr die Behauptung,
daß das Reich den: Grund und Boden Sondervorteile bringe und namentlich
auf seine enorme Wertsteigerung in den großen Städten durch Einrichtungen
aller Art entscheidend eingewirkt habe. Das muß, abgesehen von Einzelfällen,
wie z. B. durch Niederlegung von Festungswällen, nachdrücklich bestritten werden.
Aus solchen Einzelfällen kann man aber doch unmöglich eine allgemeine Berechtigung
zur Steuer herleiten. Der innere Grund der Bodenpreissteigerung ist vielmehr
die Volksvermehrung, an der das Reich doch nur einen äußerst mittelbaren
Anteil hat, und die Ansammlung großer Menschenmassen in den Städten und
Industriezentren, eine Entwickelung, die das Reich niemals direkt gefördert hat.
Will man dies nicht zugeben, dann wäre es nicht mehr als recht und billig,
auch den Konjunkturgewinn steuerlich anzufassen, der dem Gewerbe aus dieser
Menschenanhäufung in den Schoß fällt, weil das Reich an diesem ebensogut
beteiligt einzusehen wäre wie am Bodengewinn. Und gar eine Unterscheidung
Zwischen dem mühelosem Zuwachs des Bodenwertes und einer Kolonial-Aktie,
die in kurzer Zeit von 7000 auf 20000 gestiegen ist, ließe sich doch mit guten:
Gewissen kaum aufrecht erhalten. Denn wodurch unterscheidet sich der Gewinn
des Grundbesitzers von dem Gewinn des Inhabers von Wertpapieren? Wollte
u:an im Reich zu einer höheren Besteuerung desjenigen Konjunkturgewinns
greifen, der die landesübliche Rente übersteigt, so könnte dies nur auf dem
Wege der Differenzierung des fundierten und nicht fundierten Einkommens,
also durch eine Ergänzungs- oder Vermögenssteuer geschehen, aber nicht durch
eine Realsteuer, die die Wirkung einer einseitig herausgegriffenen Personalsteuer
in sich trägt.

Im Gegensatz zu Reich und Staat erscheint jedoch die Gemeinde durchaus
berechtigt, eine Wertzuwachssteuer von den Grundstücken zu erheben. Sie deckt
ihre Bedürfnisse nach dem Kommunalabgabengesetz zum Teil durch Nealsteuern


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einen „mühelosem" Gewinn seiner Insassen verursache und daher für seine
Leistungen auch Gegenleistungen in Gestalt einer Mitbeteiligung an jenem fordern
könne (Jnteressenprinzip). Was das erste Moment betrifft, fo scheidet es für
den praktischen Politiker gänzlich aus. Wer auf dem Boden der privat-
wirtschaftlichen Wirtschaftsordnung steht, wird es grundsätzlich ablehnen, Ver¬
besserungspläne in ein sozialistisches Fahrwasser gleiten zu lassen, die folgerichtig
einen Teil des Privateigentums vernichten müssen. Es kann außerdem über¬
haupt nicht behauptet werden, daß ein allgemeines Monopol auf dem Grundstücks¬
markt besteht. Höchstens von einen: örtlich beschränkten Monopol in dem Weich¬
bild der großen Städte könnte man sprechen. Von dieser Tatsache aus aber
die Zuwachssteuer zu verallgemeinern, wäre zweifellos falsch. Was aber ihre
Begründung mit der sogenannten Äquivalenztheorie betrifft, so ist sie an sich
anzuerkennen, da tatsächlich das Reich und der Staat einen hervorragenden
Einfluß auf den Wertzuwachs seiner Einwohner ausgeübt haben und auch
fernerhin ausüben werden.

Aber dies steht zunächst nicht zur Frage, sondern vielmehr die Behauptung,
daß das Reich den: Grund und Boden Sondervorteile bringe und namentlich
auf seine enorme Wertsteigerung in den großen Städten durch Einrichtungen
aller Art entscheidend eingewirkt habe. Das muß, abgesehen von Einzelfällen,
wie z. B. durch Niederlegung von Festungswällen, nachdrücklich bestritten werden.
Aus solchen Einzelfällen kann man aber doch unmöglich eine allgemeine Berechtigung
zur Steuer herleiten. Der innere Grund der Bodenpreissteigerung ist vielmehr
die Volksvermehrung, an der das Reich doch nur einen äußerst mittelbaren
Anteil hat, und die Ansammlung großer Menschenmassen in den Städten und
Industriezentren, eine Entwickelung, die das Reich niemals direkt gefördert hat.
Will man dies nicht zugeben, dann wäre es nicht mehr als recht und billig,
auch den Konjunkturgewinn steuerlich anzufassen, der dem Gewerbe aus dieser
Menschenanhäufung in den Schoß fällt, weil das Reich an diesem ebensogut
beteiligt einzusehen wäre wie am Bodengewinn. Und gar eine Unterscheidung
Zwischen dem mühelosem Zuwachs des Bodenwertes und einer Kolonial-Aktie,
die in kurzer Zeit von 7000 auf 20000 gestiegen ist, ließe sich doch mit guten:
Gewissen kaum aufrecht erhalten. Denn wodurch unterscheidet sich der Gewinn
des Grundbesitzers von dem Gewinn des Inhabers von Wertpapieren? Wollte
u:an im Reich zu einer höheren Besteuerung desjenigen Konjunkturgewinns
greifen, der die landesübliche Rente übersteigt, so könnte dies nur auf dem
Wege der Differenzierung des fundierten und nicht fundierten Einkommens,
also durch eine Ergänzungs- oder Vermögenssteuer geschehen, aber nicht durch
eine Realsteuer, die die Wirkung einer einseitig herausgegriffenen Personalsteuer
in sich trägt.

Im Gegensatz zu Reich und Staat erscheint jedoch die Gemeinde durchaus
berechtigt, eine Wertzuwachssteuer von den Grundstücken zu erheben. Sie deckt
ihre Bedürfnisse nach dem Kommunalabgabengesetz zum Teil durch Nealsteuern


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/121>, abgerufen am 26.08.2024.