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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Der Austcmschprofcssor

Den Göttinger Tretbrief hatte er zu den Akten gelegt (in Gedanken wenigstens,
denn trotz allen Suchens hatte er ihn nicht wiederfinden können). Miß Alice
Granton wähnte er längst auf der Fahrt nach Amerika und heuchelte seinen
Gefühlen ihr gegenüber Gleichgültigkeit, obwohl der vergangene Sonntag und
ihre Küsse wie ein süß-schmerzliches Feuer in seiner Seele fortbrannten.

Da kam der Postbote, brachte einige Briefe für .Stadt Hamburg' und drückte
auch Doktor Jerum zwei für ihn bestimmte Briefe in die Hand.

Der eine kam aus Göttingen und enthielt eine in den überschwenglichsten
Dankestönen abgefaßte Quittung des Tretphilisters über neunhundertsound-
soviel Em.

Der andere kam ausHamburg, datiert vomHotel,Hamburger Hof', und lautete:


"Lieber Doktor,

mein Fuß wurde schon Montag so schlimm, daß ich nicht konnte abreisen.
Dazu kam ein Schnupfen-Fieber. So habe ich geHüten vier Tage den Bett
und zwei Tage das Diwan, und meine Gedanken haben mir geholfen dabei.

Ich muß Ihnen machen ein L0nfL83ion. Solange ich war zu Bett
mit Fieber, ich war zornerlich auf Ihnen, wegen -- nun, Sie wissen schon
was. Aber auf Diwan war ich ruhiger und habe gedacht, ich war Sonntag
nicht in Amerika, sondern in Deutschland. Und Sie haben mir nicht -- Sie
wissen schon was -- getan nach amerikanischer Sitte, sondern nach deutsche,
weil ich hatte vorher gesagt zu Ihnen: ist das .schmiegsam'? Denn wenn
Sie so getan hätten als Amerikaner, ich hätte Ihnen müssen verachten. So
hatte es mir doch im Grunde gefallen sehr gut. Nicht wegen -- Sie wissen
schon was --, sondern wegen Ihre Person. Sie sind ein so guter und so
kluger und so lustiger Mann, und so poetica!. So glaube ich wenigstens.
Meine Landsmänner sind sehr gute >bu8me83men', aber poetry kennen sie
nicht. Darum habe ich heute morgen Telegramm geschickt an Mr. Johnstone.
Er wollte heiraten mir, aber ich telegraphte an ihn, ich könnte es nicht. O,
es tut mir so leid wegen ihn, er ist ein so guter, sehr guter Mensch.

Das ist die conteZZion, Ich Ihnen machen wollte. Und nnn kommt
ein piopasition.

Ich habe telephoniert mit dem Botschafter in Berlin heute morgen. Ich
habe ihm gesagt, Ich habe getroffen einen Mann wie Sie, ein guter Professor
für eine von unsere Universitäten in Geographie mit die besten Zeugnisse.
Ob wir nicht Sie können rufen. Er meint, wir können.

Lieber Doktor. Kommen Sie morgen mittag zu mir, damit wir können
besprechen das. Montag reise ich ab mit steamer. Am liebsten nähme Ich
Ihnen gleich mit. Aber ich glaube, das ist für Ihren Geschmack zu amerikanisch.
Deutsche Mädchen würden das nicht tun. Sie sind nicht so emanzipiert wie
die Amerikanerinnen. Sie lieben es mehr, der Mann soll tun, und sie wollen
sich lehnen an ihm. Sie sind .anschmiegsam'. Aber ich kann es auch und
wenn ich es nicht kann, will ich versuchen es zu lernen. Wir müssen beide


Der Austcmschprofcssor

Den Göttinger Tretbrief hatte er zu den Akten gelegt (in Gedanken wenigstens,
denn trotz allen Suchens hatte er ihn nicht wiederfinden können). Miß Alice
Granton wähnte er längst auf der Fahrt nach Amerika und heuchelte seinen
Gefühlen ihr gegenüber Gleichgültigkeit, obwohl der vergangene Sonntag und
ihre Küsse wie ein süß-schmerzliches Feuer in seiner Seele fortbrannten.

Da kam der Postbote, brachte einige Briefe für .Stadt Hamburg' und drückte
auch Doktor Jerum zwei für ihn bestimmte Briefe in die Hand.

Der eine kam aus Göttingen und enthielt eine in den überschwenglichsten
Dankestönen abgefaßte Quittung des Tretphilisters über neunhundertsound-
soviel Em.

Der andere kam ausHamburg, datiert vomHotel,Hamburger Hof', und lautete:


„Lieber Doktor,

mein Fuß wurde schon Montag so schlimm, daß ich nicht konnte abreisen.
Dazu kam ein Schnupfen-Fieber. So habe ich geHüten vier Tage den Bett
und zwei Tage das Diwan, und meine Gedanken haben mir geholfen dabei.

Ich muß Ihnen machen ein L0nfL83ion. Solange ich war zu Bett
mit Fieber, ich war zornerlich auf Ihnen, wegen — nun, Sie wissen schon
was. Aber auf Diwan war ich ruhiger und habe gedacht, ich war Sonntag
nicht in Amerika, sondern in Deutschland. Und Sie haben mir nicht — Sie
wissen schon was — getan nach amerikanischer Sitte, sondern nach deutsche,
weil ich hatte vorher gesagt zu Ihnen: ist das .schmiegsam'? Denn wenn
Sie so getan hätten als Amerikaner, ich hätte Ihnen müssen verachten. So
hatte es mir doch im Grunde gefallen sehr gut. Nicht wegen — Sie wissen
schon was —, sondern wegen Ihre Person. Sie sind ein so guter und so
kluger und so lustiger Mann, und so poetica!. So glaube ich wenigstens.
Meine Landsmänner sind sehr gute >bu8me83men', aber poetry kennen sie
nicht. Darum habe ich heute morgen Telegramm geschickt an Mr. Johnstone.
Er wollte heiraten mir, aber ich telegraphte an ihn, ich könnte es nicht. O,
es tut mir so leid wegen ihn, er ist ein so guter, sehr guter Mensch.

Das ist die conteZZion, Ich Ihnen machen wollte. Und nnn kommt
ein piopasition.

Ich habe telephoniert mit dem Botschafter in Berlin heute morgen. Ich
habe ihm gesagt, Ich habe getroffen einen Mann wie Sie, ein guter Professor
für eine von unsere Universitäten in Geographie mit die besten Zeugnisse.
Ob wir nicht Sie können rufen. Er meint, wir können.

Lieber Doktor. Kommen Sie morgen mittag zu mir, damit wir können
besprechen das. Montag reise ich ab mit steamer. Am liebsten nähme Ich
Ihnen gleich mit. Aber ich glaube, das ist für Ihren Geschmack zu amerikanisch.
Deutsche Mädchen würden das nicht tun. Sie sind nicht so emanzipiert wie
die Amerikanerinnen. Sie lieben es mehr, der Mann soll tun, und sie wollen
sich lehnen an ihm. Sie sind .anschmiegsam'. Aber ich kann es auch und
wenn ich es nicht kann, will ich versuchen es zu lernen. Wir müssen beide


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[0632] Der Austcmschprofcssor Den Göttinger Tretbrief hatte er zu den Akten gelegt (in Gedanken wenigstens, denn trotz allen Suchens hatte er ihn nicht wiederfinden können). Miß Alice Granton wähnte er längst auf der Fahrt nach Amerika und heuchelte seinen Gefühlen ihr gegenüber Gleichgültigkeit, obwohl der vergangene Sonntag und ihre Küsse wie ein süß-schmerzliches Feuer in seiner Seele fortbrannten. Da kam der Postbote, brachte einige Briefe für .Stadt Hamburg' und drückte auch Doktor Jerum zwei für ihn bestimmte Briefe in die Hand. Der eine kam aus Göttingen und enthielt eine in den überschwenglichsten Dankestönen abgefaßte Quittung des Tretphilisters über neunhundertsound- soviel Em. Der andere kam ausHamburg, datiert vomHotel,Hamburger Hof', und lautete: „Lieber Doktor, mein Fuß wurde schon Montag so schlimm, daß ich nicht konnte abreisen. Dazu kam ein Schnupfen-Fieber. So habe ich geHüten vier Tage den Bett und zwei Tage das Diwan, und meine Gedanken haben mir geholfen dabei. Ich muß Ihnen machen ein L0nfL83ion. Solange ich war zu Bett mit Fieber, ich war zornerlich auf Ihnen, wegen — nun, Sie wissen schon was. Aber auf Diwan war ich ruhiger und habe gedacht, ich war Sonntag nicht in Amerika, sondern in Deutschland. Und Sie haben mir nicht — Sie wissen schon was — getan nach amerikanischer Sitte, sondern nach deutsche, weil ich hatte vorher gesagt zu Ihnen: ist das .schmiegsam'? Denn wenn Sie so getan hätten als Amerikaner, ich hätte Ihnen müssen verachten. So hatte es mir doch im Grunde gefallen sehr gut. Nicht wegen — Sie wissen schon was —, sondern wegen Ihre Person. Sie sind ein so guter und so kluger und so lustiger Mann, und so poetica!. So glaube ich wenigstens. Meine Landsmänner sind sehr gute >bu8me83men', aber poetry kennen sie nicht. Darum habe ich heute morgen Telegramm geschickt an Mr. Johnstone. Er wollte heiraten mir, aber ich telegraphte an ihn, ich könnte es nicht. O, es tut mir so leid wegen ihn, er ist ein so guter, sehr guter Mensch. Das ist die conteZZion, Ich Ihnen machen wollte. Und nnn kommt ein piopasition. Ich habe telephoniert mit dem Botschafter in Berlin heute morgen. Ich habe ihm gesagt, Ich habe getroffen einen Mann wie Sie, ein guter Professor für eine von unsere Universitäten in Geographie mit die besten Zeugnisse. Ob wir nicht Sie können rufen. Er meint, wir können. Lieber Doktor. Kommen Sie morgen mittag zu mir, damit wir können besprechen das. Montag reise ich ab mit steamer. Am liebsten nähme Ich Ihnen gleich mit. Aber ich glaube, das ist für Ihren Geschmack zu amerikanisch. Deutsche Mädchen würden das nicht tun. Sie sind nicht so emanzipiert wie die Amerikanerinnen. Sie lieben es mehr, der Mann soll tun, und sie wollen sich lehnen an ihm. Sie sind .anschmiegsam'. Aber ich kann es auch und wenn ich es nicht kann, will ich versuchen es zu lernen. Wir müssen beide

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/632>, abgerufen am 03.07.2024.