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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Lin Reichsnotschatz

genötigten -- Kreise würden sicher noch viel lieber alljährlich eine bestimmte,
angemessene Summe zu dem Notschatz zeichnen, wenn dafür die meist unerwartet,
oft unbequem kommenden wiederholten Einzelsammlungen wegfielen. Es würde
aber auch bald unter den Kaufleuten, Landwirten, Fabrikanten, Offizieren,
Beamten usw. gute Sitte werden, sich mit einen: Jahresbetrag an den Spenden
zu beteiligen; es ist zu erwarten, daß die deutschen Fürsten mit bestem Beispiel
vorangehen, daß die Reichs- und Landesregierungen Beihilfen zum Reichsnot¬
schatz in den Etat einstellen, daß größere Firmen, Banken, Aktiengesellschaften usw.
einen kleinen Prozentsatz des Neingewinns alljährlich dem Schatz überweisen
würden. Erblasser würden den Schatz mit Vermächtnissen bedenken, bei Hochzeiten,
Jubiläen und ähnlichen Veranlassungen würden Stiftungen dein Schatz über¬
wiesen, Neujahrsglückwünsche, Kranzspenden, Illuminationen usw. durch Gaben
für den Schatz abgelöst werden.

Da alle deutschen Landesteile an der zweckmäßigen Verwaltung und der
gerechten Verwendung des Reichsnotschatzes dasselbe Interesse haben, so würde
der Verwaltungsausschuß des Schatzes aus Vertretern aller Bundesstaaten zu¬
sammenzusetzen und in bezug auf seine Geschäftsführung der Beaufsichtigung durch
den Bundesrat zu unterstellen sein, der auch die allgemeinen Grundsätze für den
Umfang und die Art der Unterstützung Hilfsbedürftiger festzusetzen hätte. Jeder
Bundesstaat hätte einen ehrenamtlichen Vertreter in den Verwaltungsausschuß
zu entsenden. Daneben müßten in allen Landesteilen Unterausschüsse gebildet
werden, die ebenfalls ehrenamtlich zu besetzen wären und Hand in Hand mit
den Organen der Selbstverwaltung zu wirken hätten. Als Sammelstellen würden
wie bisher bei den Einzelsammlungen gewiß alle Postanstalten, Banken usw.
der Sache unentgeltlich dienen.

Der Verwaltungsausschuß hätte u. a. auch ein etwa zweimal monatlich
erscheinendes Nachrichtenblatt herauszugeben, in dem über alle Spenden Quittung
erteilt und über die Verwendung der Mittel berichtet würde. Dieses Blatt
wäre zugleich eine Sammelstelle für alle Nachrichten über größere Unfälle und
deren wirtschaftliche Folgen; es würde eine Lücke im Zeitungswesen ausfüllen.
Das Blatt müßte auch aus der Erfahrung sich ergebende Vorschläge zur Ver¬
hütung und Verringerung der Folgen von Naturereignissen bekannt machen.
Aus den Bezugsgeldern und aus dem Anzeigenteil des Blattes erwüchsen weitere
Einnahmen für den Schatz.

Aus dem Notschatz könnten auch vorschußweise an Gemeinden Mittel bewilligt
werden zu schleunigen Abwehrmaßnahmen gegen drohende Naturereignisse, wenn
solche Mittel anderweit nicht schnell genug beschafft werden können.

Jeder Unterausschuß hätte nicht nur Gelder zu sammeln, Schäden festzustellen
und Unterstützungen zu verteilen, sondern auch ein Lager von Kleidungsstücken,
Betten, Verbandzeug und Vorräten aller Art zu unterhalten, die erfahrungsgemäß
bei plötzlich eintretenden Notständen am dringendsten gebraucht werden. Das
Lager würde teils durch Ankauf, teils durch Naturalspenden ergänzt.


Lin Reichsnotschatz

genötigten — Kreise würden sicher noch viel lieber alljährlich eine bestimmte,
angemessene Summe zu dem Notschatz zeichnen, wenn dafür die meist unerwartet,
oft unbequem kommenden wiederholten Einzelsammlungen wegfielen. Es würde
aber auch bald unter den Kaufleuten, Landwirten, Fabrikanten, Offizieren,
Beamten usw. gute Sitte werden, sich mit einen: Jahresbetrag an den Spenden
zu beteiligen; es ist zu erwarten, daß die deutschen Fürsten mit bestem Beispiel
vorangehen, daß die Reichs- und Landesregierungen Beihilfen zum Reichsnot¬
schatz in den Etat einstellen, daß größere Firmen, Banken, Aktiengesellschaften usw.
einen kleinen Prozentsatz des Neingewinns alljährlich dem Schatz überweisen
würden. Erblasser würden den Schatz mit Vermächtnissen bedenken, bei Hochzeiten,
Jubiläen und ähnlichen Veranlassungen würden Stiftungen dein Schatz über¬
wiesen, Neujahrsglückwünsche, Kranzspenden, Illuminationen usw. durch Gaben
für den Schatz abgelöst werden.

Da alle deutschen Landesteile an der zweckmäßigen Verwaltung und der
gerechten Verwendung des Reichsnotschatzes dasselbe Interesse haben, so würde
der Verwaltungsausschuß des Schatzes aus Vertretern aller Bundesstaaten zu¬
sammenzusetzen und in bezug auf seine Geschäftsführung der Beaufsichtigung durch
den Bundesrat zu unterstellen sein, der auch die allgemeinen Grundsätze für den
Umfang und die Art der Unterstützung Hilfsbedürftiger festzusetzen hätte. Jeder
Bundesstaat hätte einen ehrenamtlichen Vertreter in den Verwaltungsausschuß
zu entsenden. Daneben müßten in allen Landesteilen Unterausschüsse gebildet
werden, die ebenfalls ehrenamtlich zu besetzen wären und Hand in Hand mit
den Organen der Selbstverwaltung zu wirken hätten. Als Sammelstellen würden
wie bisher bei den Einzelsammlungen gewiß alle Postanstalten, Banken usw.
der Sache unentgeltlich dienen.

Der Verwaltungsausschuß hätte u. a. auch ein etwa zweimal monatlich
erscheinendes Nachrichtenblatt herauszugeben, in dem über alle Spenden Quittung
erteilt und über die Verwendung der Mittel berichtet würde. Dieses Blatt
wäre zugleich eine Sammelstelle für alle Nachrichten über größere Unfälle und
deren wirtschaftliche Folgen; es würde eine Lücke im Zeitungswesen ausfüllen.
Das Blatt müßte auch aus der Erfahrung sich ergebende Vorschläge zur Ver¬
hütung und Verringerung der Folgen von Naturereignissen bekannt machen.
Aus den Bezugsgeldern und aus dem Anzeigenteil des Blattes erwüchsen weitere
Einnahmen für den Schatz.

Aus dem Notschatz könnten auch vorschußweise an Gemeinden Mittel bewilligt
werden zu schleunigen Abwehrmaßnahmen gegen drohende Naturereignisse, wenn
solche Mittel anderweit nicht schnell genug beschafft werden können.

Jeder Unterausschuß hätte nicht nur Gelder zu sammeln, Schäden festzustellen
und Unterstützungen zu verteilen, sondern auch ein Lager von Kleidungsstücken,
Betten, Verbandzeug und Vorräten aller Art zu unterhalten, die erfahrungsgemäß
bei plötzlich eintretenden Notständen am dringendsten gebraucht werden. Das
Lager würde teils durch Ankauf, teils durch Naturalspenden ergänzt.


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[0624] Lin Reichsnotschatz genötigten — Kreise würden sicher noch viel lieber alljährlich eine bestimmte, angemessene Summe zu dem Notschatz zeichnen, wenn dafür die meist unerwartet, oft unbequem kommenden wiederholten Einzelsammlungen wegfielen. Es würde aber auch bald unter den Kaufleuten, Landwirten, Fabrikanten, Offizieren, Beamten usw. gute Sitte werden, sich mit einen: Jahresbetrag an den Spenden zu beteiligen; es ist zu erwarten, daß die deutschen Fürsten mit bestem Beispiel vorangehen, daß die Reichs- und Landesregierungen Beihilfen zum Reichsnot¬ schatz in den Etat einstellen, daß größere Firmen, Banken, Aktiengesellschaften usw. einen kleinen Prozentsatz des Neingewinns alljährlich dem Schatz überweisen würden. Erblasser würden den Schatz mit Vermächtnissen bedenken, bei Hochzeiten, Jubiläen und ähnlichen Veranlassungen würden Stiftungen dein Schatz über¬ wiesen, Neujahrsglückwünsche, Kranzspenden, Illuminationen usw. durch Gaben für den Schatz abgelöst werden. Da alle deutschen Landesteile an der zweckmäßigen Verwaltung und der gerechten Verwendung des Reichsnotschatzes dasselbe Interesse haben, so würde der Verwaltungsausschuß des Schatzes aus Vertretern aller Bundesstaaten zu¬ sammenzusetzen und in bezug auf seine Geschäftsführung der Beaufsichtigung durch den Bundesrat zu unterstellen sein, der auch die allgemeinen Grundsätze für den Umfang und die Art der Unterstützung Hilfsbedürftiger festzusetzen hätte. Jeder Bundesstaat hätte einen ehrenamtlichen Vertreter in den Verwaltungsausschuß zu entsenden. Daneben müßten in allen Landesteilen Unterausschüsse gebildet werden, die ebenfalls ehrenamtlich zu besetzen wären und Hand in Hand mit den Organen der Selbstverwaltung zu wirken hätten. Als Sammelstellen würden wie bisher bei den Einzelsammlungen gewiß alle Postanstalten, Banken usw. der Sache unentgeltlich dienen. Der Verwaltungsausschuß hätte u. a. auch ein etwa zweimal monatlich erscheinendes Nachrichtenblatt herauszugeben, in dem über alle Spenden Quittung erteilt und über die Verwendung der Mittel berichtet würde. Dieses Blatt wäre zugleich eine Sammelstelle für alle Nachrichten über größere Unfälle und deren wirtschaftliche Folgen; es würde eine Lücke im Zeitungswesen ausfüllen. Das Blatt müßte auch aus der Erfahrung sich ergebende Vorschläge zur Ver¬ hütung und Verringerung der Folgen von Naturereignissen bekannt machen. Aus den Bezugsgeldern und aus dem Anzeigenteil des Blattes erwüchsen weitere Einnahmen für den Schatz. Aus dem Notschatz könnten auch vorschußweise an Gemeinden Mittel bewilligt werden zu schleunigen Abwehrmaßnahmen gegen drohende Naturereignisse, wenn solche Mittel anderweit nicht schnell genug beschafft werden können. Jeder Unterausschuß hätte nicht nur Gelder zu sammeln, Schäden festzustellen und Unterstützungen zu verteilen, sondern auch ein Lager von Kleidungsstücken, Betten, Verbandzeug und Vorräten aller Art zu unterhalten, die erfahrungsgemäß bei plötzlich eintretenden Notständen am dringendsten gebraucht werden. Das Lager würde teils durch Ankauf, teils durch Naturalspenden ergänzt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/624>, abgerufen am 23.07.2024.