Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Wehrkraft und ^port

s bricht sich jemand ein Bein, den Hals beim Röteln oder Kraxeln,
ein Ruderer oder Segler ertrinkt, ein Ballon wird verweht, ein
Skiläufer verunglückt -- und jedesmal erhebt sich ein, gelinde gesagt,
etwas philisterhaftes Gebaren über die Unsitten und Auswüchse, über
die bedauernswerten Opfer des Sports. Aber seine Gegenleistungen
werden nicht gewertet! dieErziehung zuMannesmutund Selbstbewußt¬
sein, die Stählung vou Körper und Blick, das Ablenken von den für die heranwachsende
Jugend so üblen Zerstreuungen, Alkohol und Weib. Mit Freude begrüßt und
fördert unser Heer das Umsichgreifen des Sports in Stadt und Land als ein
mächtiges Mittel zur Hebung der moralischen Kräfte im Volk. Ein rechter Mann
braucht als Lebensbedürfnis den Kampf. Wir Deutschen haben nun seit vierzig
Jahren Frieden. Die Jagd, welche unsre Altvorderen in stillen Zeiten trieben,
um dein Geiste den Wagemut, dem Körper die Gelenkigkeit zu bewahren, sie galt
damals dem grimmen Ur, dem starken Bären, dem wehrhaften Keiler, heute --
den harmlosen Häschen und Hühnern, und auch die hohe Jagd fordert vom Jäger
nicht Mut, sondern nur List. Ein anderes Aushilfemittel der Alten, das Turnier,
ist mit dem letzten Ritter zu Grabe getragen worden.

Um das Bedürfnis des Kämpfens befriedigen zu können, wendet sich der
Jüngling dem Sport zu, er ist der ausgesprochene Wille zum Kampf: man will
das Leben verschenken, um es aus eigener Kraft wiederzugewinnen. Unendlich
mannigfaltig sind seine Gebiete, aber immer zeigt sich derselbe Zug des Kampfes;
entweder mit den Elementen oder auch mit den Nebenmenschen, um zu zeigen:
ich bin der Stärkere!

Keine Felsenspitze ist so steil und so wild verklüftet, der Kletterer versucht sie
zu erklimmen, und ist ihm dies von einer Seite gelungen, so versucht er es von
der anderen, noch gefährlicheren.

Wenn der Sturm die brausenden Seen dnhinwälzt und der Fischer vorsichtig
den schützenden Hafen anläuft, dann erst schwillt dem Segler das Herz, vertrauend
auf sein treffliches Fahrzeug, das er selber zum Kampf und Sieg über die Wellen
geworfen: vertrauend auf sein eigenes Können trotzt er den Elementen. Der
Binnensegler, der keine Seenot zu fürchten hat, überladet sein kleines Boot mit
Segeln, um mit seiner Geschicklichkeit das Boot durch die Boer zu führen. Der
Autofahrer, sucht die steilsten, winkligsten Chausseen, um sie in vollster Fahrt zu
passieren. Alle diese suchen den Kampf, die Gefahr, um sie zu besiegen.

Solche Kampfgelegenheit mit den Elementen erfordert Zeit und Mittel. Wem
sie nicht zu Gebote stehen, der wählt den billigeren und ausgedehnten Wettkampf
unter den Menschen als Sport. Früher war hier die Wertung des Lebens nur
eine sehr geringe, denn was waren die alltäglichen Raufhändel des Mittelalters,




Wehrkraft und ^port

s bricht sich jemand ein Bein, den Hals beim Röteln oder Kraxeln,
ein Ruderer oder Segler ertrinkt, ein Ballon wird verweht, ein
Skiläufer verunglückt — und jedesmal erhebt sich ein, gelinde gesagt,
etwas philisterhaftes Gebaren über die Unsitten und Auswüchse, über
die bedauernswerten Opfer des Sports. Aber seine Gegenleistungen
werden nicht gewertet! dieErziehung zuMannesmutund Selbstbewußt¬
sein, die Stählung vou Körper und Blick, das Ablenken von den für die heranwachsende
Jugend so üblen Zerstreuungen, Alkohol und Weib. Mit Freude begrüßt und
fördert unser Heer das Umsichgreifen des Sports in Stadt und Land als ein
mächtiges Mittel zur Hebung der moralischen Kräfte im Volk. Ein rechter Mann
braucht als Lebensbedürfnis den Kampf. Wir Deutschen haben nun seit vierzig
Jahren Frieden. Die Jagd, welche unsre Altvorderen in stillen Zeiten trieben,
um dein Geiste den Wagemut, dem Körper die Gelenkigkeit zu bewahren, sie galt
damals dem grimmen Ur, dem starken Bären, dem wehrhaften Keiler, heute —
den harmlosen Häschen und Hühnern, und auch die hohe Jagd fordert vom Jäger
nicht Mut, sondern nur List. Ein anderes Aushilfemittel der Alten, das Turnier,
ist mit dem letzten Ritter zu Grabe getragen worden.

Um das Bedürfnis des Kämpfens befriedigen zu können, wendet sich der
Jüngling dem Sport zu, er ist der ausgesprochene Wille zum Kampf: man will
das Leben verschenken, um es aus eigener Kraft wiederzugewinnen. Unendlich
mannigfaltig sind seine Gebiete, aber immer zeigt sich derselbe Zug des Kampfes;
entweder mit den Elementen oder auch mit den Nebenmenschen, um zu zeigen:
ich bin der Stärkere!

Keine Felsenspitze ist so steil und so wild verklüftet, der Kletterer versucht sie
zu erklimmen, und ist ihm dies von einer Seite gelungen, so versucht er es von
der anderen, noch gefährlicheren.

Wenn der Sturm die brausenden Seen dnhinwälzt und der Fischer vorsichtig
den schützenden Hafen anläuft, dann erst schwillt dem Segler das Herz, vertrauend
auf sein treffliches Fahrzeug, das er selber zum Kampf und Sieg über die Wellen
geworfen: vertrauend auf sein eigenes Können trotzt er den Elementen. Der
Binnensegler, der keine Seenot zu fürchten hat, überladet sein kleines Boot mit
Segeln, um mit seiner Geschicklichkeit das Boot durch die Boer zu führen. Der
Autofahrer, sucht die steilsten, winkligsten Chausseen, um sie in vollster Fahrt zu
passieren. Alle diese suchen den Kampf, die Gefahr, um sie zu besiegen.

Solche Kampfgelegenheit mit den Elementen erfordert Zeit und Mittel. Wem
sie nicht zu Gebote stehen, der wählt den billigeren und ausgedehnten Wettkampf
unter den Menschen als Sport. Früher war hier die Wertung des Lebens nur
eine sehr geringe, denn was waren die alltäglichen Raufhändel des Mittelalters,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0592" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/316231"/>
            <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341891_315638/figures/grenzboten_341891_315638_316231_000.jpg"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Wehrkraft und ^port</head><lb/>
          <p xml:id="ID_3112"> s bricht sich jemand ein Bein, den Hals beim Röteln oder Kraxeln,<lb/>
ein Ruderer oder Segler ertrinkt, ein Ballon wird verweht, ein<lb/>
Skiläufer verunglückt &#x2014; und jedesmal erhebt sich ein, gelinde gesagt,<lb/>
etwas philisterhaftes Gebaren über die Unsitten und Auswüchse, über<lb/>
die bedauernswerten Opfer des Sports. Aber seine Gegenleistungen<lb/>
werden nicht gewertet! dieErziehung zuMannesmutund Selbstbewußt¬<lb/>
sein, die Stählung vou Körper und Blick, das Ablenken von den für die heranwachsende<lb/>
Jugend so üblen Zerstreuungen, Alkohol und Weib. Mit Freude begrüßt und<lb/>
fördert unser Heer das Umsichgreifen des Sports in Stadt und Land als ein<lb/>
mächtiges Mittel zur Hebung der moralischen Kräfte im Volk. Ein rechter Mann<lb/>
braucht als Lebensbedürfnis den Kampf. Wir Deutschen haben nun seit vierzig<lb/>
Jahren Frieden. Die Jagd, welche unsre Altvorderen in stillen Zeiten trieben,<lb/>
um dein Geiste den Wagemut, dem Körper die Gelenkigkeit zu bewahren, sie galt<lb/>
damals dem grimmen Ur, dem starken Bären, dem wehrhaften Keiler, heute &#x2014;<lb/>
den harmlosen Häschen und Hühnern, und auch die hohe Jagd fordert vom Jäger<lb/>
nicht Mut, sondern nur List. Ein anderes Aushilfemittel der Alten, das Turnier,<lb/>
ist mit dem letzten Ritter zu Grabe getragen worden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3113"> Um das Bedürfnis des Kämpfens befriedigen zu können, wendet sich der<lb/>
Jüngling dem Sport zu, er ist der ausgesprochene Wille zum Kampf: man will<lb/>
das Leben verschenken, um es aus eigener Kraft wiederzugewinnen. Unendlich<lb/>
mannigfaltig sind seine Gebiete, aber immer zeigt sich derselbe Zug des Kampfes;<lb/>
entweder mit den Elementen oder auch mit den Nebenmenschen, um zu zeigen:<lb/>
ich bin der Stärkere!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3114"> Keine Felsenspitze ist so steil und so wild verklüftet, der Kletterer versucht sie<lb/>
zu erklimmen, und ist ihm dies von einer Seite gelungen, so versucht er es von<lb/>
der anderen, noch gefährlicheren.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3115"> Wenn der Sturm die brausenden Seen dnhinwälzt und der Fischer vorsichtig<lb/>
den schützenden Hafen anläuft, dann erst schwillt dem Segler das Herz, vertrauend<lb/>
auf sein treffliches Fahrzeug, das er selber zum Kampf und Sieg über die Wellen<lb/>
geworfen: vertrauend auf sein eigenes Können trotzt er den Elementen. Der<lb/>
Binnensegler, der keine Seenot zu fürchten hat, überladet sein kleines Boot mit<lb/>
Segeln, um mit seiner Geschicklichkeit das Boot durch die Boer zu führen. Der<lb/>
Autofahrer, sucht die steilsten, winkligsten Chausseen, um sie in vollster Fahrt zu<lb/>
passieren. Alle diese suchen den Kampf, die Gefahr, um sie zu besiegen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3116" next="#ID_3117"> Solche Kampfgelegenheit mit den Elementen erfordert Zeit und Mittel. Wem<lb/>
sie nicht zu Gebote stehen, der wählt den billigeren und ausgedehnten Wettkampf<lb/>
unter den Menschen als Sport. Früher war hier die Wertung des Lebens nur<lb/>
eine sehr geringe, denn was waren die alltäglichen Raufhändel des Mittelalters,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0592] [Abbildung] Wehrkraft und ^port s bricht sich jemand ein Bein, den Hals beim Röteln oder Kraxeln, ein Ruderer oder Segler ertrinkt, ein Ballon wird verweht, ein Skiläufer verunglückt — und jedesmal erhebt sich ein, gelinde gesagt, etwas philisterhaftes Gebaren über die Unsitten und Auswüchse, über die bedauernswerten Opfer des Sports. Aber seine Gegenleistungen werden nicht gewertet! dieErziehung zuMannesmutund Selbstbewußt¬ sein, die Stählung vou Körper und Blick, das Ablenken von den für die heranwachsende Jugend so üblen Zerstreuungen, Alkohol und Weib. Mit Freude begrüßt und fördert unser Heer das Umsichgreifen des Sports in Stadt und Land als ein mächtiges Mittel zur Hebung der moralischen Kräfte im Volk. Ein rechter Mann braucht als Lebensbedürfnis den Kampf. Wir Deutschen haben nun seit vierzig Jahren Frieden. Die Jagd, welche unsre Altvorderen in stillen Zeiten trieben, um dein Geiste den Wagemut, dem Körper die Gelenkigkeit zu bewahren, sie galt damals dem grimmen Ur, dem starken Bären, dem wehrhaften Keiler, heute — den harmlosen Häschen und Hühnern, und auch die hohe Jagd fordert vom Jäger nicht Mut, sondern nur List. Ein anderes Aushilfemittel der Alten, das Turnier, ist mit dem letzten Ritter zu Grabe getragen worden. Um das Bedürfnis des Kämpfens befriedigen zu können, wendet sich der Jüngling dem Sport zu, er ist der ausgesprochene Wille zum Kampf: man will das Leben verschenken, um es aus eigener Kraft wiederzugewinnen. Unendlich mannigfaltig sind seine Gebiete, aber immer zeigt sich derselbe Zug des Kampfes; entweder mit den Elementen oder auch mit den Nebenmenschen, um zu zeigen: ich bin der Stärkere! Keine Felsenspitze ist so steil und so wild verklüftet, der Kletterer versucht sie zu erklimmen, und ist ihm dies von einer Seite gelungen, so versucht er es von der anderen, noch gefährlicheren. Wenn der Sturm die brausenden Seen dnhinwälzt und der Fischer vorsichtig den schützenden Hafen anläuft, dann erst schwillt dem Segler das Herz, vertrauend auf sein treffliches Fahrzeug, das er selber zum Kampf und Sieg über die Wellen geworfen: vertrauend auf sein eigenes Können trotzt er den Elementen. Der Binnensegler, der keine Seenot zu fürchten hat, überladet sein kleines Boot mit Segeln, um mit seiner Geschicklichkeit das Boot durch die Boer zu führen. Der Autofahrer, sucht die steilsten, winkligsten Chausseen, um sie in vollster Fahrt zu passieren. Alle diese suchen den Kampf, die Gefahr, um sie zu besiegen. Solche Kampfgelegenheit mit den Elementen erfordert Zeit und Mittel. Wem sie nicht zu Gebote stehen, der wählt den billigeren und ausgedehnten Wettkampf unter den Menschen als Sport. Früher war hier die Wertung des Lebens nur eine sehr geringe, denn was waren die alltäglichen Raufhändel des Mittelalters,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/592
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/592>, abgerufen am 01.07.2024.