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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Der Austauschprofessor

große aversion gegen Amerika, ivo alles ,busine88' und ,make more/ ist. --
Ich will später lesen in Bücher von dieser Kirche.---Wer heute habe
ich einen Wunsch. Ich möchte..." Sie stockte, sah Doktor Jerum mit einem
ganz unamerikanischen, hilfeflehenden Blick an und fuhr fort: "Ich möchte wohl,
wenn die -- die -- Trauleute kommen ----die Orgel spielen. O, ich
kann, wenn ich ein musie-book habe, sehr gut Orgel spielen, ich spiele sie in
unser Kindergottesdienst in New-Uork jeden Sonntagnachmittag." Sie legte
die Hand auf seinen Arm: "Wollen Sie bitten Herr Pastor Lozi, daß er mir
gibt perml88ion?"

Hierbei war nichts zu machen. Jerum bat, Noten waren da, Pastor loci-
Lehmann erlaubte, das Brautpaar kam, Alice spielte, der Stern drehte sich, die
Zuschauer staunten, und Miß Granton sagte nach Beendigung der Feierlichkeit
zu den beiden Herren:

"Nun habe ich zusammen mit einen deutschen Pastor ein deutsches Braut¬
paar getraut. Das ist mein höchstes Triumph in mein ganzes Leben. -- Aber
nun muß ich zum Tanzmeister, zu sehen, ob er meinen Brief bekommen hat."

Man ging zum Tanzmeister.

Draußen war's warm geworden. Der Wind fast stürmisch. Dicke Wolken
saßen an: Himmel, Regen in der Luft.
Doktor Jerum sagte:

"Wenn wir, nur trocken wieder nach Hause kommen. Denn wenn dieser
Altpoggensieler Deich sich in seine Bestandteile auflöst. . . Ich will nicht
wünschen, daß Sie ihn in seinen, autochthonen Zustande kennen lernen. Einer
hat mal von ihm geschrieben:

Also stimme ich dafür, daß wir möglichst bald nach KruSlak aufbrechen. Dort
bekommen wir vielleicht für Bergstadt 'nen Wagen. Hier nicht."

Miß Grnnton sagte, sie wolle nicht nur die hier ansässigen Tanzkünstler,
sondern auch noch die Jntarsienkünstler in ihren Werkstätten aufsuchen, möge
der Deich sein, wie er wolle.

Darauf schmieg Doktor Jerum. Er wollte ja selbst gern das Beisammen¬
sein mit diesem frischen, kernigen Menschenkind bis zur äußersten Sekunde
hinausziehen. Aber er dachte dabei: Mir graut vor der Götter Neide. . .

Man ging zum ,Tanzmeister' Herrn Beenke. Der wohnte in einer ziemlich
verfallenen Baracke. War aber nicht zu Hanse. -- Wo er denu sei, fragte
Doktor Jerum die alte Mutter. -- "Mit dem Rad los, um so'u Stücker acht
Paar gute Tänzer nach Haares Puttfarken seinem Salon zusammenzutrommeln.
Allens in Kostüm." Denn 'ne amerikanische Dame hätte sich cmgemeldt. "Un
de Amerikaners sünd ja rein verrückt op so wat." Und was es kosten täte,


Der Austauschprofessor

große aversion gegen Amerika, ivo alles ,busine88' und ,make more/ ist. —
Ich will später lesen in Bücher von dieser Kirche.---Wer heute habe
ich einen Wunsch. Ich möchte..." Sie stockte, sah Doktor Jerum mit einem
ganz unamerikanischen, hilfeflehenden Blick an und fuhr fort: „Ich möchte wohl,
wenn die — die — Trauleute kommen —--die Orgel spielen. O, ich
kann, wenn ich ein musie-book habe, sehr gut Orgel spielen, ich spiele sie in
unser Kindergottesdienst in New-Uork jeden Sonntagnachmittag." Sie legte
die Hand auf seinen Arm: „Wollen Sie bitten Herr Pastor Lozi, daß er mir
gibt perml88ion?"

Hierbei war nichts zu machen. Jerum bat, Noten waren da, Pastor loci-
Lehmann erlaubte, das Brautpaar kam, Alice spielte, der Stern drehte sich, die
Zuschauer staunten, und Miß Granton sagte nach Beendigung der Feierlichkeit
zu den beiden Herren:

„Nun habe ich zusammen mit einen deutschen Pastor ein deutsches Braut¬
paar getraut. Das ist mein höchstes Triumph in mein ganzes Leben. — Aber
nun muß ich zum Tanzmeister, zu sehen, ob er meinen Brief bekommen hat."

Man ging zum Tanzmeister.

Draußen war's warm geworden. Der Wind fast stürmisch. Dicke Wolken
saßen an: Himmel, Regen in der Luft.
Doktor Jerum sagte:

„Wenn wir, nur trocken wieder nach Hause kommen. Denn wenn dieser
Altpoggensieler Deich sich in seine Bestandteile auflöst. . . Ich will nicht
wünschen, daß Sie ihn in seinen, autochthonen Zustande kennen lernen. Einer
hat mal von ihm geschrieben:

Also stimme ich dafür, daß wir möglichst bald nach KruSlak aufbrechen. Dort
bekommen wir vielleicht für Bergstadt 'nen Wagen. Hier nicht."

Miß Grnnton sagte, sie wolle nicht nur die hier ansässigen Tanzkünstler,
sondern auch noch die Jntarsienkünstler in ihren Werkstätten aufsuchen, möge
der Deich sein, wie er wolle.

Darauf schmieg Doktor Jerum. Er wollte ja selbst gern das Beisammen¬
sein mit diesem frischen, kernigen Menschenkind bis zur äußersten Sekunde
hinausziehen. Aber er dachte dabei: Mir graut vor der Götter Neide. . .

Man ging zum ,Tanzmeister' Herrn Beenke. Der wohnte in einer ziemlich
verfallenen Baracke. War aber nicht zu Hanse. — Wo er denu sei, fragte
Doktor Jerum die alte Mutter. — „Mit dem Rad los, um so'u Stücker acht
Paar gute Tänzer nach Haares Puttfarken seinem Salon zusammenzutrommeln.
Allens in Kostüm." Denn 'ne amerikanische Dame hätte sich cmgemeldt. „Un
de Amerikaners sünd ja rein verrückt op so wat." Und was es kosten täte,


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[0579] Der Austauschprofessor große aversion gegen Amerika, ivo alles ,busine88' und ,make more/ ist. — Ich will später lesen in Bücher von dieser Kirche.---Wer heute habe ich einen Wunsch. Ich möchte..." Sie stockte, sah Doktor Jerum mit einem ganz unamerikanischen, hilfeflehenden Blick an und fuhr fort: „Ich möchte wohl, wenn die — die — Trauleute kommen —--die Orgel spielen. O, ich kann, wenn ich ein musie-book habe, sehr gut Orgel spielen, ich spiele sie in unser Kindergottesdienst in New-Uork jeden Sonntagnachmittag." Sie legte die Hand auf seinen Arm: „Wollen Sie bitten Herr Pastor Lozi, daß er mir gibt perml88ion?" Hierbei war nichts zu machen. Jerum bat, Noten waren da, Pastor loci- Lehmann erlaubte, das Brautpaar kam, Alice spielte, der Stern drehte sich, die Zuschauer staunten, und Miß Granton sagte nach Beendigung der Feierlichkeit zu den beiden Herren: „Nun habe ich zusammen mit einen deutschen Pastor ein deutsches Braut¬ paar getraut. Das ist mein höchstes Triumph in mein ganzes Leben. — Aber nun muß ich zum Tanzmeister, zu sehen, ob er meinen Brief bekommen hat." Man ging zum Tanzmeister. Draußen war's warm geworden. Der Wind fast stürmisch. Dicke Wolken saßen an: Himmel, Regen in der Luft. Doktor Jerum sagte: „Wenn wir, nur trocken wieder nach Hause kommen. Denn wenn dieser Altpoggensieler Deich sich in seine Bestandteile auflöst. . . Ich will nicht wünschen, daß Sie ihn in seinen, autochthonen Zustande kennen lernen. Einer hat mal von ihm geschrieben: Also stimme ich dafür, daß wir möglichst bald nach KruSlak aufbrechen. Dort bekommen wir vielleicht für Bergstadt 'nen Wagen. Hier nicht." Miß Grnnton sagte, sie wolle nicht nur die hier ansässigen Tanzkünstler, sondern auch noch die Jntarsienkünstler in ihren Werkstätten aufsuchen, möge der Deich sein, wie er wolle. Darauf schmieg Doktor Jerum. Er wollte ja selbst gern das Beisammen¬ sein mit diesem frischen, kernigen Menschenkind bis zur äußersten Sekunde hinausziehen. Aber er dachte dabei: Mir graut vor der Götter Neide. . . Man ging zum ,Tanzmeister' Herrn Beenke. Der wohnte in einer ziemlich verfallenen Baracke. War aber nicht zu Hanse. — Wo er denu sei, fragte Doktor Jerum die alte Mutter. — „Mit dem Rad los, um so'u Stücker acht Paar gute Tänzer nach Haares Puttfarken seinem Salon zusammenzutrommeln. Allens in Kostüm." Denn 'ne amerikanische Dame hätte sich cmgemeldt. „Un de Amerikaners sünd ja rein verrückt op so wat." Und was es kosten täte,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/579>, abgerufen am 01.07.2024.